Carl Maria von Weber an Friederike Koch in Berlin
Gotha, Montag, 30. November 1812
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Endlich einmal wieder ein Zeichen des Lebens und Andenkens von Ihrer Hand. Sie böse Freundin, so eben erhalte ich Ihr liebes Briefchen vom 21t Nov: nebsch Flemingschen und Wöhnerschen Beylagen. darf ich wohl um einen nach Ihrer Zeitrechnung verfaßten Kalender bitten? Sie schreiben mir, = Erst vor 8 Tagen bekamen Sie ein ganzes Rieß Papier von meiner Hand beschmiert — das sind curiose 8 Tage, seit dem 16t 8ber sage Sechzensten October, habe ich keine Zeile von Ihnen gesehen; wie ich den[n] überhaupt mich erst außer diesem lezten vom 21t 9br nur eines Briefes von Ihnen zu rühmen habe*. Machen Sie es also bald wieder gut, und schreiben Sie mir recht viel und lang, zumal da Sie mir keinen einzigen Punkt meines Briefes ‡ vom 25t 8ber beantwortet haben, hat sich unsre gute Schrökh wieder beruhigt? ppppp.
ich hatte eben angefangen an Türks zu schreiben als ihr Brief ankam, wo Sie mich so gottlos heruntermachen. da ich aber die enormen Summen sehe, die Sie wegen mir verlohren, so war ich billig genug die Größe Ihres Schmerzes einzusehen, und wenn mir der Himmel einst Reichthümer schenkt, so hoffe ich Ihnen alles wieder mit Zinsen zu ersezzen, was Sie so schön im Glauben auf mich, verlohren haben*. Ihr Brief hat mich recht froh gemacht, weil ich darin Ihre zufriedene frohe Stimmung zu erkennen glaubte. der Himmel erhalte Ihnen lange, ja ewig diese glükliche Heiterkeit. So eine kleine freundliche Begebenheit im Leben, wie die ConcertFahrt nach Potsdam, ist oft recht heilsam, man wird aus dem gewöhnlichen Fahrgleise herausgepufft, und das wirkt gut auf den ganzen Körper. gratulire also von Herzen zu‡ glüklich überstandenem Duett pp. die Beschreibung des Concerts, Ihres Incognito’s, der Rußischen Musik, und der Gnade des Königs hat mir ungemein viel Spaß gemacht, weil recht wohlthuend aus alle dem Ihre dadurch erzeugte frohe Laune durchschimmerte*. Man sollte Ihnen von Amts Wegen alle Monate ein solches Mittelchen verordnen. Sie sind böse darüber daß ich Wöhner keinen Brief an Sie gegeben habe? ja liebe Freundin, ich bin gar geizig mit der Vertheilung dieser Gnade, und obwohl Wöhn: eine rechte gute Seele ist, so wuste ich ja doch nicht ob er Sie nur einigermaßen intereßiren könnte, da die Musik erstlich nicht sehr seine Leidenschaft ist, und ich zweitens nicht glaubte daß seine Familienbekanntschaft ihm die Zeit laßen würde sich nach anderen Bekanntschaften umzusehen. der Zufall hat es übrigens recht gut gemacht. Ja wohl haben Sie recht liebe Koch, daß ich so viele Liebe nicht verdiene. aber wenn es blos darauf ankömt diese Liebe zu würdigen und zu erwidern, verdiene ich sie doch gewiß in vollem Maaße, und recht glüklich macht mich dieses Bewustsein, ja es ist das einzige was mich in der Welt, aufrecht und liebend erhält. — Noch immer habe ich nicht an Danzi geschrieben, zürnen Sie nicht, es soll gewiß recht bald geschehen, und es soll mir eine wahre Wonne seyn, wenn ich Ihnen befriedigende gute Nachrichten mittheilen kann, aber freylich wird das noch ein Weilchen dauern*, Danzi ist eben auch nicht der promteste Briefschreiber. Aus Flemings Brief, werden Sie sehen was ich treibe und thue, und noch zu treiben im Sinne habe. ich verliehre sehr viele Zeit bey dem Herzog und dem Prinzen, wobey ich freylich wieder auf der andern Seite gewinne durch die Liebe mit der ich behandelt werde. wahrlich liebe Freundin, man muß die Kunst so hoch verehren und erkennen wie ich, und auch sich selbst mit allen 1000 Fehlern, um nicht manchmal eine kleine Anwandlung von Stolz nach so vieler Liebe von allen Seiten zu fühlen. doch warum sollte ich auch nicht stolz darauf sein?
Erwiedern Sie alle Grüße von Ottken, Rungenhagen. Hellwigs, der lieben Schrökh, der Jettchens aufs herzlichste von mir. Zelter dauert mich sehr*. Gott schenke ihm Kraft zur Ausdauer. auch ihm viel liebes von mir. Lichtenstein nicht zu vergeßen. Schreiben Sie ja bald wieder Ihrem Sie herzlich liebenden Freund Weber. Gotha d: 30t Nov: 1812.
Apparat
Zusammenfassung
Privates, über gemeinsame Bekannte u. Unternehmungen; Grüße an Bekannte
Incipit
„Endlich einmal wieder ein Zeichen des Lebens und Andenkens von“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A e, 4Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- auf der Adressenseite von F. W. Jähns mit Bleistift: „Zu Weber an Flemming II. d. 4 gehörig.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Virneisel/Hausswald, S. 64–65
Textkonstitution
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„… keinen einzigen Punkt meines Briefes“durchstrichenes unleserliches Wort
-
„zu“„so“ überschrieben mit „zu“
Einzelstellenerläuterung
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„… von Ihnen zu rühmen habe“Im Brief vom 5. Dezember 1812 erwähnt Weber ein Schreiben von F. Koch vom 11. Oktober bis 14. November. Offenbar hatte F. Koch tatsächlich am 11. Oktober an Weber geschrieben, diesen Brief dann weitergegeben, damit er als Einlage mit einem anderen Brief versandt werde, was aber nicht geschah, worauf sie ihn einen Monat später ergänzte und dann wiederum an Lichtenstein gab, der ihn seinem Brief beilegte. Lichtenstein sollte wohl auch die erste Übersendung übernehmen, wie die Anspielung auf das Lichtenstein zu ersparende „Donnerwetter“ im genannten Brief vom 5. Dezember 1812 nahelegt.
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„… Glauben auf mich, verlohren haben“F. Koch hatte offenbar Notenausgaben gekauft, möglicherweise die gerade bei Schlesinger erschienenen Erstdrucke von Webers Liedern op. 23 und dem Silvana-Klavierauszug.
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„… dadurch erzeugte frohe Laune durchschimmerte“Das Konzert konnte bislang nicht eindeutig ermittelt werden. In den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1812, Nr. 141 (24. November) wird das von S. L. Friedel am 15. November (laut Anzeige in Nr. 134 vom 7. November im Saal des Potsdamer Stadt-Theaters) veranstaltete Konzert besprochen, in dem sich der Cellist Friedel vor allem als Baryton-Spieler präsentierte. Als Sängerin beteiligte sich die junge Henriette Fleck, ihre Mutter Luise Schröck steuerte den Monolog „Die Waffen ruhen“ aus Maria Stuart mit musikalischer Untermalung bei. Der Hinweis auf ein „Duett von Paer, gesungen von Dem. Fleck und ihrer Lehrerin“ könnte das „Incognito“ der Koch erklären, allerdings ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis nicht gesichert. Auch zu der von Weber erwähnten „Rußischen Musik“ findet sich in der Konzertbesprechung keine Bestätigung.
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„… das noch ein Weilchen dauern“Ein folgender Brief Webers an Danzi ist vor 1815 nicht dokumentiert.
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„… mir. Zelter dauert mich sehr“In der Nacht vom 13./14. November hatte sich der Stiefsohn aus Zelters erster Ehe: Carl Ludwig Flöricke (geb. 1784) erschossen. Vgl. Brief Zelters an Goethe vom 14.-16. November 1812. (Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796–1832, hg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Th. 2 (1812–1818), Berlin 1833, S. 33–36.