Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 28. Mai bis Freitag, 30. Mai 1817 (Nr. 52)
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Ich muß heute mit einem schweren Bekenntniß zu dir kommen, welches du wohl nie von deinem Carl erwartet hättest, und doch befiehl[t] mir meiner eigenen Ruh wegen mein ehrliebendes Gefühl dir alles zu entdekken. Ja liebe Lina, ich kann es nicht länger bergen daß mich seit ein paar Tagen eine andere unwiderstehliche Neigung abgehalten hat dir zu schreiben. Ein Mädchen deßen Liebreiz ich dir hier nicht zu erzählen im Stande bin, hat mich ganz gefeßelt, und mit 2 Worten sei es gesagt, sie ist sogar meine Braut. doppelt frevelhaft erscheint dieses Vergehen weil Sie auch Braut eines andern ist. aber dieß alles hilft nicht nur nichts, sondern kettet mich unbegreifflicher Weise nur noch fester an sie. Ja! ich muß dir alles entdekken. Nur Sie lebt in meiner Phantasie, jeden Augenblik schwebt ihr Bild mir vor, mit glühender Liebe umfaße ich sie, und auch ihre Gegenliebe scheint mir gewiß, denn sie geht mit mir schlafen und verläßt mich keinen Augenblik. Ja, sie hat ihres Vaters Haus verlaßen um mir ganz anzugehören. giebt es größere Beweise von Liebe. ich erkenne es aber auch. in Ihrer Blöße ist sie zu mir gekommen, ich will sie mit meinem Herzblut nähren, und kleiden mit dem besten das ich habe. Sie hat eine unwiderstehliche Neigung zum Theater, und ich will ihr dazu verhelfen obwohl ich alle Gefahren kenne die ihr da drohen. O meine geliebte Agathe wirst du mir treu bleiben rufe ich oft aus!
Du kennst nun meine ganze Schuld – richte, aber verdamme mich nicht. Wer kann für sein Gefühl, und wenn sie mich ganz umfangen hält, kann ich dann Briefe schreiben? O ich bitte um Verzweiflung!!!! Alle Thränen die ich für sie weine, fallen wie Schwere = noten aufs Papier. – o!! o! – Nun!???
Etsch, Etsch! Etsch! ich sollte mich sehr wundern wenn du nicht eine halbe Sekunde lang ein ängstliches Gesicht gekriegt hättest, nun gieb mir nur Haue, es thut nitz, du thust mir nicht wehe, und dann hast du doch gewiß gelaßt. – Ja, es ist wahr Mukin, die verdammte Jägersbraut spukt mir recht im Kopfe, und wie es mir immer geht wenn ich so eine RiesenArbeit vor mir sehe, so verliehre ich Anfangs allen Muth und verzweifle fast daran es zu Stande zu bringen, und komme mir wie ein Ochs vor, dem nichts einfallen will. Es geht aber dann doch immer, am Ende, und diese so oft bewährte Erfahrung tröstet mich. Die Oper ist wirklich trefflich geworden durch die neue Bearbeitung. Kurz, gedrängt, schönes Finale und andere Ensemble Stükke, und nun glaube ich daß in dieser Gattung noch keine existirt. Gott gebe seinen Seegen dazu, es sind entsezliche Aufgaben darinn, und mein Kopferl wird mir oft brumen, schadt aber nitz. Wenn du nur da wärst und mir helfen könntest. Wenn ich kann so schikke ich dir das Buch durch Grünbaums, damit du siehst was sie jezt für einen Rott anhat. Gestern erhielt ich endlich einen Brief von Gned. du wirst es wohl schon durch Stöger gefall‡ erfahren haben, daß er als Jacob gut aufgenommen wurde, den Richard Boll heute spielt*, und einen Antrag von Stuttgart erhalten hat. Es soll mich freuen wenn es ihm gut geht.
Was machst denn du mein alter Hamster? habt ihr auch so viel Regen als wir, so wirst du gewiß oft gewaschen wenn du im Garten bist. Gestern habe ich recht viel von | dir gesprochen. habe Mittags bei Ebers gegeßen. deren Tochter auch Braut ist, erst seit einigen Wochen dazu erklärt, und ganz blaß vor Liebe und Sehnsucht nach ihrem Bräutigam den sie auch vor 3 Monaten nicht zu sehen bekömt. Da wurde denn recht viel von Muks gesprochen, und das Heiraths Kapitel überhaupt recht abgehandelt. Ach, ich hätte lieber gleich wieder zu dir laufen mögen, denn die Zeit wird mir doch entsezlich lang die uns noch trennt. Da hab ich mir in meinem Kalender an jedem Posttag eine Brief Nummer angeschrieben, um zu wißen wie viele wir uns noch zu schreiben hätten, und mit großem Wohlbehagen, streiche ich dann immer die Nummer eines abgeschikten Briefes wett. du schriebst einmal in deiner No: 50, das halbe Hundert hätten wir erreicht, das Ganze wollten wir aber nicht voll machen. Ach, gute Lina, davon wird nicht viel fehlen. ich habe 87 zu füllen, und da du um 4 Briefe voraus bist, so komst du schon in die 90. ja, ja es häuft sich zusammen. Weist du was das gäb schon ein dittes dittes Buch, wir wollen sie drukken laßen unter dem Titel, Liebschaftliche Korrespondenz eines melancholischen Hanswurstes mit einem musikalischen Brumbären, oder, verliebte hin und her Schreiben zweyer Muken. da bekommen wir schönes Geld dafür, und kaufen einen Teppich. ah!
Nun guten Apetitt alter Schneefuß. behüte dich Gott bis Morgen, da komt ein Brieferl von dir, und das wird hoffentlich gut und froh sein und mich erwärmen, denn mich friert wie ein Schneider, die Sonne ist ganz verschleiert und kalt. ade. Millionen gute Bußen von deinem alten treuliebenden Carl.
Puntum da ist ein gutes, herziges, liebes Brieferl No. 56. das mir viele Freude gemacht hat. Heute früh schikte ich auf die Post, und da ließ man mir sagen, es wäre kein Brief da. ich kriegte einen schönen Schrekk, und dachte du wärst nun erst recht gelb geworden, und wärst krank. faßte mich aber doch bald indem ich dachte, vielleicht ist der Postbothe ein Esel, und richtig war ers zum Glük, denn das gute freundliche brave Brieflein ist da. Meine geliebte Lina, wie sehr hat dich Gott und Natur mit richtigem Gefühl und natürlichem Verstande beschenkt, und welch herrliches liegt in dir alle deine Umgebungen zu beglükken, wenn du im Stande bist die Fehler deiner gänzlich verschrobenen und Grundsäzze losen Erziehung durch die nur das Leidenschaftliche in dir genährt und ohne Zügel aufbrausend wurde, gänzlich auszurotten und mit Stumpf und Stiel zu vertilgen. ich zweifle keinen Augenblik daran. Viel hast du schon geleistet, denn du fängst an klar zu sehen, und richtig zu folgern. du wirst immer mehr und mehr fühlen, daß nur der wahrhaft Gute der Klügste ist, so wie die größte Klugheit es ist gut zu sein, und alles dieses nur wieder aus reinem Willen, und Vertrauen auf Gott und die Kraft die er uns gegeben, entspringt. Ich danke dir, daß du dem Dr: so das Wort redest, denn ich glaube auch daß alles so ist und daher kam wie du es sagst. Es giebt keinen, selbst den Besten aller Menschen, der nicht der Nachsicht der andern in einzelnen Fällen bedürfte. aber die Summe des Handelns, darinnen liegt es. Es giebt sehr schlechte Menschen die troz ihrer vollendeten Niederträchtigkeit, doch zuweilen in‡ einer Art von gutmüthigen Fieber Anfalle irgend etwas Gutes thun können, deßhalb sind sie aber um kein Haar beßer im Ganzen. und so umgekehrt. Nun, wir wollen schon einander forthelfen. Wenn ich heute noch dazu kommen kann so schreibe ich dem Dr:
Es wird mich freuen die Gräfin Odonell hier zu sehen, nur zweifle ich daß Sie an mir große Freude erleben wird. du weißt daß ich von Anfang immer ein bischen | unzugänglich und schroff aussehe. Nun vielleicht weiß sie das, und dann ists gut. dir haben sie gefallen, und Junghs Schwester ist dabei, Gründe genug sie mir im Voraus werth zu machen.
Glaubs wohl lieber Muks daß du noch nicht hast zum sparen kommen können, geht mir nicht beßer. kömt alle Augenblikk was unvorhergesehenes. Z: B: Gestern, komt der jüngste Sohn meiner Schwester Weyrauch, hier an und besucht mich. die Mutter hat ihm vernünftiger weise ein anständiges Handwerk lehren laßen, und er reißt jezt als ehrsamer Goldschmieds Geselle, nach Bremen wo seine Schwester die Victorine ist, um da in Arbeit zu gehen. Natürlich muste der Herr Onkel mit einigen Dukaten Reisegeld, Kleider und Wäsche den Wandersman unter die Arme greiffen, der übrigens gar nichts verlangt hatte, und dem ich es von Herzen gerne gab*. Ach, hätte ich nur viel, das Geben ist gar schön. Heute hab ich aber auch wieder etwas in die Wirthschaft gekauft, ein silbernes Schaufelchen zur Butter, recht hübsch. so komt Ein kleines Möbel von Silber nach dem andern.
Daß die Waldmüller nicht herkommen kann ist recht dumm. Mache nur übrigens daß sie mir bald schreibt, und Wann sie eintreffen könnte und was sie haben will pp auch die Liebich bombardiere wegen den 7 #. Kind, /: der dich herzlich grüßt :/ fragt mich oft wie es ist mit dem Vandyk. Morgen werde ich Antwort bekommen ob ich zu Johanni in mein Quartier ziehen kannT, und da könnte alsdann der Schreibtisch Ende Juny hieher schwimmen.
O du fataler Mopel! müßen wir denn immer einerley Gedanken haben? habe ich gespazt mit meiner Jägersbraut, so thut Ers auch, nun wird mein Spaz gar keinen Effekt mehr machen. ich hab aber recht gelacht mit dem Kopf abschneiden. Nun, viel beßer hab ich dies nicht gemacht, mach nur daß nichts mehr wegzuschneiden giebt, sonst Mordsakrire ich dich wie der Blaubart. Ja freilich wohnst du in der Herzens Etage, hast zwar das Quartier bezogen ohne anzufragen wirst aber gewiß ewig drinn leben. je schöner du dir es nun möblirst, desto beßer wird es dir drinn gefallen. Recht gerne will ich Freund Apitz nüzlich sein so viel in meinen Kräften steht, nur – kein Geld ausgeben, und zwar aus dem einfachen Grund weil ich keins habe. du hast sehr wohl gethan ihn selbst an mich zu verweisen Geschäftssachen kann man nicht blos Erzählungsweise abmachen.
Ich glaube gern daß sie in Prag Geschichten die Menge auf die Grünb: erfinden werden, aber vor der Hand ist sie hier noch nicht engagiert pp und das ganz natürlich, wer kann auf so lange voraus etwas ganz gewißes abschließen, auch hofft sie vermuthlich auf Berliner Anträge. – – – Kommen soll ich? um die Waldmüller zu hören? ja das geht nicht an, und wenn ich das meinem gnädigsten Monarchen auch noch so schön vorstelle, dann hat Er sie doch nicht gehört, und das ist die Hauptsache. Wäre freilich schön, so eine kleine ganz kleine Visite, geht aber nicht. Nun adje liebe gute Mukin, Morgen früh noch ein schönes Bußel, und dann fort mit dem Mosje Brief auf die Post. Bin wirklich fleißig, muß mich selbst ein bißel loben. die Jahre auf Reisen, und in dem für Litteratur todten Prag haben mich ein bißel in mancherley zurükgebracht, Nun hott ich also fleißig auch in den Büchern, und studire drauf loß, unter uns gesagt kosten sie auch viel Geld, aber – es muß sein, ist mein | HandwerksZeug.
Gott erhalte dich froh und zufrieden, grüß mir Drs. aufs beste 1000mal. eben so die Mutter. Millionen Bußen für dich, und nun Puntum . . . . dein alter Carl.
Einen schönen guten Morgen verehrtester Herr Hamster! Wie geht es Ihnen? Kreuzwohlauf? ich hoffe es. Komme blos die Hand zu küßen, und mich dann zu rasiren, und auf einer Probe zu amüsiren. d: 5t Juny soll das Waisenhaus sein, und da ist denn nicht mehr zu spazen. dann kommt das Geheimniß und Lodoiska dran, auf die freue ich mich, da will ich einmal das Orchester los laßen das es donnert und kracht.
Da Hab ich geglaubt meinen Taufschein zu haben, ist aber nicht wahr und nun muß ich nach Eutin schreiben wo ich keinen Menschen kenne. habe es aber meinem Banquier H: Bassenge aufgetragen, daß er es besorgt, und bringe ihm Heute die Data dazu. Was so eine Frau für Umstände macht ist doch entsezlich – – ’s ist kaum auszuhalten. Gut ists aber daß es mir frühzeitlich genug einfiel, das wäre eine rechte Dumheit gewesen wegen einer solchen Nebensache vielleicht aufgehalten worden zu sein. Nun in 3 Monaten kann man viele Taufscheine kriegen.
ade lieber Mukes, Gott behüte dich. der Klavierstimmer macht mir den Kopf ganz toll und alle Augenblikke komt Jemand gelaufen. Von Grünb:
Aufnahme in Berlin, habe ich noch keine Nachricht.
Lebe wohl, Gesund und lustig. sey brav und behalte lieb deinen dich
über alles liebenden treuen
Muks Carl.
Millionen Billionen Bußen.
Apparat
Zusammenfassung
scherzt über seine leidenschaftliche Liebe zu Agathe; berichtet über seine Arbeit am „Freischütz“, dessen Text durch die Überarbeitung sehr gewonnen habe; betr. Beschaffung seines Taufscheins aus Eutin; … (unvollständig, 1 Tag fehlt)
Incipit
„Ich muß heute mit einem schweren Bekenntniße zu Dir“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 98Quellenbeschreibung
- 2 Bl. (4 b. S. o. Adr.)
- auf Bl. 2v unter dem Brieftext Abrechnungen von Weber in Bleistift und von anderer Hand in Tinte
- Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber, auf Bl. 1r zusätzlich mit Bleistift die Randanmerkung „Freischütz“ (vermutlich von F. W. Jähns)
- von F. W. Jähns mit Tinte auf Bl. 2r oben: „(zu No 52 1817 gehörig)“, auf Bl. 2v unten: „(Gehört zu N° 52. Dresden. 28. Mai. 1817)“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Meinardus, Ludwig, „Karl Maria von Weber“, in: Daheim, Jg. 23, Nr. 12 (18. Dezember 1886), S. 187, mit Teil-Faksimile S. 186
-
Muks, S. 399–404 (unvollständig)
-
MMW II, S. 118–120
-
Laux, Karl: Carl Maria von Weber. Aufriß seines Lebens, Wesens und Schaffens. Berlin 1935, S. 7–8
-
Worbs 1982, S. 84–85
-
Carl Maria von Weber, … wenn ich keine Oper unter den Fäusten habe …, S. 131 (mit Teilfaks.)
-
L'Art musicale, Jg. 6, Nr. 4 (28. Dez. 1865), S. 27–28 (auf frz.)
Themenkommentare
Textkonstitution
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„gefall“überschrieben
-
„in“über der Zeile hinzugefügt