Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Donnerstag, 17. bis Freitag, 18. Juli 1817 (Nr. 68)

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Meine vielgeliebte Lina!

Da ich Morgen früh Lection*, rasiren und Probe habe, auch die Post schon um 12 Uhr abgeht, so möchte ich wohl schwerlich so viel Zeit gewinnen ein bischen mit dir zu plaudern, ich muß mir also die Freude heute noch machen, und du mußt aber nicht böse sein, wenn ich ein bischen müde, abgespannt und verdrießlich zu dir gekrabbelt komme.      hab den ganzen Tag wie ein MurmelThier gehott und geschrieben. an Brühl, an Vater, Mutter und Sohn Beers und noch viele andre. dabey ist es so häßlich kaltes Wetter, und das nimmt mein Hals so übel, daß ich wirklich ein bischen knurrig zu sein Ursache habe. ich spreche jezt noch weniger als sonst, und vom singen ist gar keine Rede. wenn ich componire, so nehme ich den Pianißimo Zug und lisple mir so alles wie im Traume vor. das ist nun freylich nicht sehr lustig, aber es geht nun einmal nicht anderst.      Ja wohl hast du Recht, Mukkin, baden soll ich, aber bei dem schlechten Wetter geht es nicht, sonst muß ich jezt alle Woche 3 bis 4 mal thun.      du wirst mich so schön ausgepuzt und abgewaschen bekommen, daß ich ordentlich ganz neu sein werde.

Ich muß dir nur sagen, Lina daß ich mich auch recht unbehaglich fühle in der neuen Ungewißheit meiner Lage, die zwar nichts ängstliches hat aber was unbequemes. Ich habe nun so lange Zeit darauf verwendet mir Dresden von allen Seiten so recht einzureden, daß es mir jezt wirklich sehr schwer wird einen andern Gedanken zu verfolgen oder nur einiger maßen lieb zu gewinnen. Jezt sah ich doch immer den 8br für den Ruhe und Friedenbringer in jeder Hinsicht an, der die friedliche schöne Häuslichkeit mir schenken sollte. wird es aber nun etwa mit Berl: richtig, so dauert das bis ins künftige Jahr hinein, ehe wir in Ordnung kommen, und das ist recht dumm.      Ich habe also heute an Brühl geschrieben und noch gar mancherley begehrt. QuartierGeld, ReiseGeld, Urlaub pp habe ihm auch gesagt daß ich vor der Rükkunft meines Cheffs nichts abschließen könnte.      Hier fängt die Sache auch an so nach und nach bekannt zu werden. ein Theil zittert, der andre freut sich, wie das immer so in der Welt geht.      Am neugierigsten bin ich was unser König dazu sagt. Bei der Gelegenheit wird sichs klar ergeben, was er von der deutschen Oper denkt, und ob ich ihm werth bin. Bin ich das nicht, so erleichtert mir das natürlich auch meinen TrennungsEntschluß. der gute Graf Vizthum und die arme Oper dauert mich am meisten. den[n] vor der Hand liegt dann alles auf der Nase. — Heute war der versoffene H: Reizenberger bei mir, und wollte hier engagirt sein, behauptet auch auf einmal Tenor zu singen. ich danke aber ergebenst für ihn, und Hellwig wird es auch so machen.

Nun lieber Muks, muß ich in Bett, ich bin zu müde, und du wirst schon nicht zanken.      Gute gute Nacht. Gott segne dich + + + sey brav und gesund.      Gute, gute Nacht von deinem Carl.

d: 18t      Guten Morgen, mein geliebtes Leben. Habe gut geschlafen, wie ein Raz, und Hals ist auch nicht sehr arg. hab schon meine Lection, Pillen, und Thee im Leibe, und bin so schön glatt rasirt daß dir ein Bußel gewiß gut schmetten würde; aber du | bist ein garstiger Pumpernikkel und giebst mir keines, ich mag dich auch noch so schön darum bitten.      haben Geduld, heißt das noch 2 ½ Monatlange Wort, was doch endlich an seiner Jahreslänge verlohren hat, und mit jedem Tage verliehrt.      Von Vater und Bruder habe ich bis jezt keine Antwort. Wenn die so lange mit der Antwort zögern, als wir uns lieb hatten ehe ich um die Erlaubniß bat, so komt sie ziemlich lange nach der Hochzeit.      ist nun bald nicht mehr zu spaßen. muß schon darauf denken mich hier aufbieten zu laßen damit ich das Zeugniß darüber nebst Taufschein nach Prag schikken kann, wo es auch glaube 3 Sonntage hintereinander geschehen muß.

Mit dem Muster von dir bin ich in allen Läden herumgelaufen. das ist kein Perkal sondern heißt ganz anders was ich aber vergeßen habe, es ist halb leinen halb baumwollen. und wird die sächsische Elle auf 16—17 Groschen komen auch ist es gar nicht breit dabei. ich dächte also ihr ließt das sein.      Bey Odonells bin ich seitdem* nicht mehr gewesen. ich habe auch gar keine Zeit zu Visiten, und nebenbey auch keine Lust, bin am liebsten allein in meinen 4 Pfählen, wo denn doch etwas geschieht, und sei es auch nur daß ich etwas läse.

Also ein schwarzes und ein buntes Kleid soll noch auf die Reise gekauft werden? nun nur nicht zu viel mitschleppen H: v. Muks. und wie wird es mit den Schachteln aussehen? wegen Hüten?????? Liebste Seele, da wird zuerst der Tyrann hervorgukken.      Ich denke jezt schon dran was ich Drs: mitbringen soll. ich bin recht in Verlegenheit darum, du hast Gelegenheit leichter ihre Wünsche auszustudieren lege dich doch einmal auf die Lauer, was ihnen wohl Freude machen könnte, und mich nicht gar zu viel kostet, denn wahrlich es geht mir entsezlich knapp, denn ich bin wie ein öffentliches Leihhaus, beinah kein Fremder dem ich nicht etwas borgen muste. auf diese Weise habe ich gegen 50 rh: ausstehen, und wer weiß ob und wann ich sie wiedersehen werde. Freund Gned hat mir auch seit Berlin nicht mehr geschrieben*, ich weiß weder wo er ist noch wie es ihm geht. Nun, der Himmel schenke ihm alles Glük. Sogar H: Stümer muste ich noch 2 Fried dor geben, und habe noch nichts zurük*.

Sonst hatte ich doch immer ein Sümmchen über meine Gage liegen. jezt bin ich ganz kahl und fertig, und blos auf meine Gage reduzirt. ich lebe so eingeschränkt wie möglich, und do werde doch immer mit derselben fertig, weil so manche Ausgaben sind um die man Ehren halber nicht hinum kann, und die als verheyrathet entweder ganz wegfallen, oder doch dann der Haushaltung zu Nuzzen komen.      Wenn ich an die Abrechnung mit Kleinwächter denke wird mir ganz heiß zu Muthe. besonders da ich auch nicht weiß was Ihro Gnaden für ein Loß hinein gemacht haben. du sagst du habest schon wieder 200 ƒ verwechselt? doch so 200 papierne Gulden sind gar wenig. ich bin nur kurios ob sie dir das Benefiçe ganz laßen. Etwas sparen wir auf jeden Fall auf gewiße Art. das Reise Geld der Mutter, den[n] wahrscheinlich hätten wir ihr so viel mitgeben müßen auf jeden Fall, als wir jezt alle 3 zur Reise brauchen.

Und da habe ich mich schon wieder in die Geld Affairen vertieft, und muß jezt in die Probe eulen.

     Lebe wohl mein vielgeliebtes gutes Leben. hab dich gar, gar sehr lieb, äußerst sehr, über alles sehr. Millionen gute Bußen. Grüße an Alle. Gott segne dich + + + und bleib gesund an Leib und Seele
dein treuer Carl.

Apparat

Zusammenfassung

habe den ganzen Tag Korrespondenz erledigt (nennt einige Adressaten); klagt über Halsschmerzen; habe Brühl geschrieben, einige Forderungen erhoben und ihm mitgeteilt, dass er vor Vitzthums Rückkehr nichts entscheiden wolle; betr. Aussteuer; Geldgangelegenheiten

Incipit

da ich Morgen früh Lection rasiren und Probe habe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: New York (US), Pierpont Morgan Library (US-NYpm), Heinemann Music Collection
    Signatur: Heineman MS 239

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • verso am unteren Rand Echtheitsbestätigung: „Brief von Carl Maria von Weber an seine Braut | Caroline Brandt. vom 17 u. 18 Juli 1817. | Dresden 4 Aug 1867. | M. M. von Weber“; recto vermutlich von dessen Hand Rötelanstreichungen

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
      Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 109

      Quellenbeschreibung

      • Kopie von fremder Hand
    • Muks, S. 442–447

Textkonstitution

  • r„k“ überschrieben mit „r
  • n„d“ überschrieben mit „n
  • „do“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… Da ich Morgen früh Lection“Zu Webers Italienisch-Lektionen vgl. den Kommentar zum Brief vom 5./7. Februar 1817.
  • „… Bey Odonells bin ich seitdem“Seit 4. Juli 1817; vgl. Tagebuch.
  • „… seit Berlin nicht mehr geschrieben“Zu Gneds Schulden bei Webers vgl. die Tagebucheinträge vom 19. April, 1. und 3. Mai 1817.
  • „… und habe noch nichts zurük“Laut Tagebuch geliehen am 2. Juli 1817, Rückzahlung am 11. Juli 1818.

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