Caroline und Carl Maria von Weber an Friederike Koch in Berlin
Dresden, Mittwoch, 14. Oktober 1818
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Liebe gute Koch!
Ihr herzlieber Brief hat dem Muks und mir viele Freude gemacht, denn Ihr langes Stillschweigen lies uns fast befürchten, die Reise mögte Ihnen nicht gut bekomen sein[.] Drum war ich auch doppelt froh ein lebens, und gesundheits Zeichen von Ihnen zu erhalten. Ich kann es mir wohl denken liebe Freundin in welchen Trubel von Geschäften, und Besuche geben und empfangen Sie sich gleich stürtzen musten und habe Sie mit Weber schon recht bedauert. Jetzt geht aber wohl schon alles wieder den alten gang, und so hoffe ich nun auch dann und wann etwas von Ihnen zu hören. So, Sontags morgen ehe die Kleider weg gekramt werden giebts wohl so ein halb Stündchen daß mit den WebersLeuten verplaudert werden kann, nicht wahr? Sie glauben nicht liebe Koch, wie einsam und öde es uns die ersten Tage nach Ihrer Abreise war!‡* noch einige Morgen ging ich in ihr Zimmer, Sie zum Früstek zu rufen, und mein Alter lächelte dann recht wehmüthig. Jeden Tag sprechen wir von Ihnen, und wünschen Ihnen so viel heitern leichten Sinn als man wohl bedarf die Freuden des Lebens zu geniesen, und seine trüben Stunden nicht zu Tagen und Jahren auszudehnen. Ich hoffe aber Ihre wiederkehrende Gesundheit wird unseres Wunsches Erfüllung im Geleite führen.
Doch nun soll ich auch wohl ein bischen erzählen, wie die köstlichen Tage mit all ihrer Pracht erschienen – und vorüber gingen?* ich könnte Sie da freylich an ein Blatt der Abendzeitung verweisen wo all die Schönensachen beschrieben stehen; aber da würden Sie mich faul schelten, und den Vorwurf will ich mir doch nicht machen laßen. also – umgewant – |
den 15t eröffente Herr Linke auf dem Bade das Fest durch ein recht schönes Feuerwerk wo sich besonderst ein, in blau brennender Tempel schön ausnahm der die Elbe hinunter schwam. den 17t‡ war in der erleuchteten Frauenkirche des Herrn Kantor Ubers Kantate – die aber gar nicht schön war, so wenig wie der Text, von Kuhn. Aber der Sontag war der eigendliche Festag. Da brumte schon um 6 Uhr unsere grose Gloke und der ganze Magistrat zog über den Markt in die Kreuzkirche. Das wimmeln und treiben auf unsern Markt hätten Sie sehen sollen, da war alles voll, Kopf an Kopf. Später war dan in der katolischen Kirche Te Deum* pp und großes Amt unter immerwährenden Kanonen Salwen und geläut der Gloken, was, wie Sie denken können einen ergreifenden Eindruk machte. Um 4 Uhr ging man schon in das grose Conzert ins OpernHausT, wo alles aufs prächtigste geschmükt war. Schon den Saal zu sehen mit seinen 6000 Lichtern ist ein imposanter Anblik, und nun vollens gefüllt mit Köpfen voll Brillianten, und den ganzen Hof in grösten Glanz – ich wollte nur, Sie hätten das sehen können. Das Conzert an sich, war ganz unbedeutend und Webers Ouvertüre das E‡inzige was Efekt machte, dann sang Mell Funk eine gar nicht hieher paßende Arie, dann ein Duett, mit Sasarollin recht falsch. Dan spielte Poledro ein rusisches Conzert, dan Herr Rode ein Rondo auf der Klarinette, und den Beschluß machte ein elendes Terzett‡, von der Funk, Sasarolli, und Tibaldi gesungen. Aus dem Conzert ging man nun die Illuminationen besehen wo besonderst auf unsern Markt eine hohe ThriumpfSeule recht schön war. Auch der Hoff fuhr, unter lauten Vivat geschrey durch die Stadt, und gegen 11 Uhr kam noch ein groser Zuch mit Fakeln der dem König ein Vivat am Schloße brachte. So endete dieser, gewiß für alle Sachsen recht frohe Tag, und (was würklich ein groser Beweiß der Sittlichkeit hier ist) und endete ohne die geringste Unortnung oder pöbelhafte Ausgelaßenheit erzeucht zu haben: es war eine reine Herzens Fröhlichkeit die alle belebte. Den Montag war wieder* im Theater das kleine Festspiel, vom Dr: Rumlak welches mit lauten Beyfall aufgenomen wurde; doch nun kome ich zur Nachfeyer, und da hieß es: Ende gut, alles gut!T Sie können nicht glauben was schon nach den Proben von Webers Cantate für ein Redens und Rühmens davon war, und wie sich alles darauf freute. Die Kirche war ganz voll, und schon die Ouvertür machte eine außerortendliche Würkung. Nun kam Herrn Morlachis Arbeit, die etwas langweilig war, und auch nicht gut ging, dann einige Chöre von Händel, und zum Schluß Webers Kantate. Sie hätten sehen und hören sollen mit welcher Lust und Liebe die von Seiten des Orchesters und der Sänger vorgetragen wurde!‡ wie alles gleich von einen andern Geist beseelt schien. Der gute Küsting der der Aufführung beywohnte, kann Ihnen erzählen, wie diese Arbeit die ich selbst für eine der gelungensten halte, aufgenomen wurde. Allgemein wurde sie noch einmal begehrt, und die Aufführung war auch schon auf den 25ten festgesetzt, aber Herr Morlachi fand es für gut sie zu hintertreiben indem er es veranstaltete das einige seiner Sänger krank wurden. Seit dieser Zeit ist bey ihm wieder Feuer in allen Eken, und er spaart Ränke und Kniffe nicht meinen Muks das Leben sauer zu machen, aber er hat auch zugleich, durch sein niedriges Betragen, bey dieser Gelegenheit, sich so viele Feinde gemacht, daß man öffendlich, sagte: man sollte die Italiäner auspfeifen, und Herrn M: düchtig durchprügeln. den 19t Oc: wird nun Webers Cantate in Leipzig in der Kirche zum besten der Armen aufgeführt*, und ich bedaure nur das wir nicht hin können es mit anzuhören. Ein Gedicht auf Webers Arbeit, können Sie in der AbendZeitung No: 231 lesen. So! nun habe ich all unsere Herlichkeiten erzählt, und nun an die eigendliche Beantwortung Ihres Lieben briefs; also: Das bewuste Länge- und Dike-Maas wird bald verschikbar sein, und mein Appetit nimt täglich zu*. Auch mit dem Schlaf geht es noch so ziemlich. Mit der Christel bin ich noch sehr zufriedenT, denn sie folgt nicht den Beyspiel der Frau in Betreff des länge- und- Dike-Maases; das ist ein groser Trost für mich. Meine Einkäufe sind gut von Statten gegangen, und ich habe dabey unentlich oft an Sie gedacht. denn die Leinwandt wie Sie sie zu Tüchern haben, hätten Sie für 3 bis 6 Groschen bekomen. Ich habe für 5 gr: recht sehr hübschen Katun gekauft, der sich gut wäscht[.]
Nach Ihren Strümpfen habe ich fragen laßen weil wie mir die Segnitz hat sagen laßen eine Gelegenheit wäre s‡ie Ihnen zu schiken, aber die Hannmann lies mir sagen: erst in ein paar Tagen würden sie fertig, doch hoffe ich sie Ihnen noch mit Mell Markuse schiken zu können wenn sie erst Dinstag abreist*. Wegen der Preiselbeeren kann ich Ihnen noch nichts bestimtes schreiben weil Wiesner erst den Mann abwarten muß, der sie für ihn besorgt, doch hoffe ich auch daß wird sich machen laßen.
Der armen Hellwig geht es sehr schlecht, und Sie können immer ihre Verwanten auf eine nahe TodesPost vorbereiten, denn seit 3 Tagen erwartet man stündlich ihre Auflösung. Was die arme Frau für Schmerzen leidet, und wie jeder Augenblik eine neue Qual für sie bringt, davon kann man sich keine Idee machen – Er ist außer sich, und ebenfals ganz unkentlich vor Gram und Sorge – der arme Mann! Er leidet unentlich.
Nun meine beste Koch, habe ich aber auch genug geplaudert und Sie werden sagen: nun gott Lob! gehts einmal zu Ende! Ja sehen Sie: wenn ich einmal anfange da ist es mir eine rechte Freude mich ausschwazen zu können, und ich rechne dabey freylich auf Ihre Güte und Gedult. Auch habe ich die Spekkulation dabey daß Sie auf ein[en] so langen Brief auch werden viel antworten müßen, und das ich mir also doppelte Freude damit mache.
Doch nun Punktum. nun nur noch 1000 herzliche Grüße an alle Bekante und Ihnen 1000 Küße von Ihrer Lina.
Meine liebe gute Koch!
Sie werden nun schon öfter mit den Berichten meines dikken Sekretärs vorlieb nehmen müßen, der den[n] doch eher Zeit als ich findet, mit unsern Freunden zu plaudern und ihnen zuweilen einen kleinen Ueberblik unsers Lebens, Leidens, und Freuens zu gewähren. Ich habe seit meinen lezten Arbeiten, wegen manichfachen kleinen Verstimmungen nicht wieder zum arbeiten kommen können, deshalb habe ich H: Schleßinger noch nicht gewantwortet dem ich nun ganz bestimmt zugleich wenigstens Etwas mitsenden will, ich bitte ihm dieses mit meinen freundlichsten Grüßen zu sagen, auch daß es mich freue daß Er die Kantate übernehme, weßhalb ich ihm auch noch zugleicher Zeit andere bedeutende Vorschläge machen werde.
Strümpfe folgen hier 3 Paar, die übrigen mit nächster Gelegenheit, für beikomenden Schmalz und auch noch nöthige Baumwolle habe ich 13 gr: 6 pf: ausgelegt*, die ich mir Gelegentlich per Wechsel auf irgend ein großes Handelshaus erbitte.
An Lichtensteins, Wollanks p p p p p p alles Erdenkliche, besonders auch ins Beersche Haus. Wir gedenken Ihrer sehr oft, thun Sie daßelbe und behalten Sie lieb Ihre wahren Freunde Webers d: 14t 8b 1818.
Apparat
Verfasst von
Zusammenfassung
Freude über Lebenszeichen u. fröhliche Erinnerung an gemeinsame Dresdner Tage; ausführl. Bericht über Festlichkeiten zum 50. Regierungsantritt Friedrich August I. mit der Aufführung von Webers Ouvertüre und Kantate; Morlacchis Intriguen; geplante Aufführung der Kantate in Leipzig; Privates aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis
Incipit
„Ihr herzlieber Brief hat dem Muks und mir“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A e, 23Quellenbeschreibung
- 3 Bl. (6 b. S. o. Adr.)
- S. 1–5 Caroline, S.6 Nachschrift v. C. M. v. Weber
- An den oberen Rändern Bleistiftpaginierung von Jähns: pag. 1–5; Zusatz am rechten oberen Rand Bl. 1r von Jähns (Blei): „Brief von Webers Gattin Lina an Fr. Koch, auf Bl. 3r oben: Schluß des Briefes von Weber’s Gattin Lina gehörig zu II.e.23.; am unteren Rand Bl. 3v: Zuschrift zu einem Briefe der Gattin Lina, dessen Schluß auf der Rückseite pag. 5. pag. 1–4 liegen bei.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Virneisel/Hausswald, S. 87–88 (Nr. 20) (unter 4. Okt., nur Webers Nachschrift)
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„… Tage nach Ihrer Abreise war!“Ausrufungszeichen mit Komma anstelle des Punktes
-
„E“„e“ überschrieben mit „E“
-
„… und der Sänger vorgetragen wurde!“Ausrufungszeichen mit Komma anstelle des Punktes
-
„s“„S“ überschrieben mit „s“
Einzelstellenerläuterung
-
„… erschienen – und vorüber gingen?“Regierungsjubiläum von König Friedrich August I.
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„17t“recte „19“.
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„Terzett“recte „Quartett“.
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„… zum besten der Armen aufgeführt“Zur Aufführung in der Leipziger Universitätskirche vgl. die Presseberichte.
-
„… mein Appetit nimt täglich zu“Caroline von Weber war schwanger; am 22. Dezember 1818 brachte sie Auguste von Weber zur Welt.
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„… wenn sie erst Dinstag abreist“Vgl. den Tagebucheintrag vom 14. Oktober 1818.
-
„… 13 gr: 6 pf: ausgelegt“Vgl. die Tagebuchnotiz vom 14. Oktober 1818.