Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hamburg
Fleckeby, Eckernförde, Kiel, Sonntag, 17. bis Montag, 18. September 1820 (Nr. 6)
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Der gute Staatsrath Scheffer* hat mich bis jezt aufgehalten, dann selbst hieher begleitet, und somit habe [ich]‡ viel Freundlichkeit, sonst aber nichts erhalten. ich sprach gegen [ihn?] frey von der Leber, es scheint aber als sei nichts vorräthig. – – jezt habe ich erst die andern Briefe ordentlich gelesen. Vielerley Neues nichts erfreuliches. ich bin froh daß ich nicht in Dresden bin, und wollte ich könnte noch länger wegbleiben, damit der neue Gebieter erst sich ein bischen eingerichtet hat*. Mir scheint ich werde ihn wohl von Weimar aus kennen wenn ich [ihn] sehe. recht im Herzen wehe thut mir die Trennung von unserem braven Vizthum. Jezt darf mir in Dresden nicht viel [in] die Quere komen. ich werde in den ersten freyen Augenblikken an Vizth: schreiben, und ihm hoffentlich später beweisen daß ich wahre Freundschaft für ihn hatte*. Morgen geht es mit dem frühsten nach Kiel, damit ich diesen Brief dort auf die Post bringe. Wenn ich es so einrichten könnte daß meine Mukkin täglich meine besten Grüße erhielte, wie froh würde mich das machen. Aber freilich kann ich der Posten Abgang nicht nach meinen Wünschen einrichten. Nun zu deinem lieben Briefe.
Du hast fast alle mein Thun in deinem Brief errathen, wie du nun auch aus meinem ersehen hast. Du kannst wohl nie fehl rathen wenn du glaubst daß ich immer an dich denke. der verdammte Kutscher hat also doch denselben Abend nicht mehr den Brief zu dir gebracht, und ich hatte es ihm so scharf auf die Seele gebunden. Ja mit dem Weg nach Lübek ist es nichts‡. das ist der tollste von allen. Geduld!!! mein treues Herz. laß uns brav aushalten. Auch wegen Dresden sei ohne Sorgen, ich laße mir nichts thun, und werde brav arbeiten, für das übrige wird der sorgen, der so lange für uns gesorgt hat, und dem wir so viel verdanken, der da oben!
Ich verbitte mir dein dummes Geträume, schlaf doch still! du wilder Oz. und H: Ali* werde ich karbatschen wenn er so unruhig ist. Kriegt er wirklich die Seuche? Ist die Spanierin hübsch? Puntum ich gehe nach Cadix. Es freut mich sehr daß es dir bei Silem und Reichardt behagt. Mit dem Zahnweh verbitt ich mir das Abnehmen, und habe es deßhalb sogleich wieder zu mir genommen. Nun will ich aber in Bett gehn, denn ich bin sehr müde. habe gar zu viel sprechen müßen. Gottes voller Seegen auf Mutter und Kind*. + + + gute Nacht. 10000000000000 Bußen.
Schönen guten Morgen Frau Mukkin! wie haben Sie geschlafen? hoffentlich beßer als ich. der böse Zahn pochte gewaltig, und auf der andern Seite wo ich jezt manchmal zu kauen versuchte, nimmt es auch ein alter Stummel übel. Nun kann ich nicht mehr beißen – – Uebrigens befinde ich mich aber wirklich recht wohl, und besonders der Husten ist unbedeutend , die Gegenden hier herum sind mitunter herrlich. von Kiel bin ich eine halbe Meile immer in der Ostsee gefahren, weil der Postillion | nicht am Ufer in den tiefen Sande und Seegraß fahren wollte. ein kristallhelles Waßer. In Louisenlund habe ich auch sehr merkwürdige Grabsteine gesehen mit alter Runenschrift, die auf Helden Gräbern lagen*. einen habe ich abgezeichnet der aufrecht stand. Es ist ein eigen Gefühl so aus der ganz alten Fabelhaften Heldenzeit der Deutschen Ueberreste zu sehen.
Willkommen in Kiel! Nachmittags 3 Uhr: wo ich deinen lieben Brief No: 3 erhalte. du hattest dich aber dießmal verrechnet denn ich erhielt die Schleßwiger 1–2 eher als diesen. Weil der Mensch aber bekanntlich immer ungenügsam ist, so schikke ich eben noch auf die Post, ob vielleicht noch ein Post restanter da wäre. Heute ist deine alte Männe recht naß geworden. die ganze lezte Station von beinah 4 Meilen im Regen gefahren. Alles durch und durch, durch den Mantel, Rott pp. Apels haben mich sehr freundlich aufgenommen, und dein Brief, eine warme Biersuppe und gutes Gemüse und Fleisch, haben mich wieder ganz ins Geleise gebracht. Uebermorgen ist nun hier mein Concert. 100 Billette sind schon weg. Du glaubst dabei käme nichts heraus? Nun, wenn es auch nicht viel ist, ist doch immer etwas über alle Unkosten. und wenn Kopenhagen und Hamburg sich ordentlich aufführen, so bringen wir wohl was nach Hause. Gott lob daß du ordentlich ißt und trinkst. wenns nur wahr ist. Gehe doch ja mit der Reichard aufs Land, das wird herrlich für dich sein. du kannst dir ja die Briefe gleich durch einen Boten hinausbringen laßen. thue es doch ja. das dume Wißi. wie ist es denn mit dem? Ja ja, du bist doch nicht so artig als du mir weis machst, sonst wären deine Nerven beßer in Ordnung. In Koppenhagen werde ich mir doch einen Schirm kaufen müßen, da ich zurück wohl auf jeden Fall die Landreise machen werde, und es auf dem offenen Wagen doch etwas Schuz vor dem Regen braucht.
Die Nachricht wegen Vizth: will mir noch gar nicht aus dem Kopfe. freue mich aber dabei immer daß ich nicht in Dresden bin. in der Zeitung habe ich gelesen daß Pastor Hoffmeister den GülphenOrden erhalten hat*. gelt das freut dich auch. das ist ein würdiger Ordensträger. Nun werde ich wohl ein bißel schlafen. bin müde. hast du auch so schändliches Wetter?
auf der Pozt ist kein Brief. also fort mit diesem Er bringt wie immer Millionen Wünsche für dein Wohl. gute Bußen [Kußsymbol] herzliche Grüße an Fritz und Rombergs und alle Freunde. und + + + für Mutter und Eß* Ewig dein Carl.
Apparat
Zusammenfassung
Briefe aus Dresden berichten nichts Erfreuliches nach dem Wechsel in der Hoftheater-Intendanz; Berichte von Reise von Louisenlund über Eckernförde nach Kiel, wo er beim Ehepaar Apel wohnt
Incipit
„Der gute Staatsrath Scheffer hat mich“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Themenkommentare
Textkonstitution
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„… begleitet, und somit habe ich“über 3 Zeilen Textverlust durch Siegelverklebung
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„… nach Lübek ist es nichts“dreifach unterstrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… sich ein bischen eingerichtet hat“Nach dem Rücktritt des Grafen Vitzthum wurde Könneritz die Aufsicht über die Hofkapelle und das Hoftheater in Dresden übertragen. Er trat sein Amt am 28. September 1820 an.
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„… wahre Freundschaft für ihn hatte“Ein Brief an den Grafen Vitzthum von der Reise aus ist im Tagebuch nicht notiert, vielmehr ein persönliches Treffen am 4. November 1820. Zum Grund, nicht zu schreiben, vgl. Webers Brief an seine Frau vom 21./22. September 1820.
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„… die auf Helden Gräbern lagen“Es handelte sich um den sogenannten Erik- und den großen Sigtrygg-Stein, die sich seit 1985 im Wikinger Museum Haithabu befinden; vgl. Weber-Studien, Bd. 8, S. 315.
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„… Hoffmeister den GülphenOrden erhalten hat“Der Guelphen-Orden war eine Auszeichnung des Königreichs Hannover und wurde am 12. August 1815 von dem Prinzregenten und späteren König Georg IV. gestiftet. Der Orden wurde sowohl im Königreich Großbritannien als auch im Königreich Hannover verliehen. Hoffmeister erhielt den Orden im August 1820 als Anerkennung seiner Verdienste als Lehrer der Prinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel Karl (1804–1873) und Wilhelm (1806–1884), die nach dem Tod ihres Vaters unter Vormundschaft des englischen (und hannoveraner) Prinzregenten Georg standen; vgl. u. a. Allgemeine Kirchen Zeitung, 1832, Nr. 133 (23. August), Sp. 1082.
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„… + für Mutter und Eß“Hier ist wieder das ungeborene Kind gemeint.