Carl Maria von Weber an Louise Reichardt in Hamburg
Dresden, Montag, 23. Dezember 1822
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Wie gut sind Sie, meine verehrte Freundin, daß Sie diesen kleinen Beweiß meiner herzlichen Achtung* so hoch aufnehmen wollen. Ja, könnte ich dabei der Welt erzählen mit welcher reinen Achtung und Dankbarkeit mein Inneres erfüllt war als ich Ihnen das unbedeutende Sträußchen wand, deßen einzelne Blümchen Sie schon liebgewonen zu haben schienen, — und daß sie daher dieses Titelblatt ja nicht mit denen tausend und abermal tausend seiner Gesellen die sich aus Hunger oder Convenienz beugen, ja nicht‡ verwechseln möge; dann könnte ihm vielleicht der Werth nicht ganz abzusprechen sein den auch die kleinste Gabe durch die treue Meynung des Gebers erhält. Und nun laßen Sie mich Ihnen danken, daß Sie so mich erfreuten, und mit dem Herzen nahmen was von Herzen kam.
Damit aber auch keinem Licht der Schatten fehle, so muß ich Ihnen nur sagen, daß ich doch recht böse wurde als ich Ihren Brief gelesen hatte, — aber, auf wen? auf meinen heillosen Verleger. ist es nicht über alle Begriffe toll, Werke in die Welt hinaus zu schikken die ich noch gar nicht gesehen habe? und mir so die Freude zu rauben, sie Ihnen selbst darreichen zu dürfen. Ja; wären‡ Sie weniger milde und gut, könnten Sie es mir nicht mit Recht als eine Ungezogenheit anrechnen, daß das Gesindel in der Welt herum läuft und Ihre Farbe trägt, ohne gehörig vom Aussender gemeldet zu‡ worden zu sein?* Ich hoffe im Ernste darauf, theuerste Freundin, daß Sie mir so etwas nicht zutrauen. |
Wie gerne möchten wir Sie einmal wieder in Ihrer Zelle aufsuchen. aber — dazu ist wohl nicht so leicht Hoffnung. Die Welt macht ihre Günstlinge eben so zu Sklaven, wie andre Tyrannen; nur mit dem Unterschiede daß man deßhalb doch nicht vor ihr zu kriechen braucht. Eine Feßel anderer, lieblicher Art, ist mein kleiner Max, den 25t Aprill mir von meiner Frau geschenkt. heiter und gesund. Der Mutter und mein Glük. Mit unauslöschlichem Danke gedenkt meine Lina der Stunden, die Ihre Güte und Theilnahme ihr verschönten, und wie Sie Sich opferten, Trost und Heiterkeit in meiner Lina Einsamkeit zu bringen. So etwas kann man eben so wenig vergeßen als würdig verdanken. Gott lohne es Ihnen tausendfältig; Er, der allein lohnen kann. —
Die freundlichen Grüße Ihrer verehrungswürdigen Hausfrau erwidern wir bestens*. Möge doch endlich dauernde Gesundheit in Ihrem Hause wohnen. Dieß und die Fortdauer Ihrer Freundschaft wünscht aus Grund des Herzens Ihr, innig ergebener Freund
CMvWeber
Dresden d: 23t Xb 1822.
Apparat
Zusammenfassung
dankt für die Pflege seiner Frau im Herbst 1820 in Hamburg; kommentiert das Titelblatt der L. Reichardt gewidmeten Volkslieder op. 64, deren Druck er selbst noch nicht in Händen habe, Klage über den „heillosen Verleger“ (die Lieder waren bei A. M. Schlesinger erschienen, vgl. dazu auch den Brief an diesen vom 16. Dezember 1822); Anzeige der Geburt des Sohnes Max
Incipit
„Wie gut sind Sie, meine verehrte Freundin, daß Sie“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: 55 Ep 1955Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
Provenienz
- 2020 Ankauf durch die Staatsbibliothek zu Berlin
- Stargardt Kat. 708 (10./11. März 2020, Nr. 785 (mit Teilfaks. auf S. 373: Bl. 1r)
- Stargardt Kat. 626 (1982), Nr. 765
- Henrici Kat. 70 (9./10. Mai 1921), Nr. 125
- Gilhofer & Ranschburg, Kat. 272 o.J., Nr. 211 (dort fälschlich unter 23. November 1822)
Textkonstitution
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„… Im Sillm schen Hause“ursprünglich Silemschen, von Weber falsch in Sillmschen anstatt Sillemschen korrigiert
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„ja nicht“durchgestrichen
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„wären“„würde“ überschrieben mit „wären“
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„zu“durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… kleinen Beweiß meiner herzlichen Achtung“Widmung der Volkslieder op. 64, erschienen bei Schlesinger in Berlin.
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„… verehrungswürdigen Hausfrau erwidern wir bestens“Im Haus der Marie Luise Sillem, Valentinskamp 160, wohnte und arbeitete Louise Reichardt.