Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Prag, Donnerstag, 18. September 1823 (Nr. 2)

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Guten Morgen mein vielgeliebtes Leben. Gestern Abend um 7 Uhr sind wir glüklich hier angekommen und haben das herrlichste Wetter gehabt, auch sonst nicht den geringsten Unfall. Das alte WagerlT hält sich vortrefflich, und in Schlan haben wir auch sogar vortrefflich gegeßen. was willst du mehr? Wir gingen sogleich in Don Juan, wo mir alles fremd war, bis auf den alten Kainz*.      Stimmen wie Zwirnsfäden, und ein Spiel das Gott erbarm*.      Auch war es leer, doch mein[te] Stiepanek daß dieß an andern Tagen noch mehr der Fall wäre. nach dem 1t Akt gieng ich aufs Theater, sprach Holbein und einige andere und gieng zu Junghs. Die waren auf einem Garten bei Frey* und kamen erst nach 10 Uhr nach Hause. Da konnte ich nicht lange mehr bleiben, denn ich war müde. Ihre Freude war groß, aber auch ihr Leid, denn Sie hatten alle darauf gerechnet daß Du mit kommen würdest. Die Kinder sind enorm gewachsen, und eben nicht hübsch geworden; Eduard schreklich dik u: s: w:      Sie haben diesen Sommer viel ausgestanden und alle 6 nacheinander die Masern, gehabt.      Dem Dr. geht es beßer mit seinem Hals. Die Alte ist ganz munter, und Fanny dik und fett. Die Schopf geht mit ihrer Tochter nach Braunschweig auf 3 Gastrollen, dann soll sie in Wien engagiert werden.

Es gefällt mir gar nicht hier, nehmlich ich bin gar nicht so vergnügt wie ich es der alten Liebe gemäß sein sollte mit der alle Bekannten mir entgegen kommen. Morgen geht es weiter.      Könnte ich nur einen Augenblik sehen wie es Euch geht. Ach, es dauert noch so lange bis ich Nachricht habe.      Meine gute Mäze hat meine Nase schön gezeichnet mit zwei tüchtigen Rißen, die unter einigen Wochen noch nicht vergehen werden.      Ach ich wollte mir gerne das ganze Gesicht zerfleischen laßen, wenn ich ihn auf dem Schooß haben könnte.      Es geht nun von hier auch eine Eil Post nach Wien, wo man in 36 Stunden hinfährt, und nur 17 ƒ. C: M a Person kostet. hätte ich das früher gewußt ich hätte meine ganze Reise anderst eingetheilt, so aber muß es schon dabey bleiben.      Benedikt nimmt sich recht gut, und sorgfältig, daß er troz dem gewaltig | linkisch sich nimmt, davor kann er nichts.      Jetzt muß ich puzze, puzze machen, dann gehts an’s Visiten laufen, was Gott lob nicht arg werden wird, denn es sind Viele nicht hier.

Gott segne Euch, hier habt Ihr mein bestes Morgenbußerl, theilt Euch drein. [Kußsymbol]

Nachmittags.

Nun geschwind das Briefel auf die Post. Habe Mittags bei Junghs gegeßen, wo deine und Max Gesundheit getrunken wurde. Holbein nahm sich sehr gut gegen mich, und hat mir für die Euryanthe 10 # mehr aufgedrungen, als ich verlangte.      ist das nicht sehr honett? Pachta, Kleinwächter pp grüßen herzlichst.      Montags war die 45. Vorstellung vom Freyschüz. nur noch 4, dann soll er ganz neu dekorirt und costumirt werden zur 50t, die ich durchaus auf meiner Rükreise dirigiren soll*.

Diese Zeilen erhältst du übermorgen schon, zu meinem Troste.      da ich sehr wohl bin, so habe ich es vergeßen Dir zu schreiben. ich habe nicht einmal einen Schnupfen bekommen, wie doch sonst bei jeder Reise. ich lebe aber auch so diät, wie ein Carthäuser, eße den Tag nur einmal.      und gehe ganz langsam auf den Straßen um mich nicht zu hezzen.      Kleinwächter war so eben von Jablona hereingekommen als ich zum ihm kam.      Nun adjes für heute.      Gott segne Euch. Morgens und abends gebe ich Euch gute + + +, Morgen Nacht bin ich in Deutschbrod, Sonnabend in Znaim, und Sonntag mit Gottes Hülfe in Wien.      Haitzinger hat hier sehr gefallen. soll gut aussehen, viel Feuer, guten Willen und kräftige Stimme haben. Guter Trost für Adolar*.

Mein nächstes komt nun von Wien.      Gott mit Euch, Ihr innigst Geliebten, meine einzige Freude auf Erden. Ewig Dein treuer Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über Ankunft in Prag, dortiges Theater und Bekannte; Nachmittags: Holbein habe ihm für Euryanthe mehr geboten als verlangt; erwähnt 45. Vorstellung des Freischütz, er solle auf der Rückreise die 50. dirigieren; hofft in 3 Tagen in Wien zu sein

Incipit

Guten Morgen mein vielgeliebtes Leben. Gestern

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 161

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.), urspr. 1 DBl.
    • Bl. 2 bis auf 2,5 cm Rand mit Siegelloch abgeschnitten

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 9–11

Themenkommentare

    Einzelstellenerläuterung

    • „… bis auf den alten Kainz“J. W. Kainz hatte bereits unter Weber in Prag die Titelpartie gesungen.
    • „… ein Spiel das Gott erbarm“Die genaue Besetzung ist unklar. In der Wiener Theaterzeitung sind für den September in Prag nur zwei Interpreten erwähnt: E. Young in der Titelpartie und J. Eichberger als Ottavio; vgl. Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens, Jg. 16, Nr. 127 (23. Oktober 1823), S. 506. Zur Benefizvorstellung des Don Giovanni für J. W. Kainz gegen Ende des Jahres werden als Sänger aus dem Prager Ensemble neben Kainz (Titelpartie) noch M. Ernst (Donna Anna), F. Franchetti (Donna Elvira), K. Comet (Zerline) und S. Binder (Don Ottavio) genannt; vgl. Der Sammler, Jg. 16, Nr. 23 (21. Februar 1824), S. 92. Im Oktober wird im Sammler bemängelt, das Prager Sängerpersonal bestünde überwiegend „aus Anfangenden und Aufhörenden“, lediglich S. Binder, M. Ernst und J. W. Kainz zeichneten sich aus; vgl. Der Sammler, Jg. 15, Nr. 142 (27. November 1823), S. 567.
    • „… auf einem Garten bei Frey“Vermutlich der Apotheker Vinzenz Valentin Frey, in dessen Haus Zum weißen Einhorn am Altstädter Ring (Nr. 551) das Ehepaar Jungh wohnte.
    • „… auf meiner Rükreise dirigiren soll“Eine identische (möglicherweise auf Informationen Webers zurückgehende) Meldung findet sich in der Wiener Theaterzeitung vom 30. Oktober 1823. Weber dirigierte die 50. Vorstellung des Freischütz in Prag am 8. November 1823, zu der eigens neue „Costume, Dekorationen und Maschinerien“ gefertigt worden waren; vgl. die Wiener Theaterzeitung vom 16. Dezember 1823 sowie das Tagebuch.
    • „… haben. Guter Trost für Adolar“Haizinger, der in Wien als Adolar in der Euryanthe vorgesehen war, hatte am Prager Ständetheater zwischen dem 25. Juni und dem 4. Juli 1823 vier Gastauftritte als Gianetto (Die diebische Elster), Wladislaw (Libussa), Torwaldo (Torwaldo und Dorliska) sowie Tamino; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen, Jg. 8, Nr. 7 (Juli 1823), S. 191 und Nr. 8 (August 1823), S. 235.

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