Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Montag, 7. Juni 1824

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S. Wohlgebohren

Herrn Profeßor, Dr: Lichtenstein

Director des zoologischen Museums

pp

Berlin

Geliebter Bruder!

Deinen lieben Brief vom 31t May habe ich d: 3t Juny durch Würfel und den vom 3t den 5t erhalten.      Gottlob daß du wieder mit mir einverstanden bist, und meine Handlungsweise billigst. damit ist mir ein großer Stein vom Herzen.      Was du mir von Aufsäzzen im Morgenblatte und Abendz: sprachst, verstand ich nicht eher als Gestern, wo ich ersteres erhielt*. /: in der Abendzeitung steht nichts :/ da ist nun freilich manches darinn, das mir sehr unangenehm ist, da Sp: mir den Vorwurf daraus ableiten kann, als habe ich seine, nur mir gemachten Mittheilungen unter die Leute gebracht.      vor der Hand ingnorire ich alles und will abwarten was deshalb an mich komt.      daß die Angaben im Morgenblatte übrigens nicht ganz richtig sind, ist gut, und beweißt daß es vom Hörensagen herkomme.      ich halte es daher auch für am besten gar nichts zu thun, auch nicht zu erklären daß ich davon nichts wiße. pp qui s’excuse! s’accuse!

Mit diesem, geht ein Brief an Graf Brühl ab, wo ich darauf hin daß ich auf meinen Brief vom 12t Aprill noch keine Antwort habe, mich Entschuldige, wenn ich nun nach bloßen Gerüchten zu Fragen veranlaßt wäre pp ganz nach Inhalt und Sinn deines Briefes, ohne mich auf Nebendinge, oder meine Corresp: mit Sp: einzulaßen, blos Geschäftsmäßig. dabei bitte ich um baldige Antwort, da ich d: 27t nach Quedlinburg zur Direktion von Klopstoks SäkularfeyerT, und von da ins Marienbad gienge.

Wegen der Londoner KapellMsterschaft, ist nichts offizielles an mich gelangt*. wenns komt, wollen wirs uns überlegen, und ich nehme im Voraus deinen erfahrenen Rath mit Dank an*. Auf jeden Fall sieht man doch, daß die öffentliche Meynung überall sich zu meinen Gunsten zeigt, und sich mit mir beschäftiget.

Ueber meinen Gemüthszustand bei alle diesem, kann ich dich vollkommen beruhigen. da wir wieder eine Ansicht haben, ist mir die Geschichte eine bloße Komödie, deren Wirkung nicht tief geht.      (Gestern gaben wir im großen | Opernhause, mit der ganzen Kapelle, die Jahreszeiten von Haydn für die abgebrante Stadt SchwarzenbergT. welch herrliches Werk. welche Frische, jugendliche Glut, tiefes Studium, und erhabene Meisterschaft. wie nichtig zwerghaft purzeln dagegen alle neuen Erzeugniße in der Welt herum. — — Es gieng vortrefflich ich kann wohl sagen vollendet, und ich hatte das herrliche Gefühl, mich mit meiner Kapelle so vollkommen aussprechen zu können, als wenn ich allein am Klavier säße, und so spielen könnte wie ich eben wollte.      daß sind denn lohnende Augenblikke für die wahrhaft übermenschliche Dienstlast, die auf mir liegt.      wie sehne ich mich nach d: 27t und nach der Reise von 6 Wochen wo ich kein Notenblatt mitnehme. Seit 3 ½ Tag habe ich die Meinigen nicht gesehen. Heute fahre ich auf ein paar Stunden hinaus. Morgen geht das Ochsen wieder los.

Alles Erdenkliche an deine Victoire und die Kinder. In treuster Liebe dein Weber.

Apparat

Zusammenfassung

habe entsprechend Lichtensteins Rat an Brühl geschrieben; erwähnt Aufsatz bezüglich der Euryanthe-Affaire im Morgenblatt, der ihn nicht störe, er betrachte die Sache wie eine Komödie; Frage der „Londoner Kapellmeisterschaft“ angesprochen; Aufführung der Jahreszeiten unter seiner Leitung im Dresdner Opernhaus als beglückendes Erlebnis empfunden, besonders Qualität der Kapelle; sehnt sich nach Pause und Reise

Incipit

deinen lieben Brief vom 31t May habe ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37 (Nr. 58)

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • PSt: DRESDEN, | 7. Jun. 24

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 379–380
    • Rudorff 1900, S. 189–191

Textkonstitution

  • „ingnorire“sic!
  • der„einer“ überschrieben mit „der

Einzelstellenerläuterung

  • „… Gestern, wo ich ersteres erhielt“Vermutlich bezogen auf die Berliner Korrespondenz-Nachricht vom 2. Mai 1817 in: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 18, Nr. 120 (19. Mai 1817), S. 479f., in der die Auseinandersetzung über die geplante Berliner Aufführung der Euryanthe thematisiert wird.
  • „… nichts offizielles an mich gelangt“Bereits ab Mai 1824 kursierten Gerüchte über einen Opernauftrag für Weber aus London; vgl. u. a. den Brief vom 15. Mai 1824, publiziert im Literarischen Conversations-Blatt vom 8. Juli 1824.
  • „… erfahrenen Rath mit Dank an“Zu den Verhandlungen über das Oberon-Honorar und Lichtensteins diesbezüglichem Rat vgl. u. a. Webers Briefe an Hinrich Lichtenstein vom 24. Februar, 18. Mai, 9. Juni und 4. September 1825.

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