Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Freitag, 16. Juli 1824 (Folge 2, Nr. 5)

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An die Hochwohlgebohrne

Freyfrau, Carolina von Weber.

zu

Dresden.

in Hosterwitz bei Pillnitz.

Guten Morgen mein geliebtes Leben, und du gute Mäzze! ich fieng schon an recht in Sorgen zu sein, wenn ich mich nicht mit der Vermuthung getröstet hätte, daß der Postenlauf hieher gewiß durch sein Zikzak, langsam gehe.      der ganze 13t vergieng in gehöriger Langeweile. Abends 7 Uhr nahm ich mein erstes Bad.      bekam Abends ein Ständchen, das mich einen schönen sächs: Dukaten kostete. und schlief recht schlecht.      d: 14t früh 6 Uhr verschlukte ich wieder meine 3 Becher, gieng alle Stunden einmal nach der Post, niz, niz, Mittag vorbei niz Bad vorbei, niz! da gehe ich denn in der Desparation auf den Ball, und da die Tugend immer belohnt wird, wie ich die Treppe zum Saale hinaufsteige, komt der Briefträger mit deinem herzlieben Brief, Nocheinmal No: 2 vom 9t mir entgegen. Gott sei dank daß ihr gesund seid, und Max 2t Zahn auch durch ist; nun wird der arme Junge wohl ein Weilchen Ruhe haben.      Also die Kleinigkeiten haben Euch Freude gemacht, und der Pursch hat gleich mit den Kegeln gespielt?*      Gewiß, liebe Mukkin gebe ich mir alle Mühe, alles zu vergeßen und zu beseitigen. Es geht auch schon mit meinem Humor viel beßer, die ersten Tage war ich fürchterlich hypochonder. Das Bälle laufen fange ich schon an wie du siehst.      das Waßer wirkt schon sehr auf mich, aber ganz anders als in Dresden. Es führt mich nicht halb so viel ab, aber es greift mein ganzes Wesen tüchtig an, und das soll gut sein. Bisher war auch das Wetter ganz günstig, Gestern Mittag kam aber ein tüchtiges Gewitter, mit Regen. Heute ist es auch noch trübe und mitunter regnicht, aber man hofft daß es nicht anhalte.      Gestern bin ich dann um 4 Uhr ins Theater gegangen. Eduard in Schottland. ah!!! das war schön!!! Das Entsezlichste hier ist, daß man gar nicht schlafen darf, /: am Tage nehmlich :/ und doch immer die größte Lust dazu hat.      überhaupt, Langeweile, gehörige.      Ein bischen schreiben macht gleich Kopfwehe. eine höchst magere Lesebibliothek werde ich bald durchgelesen haben.      Das schönste für mich aber ist, daß sich gottlob Niemand um mich bekümmert.      Der Prälat von Tepel hat mich zwar besucht* /: dem Marienbad gehört :/ er ist aber wider abgereißt ehe ich ihm die GegenVisite machen konnte, welches mich in eine unsägliche Betrübniß versezt hat. Exkursionen in der Gegend kann man auch nicht machen.      Erstlich giebt es hier keine Gegend. 2tens sind die Wege überall hier zum Halsbrechen. Clamms und mehrere Bekannte sind in Franzensbrunn bei Eger.      das ist aber zu weit, ohne die Kur zu unterbrechen. und das thue ich um keinen Preiß, damit ich so bald als möglich fertig werde.      Wenn ich bedenke daß es Gestern erst 8 Tage waren daß ich von dir getrennt bin, und welch eine Ewigkeit mich das dünkt, so weiß ich gar nicht wie ich noch beinah 4 Wochen aushalten soll. der Doctor tröstet mich mit der Gewohnheit, und sagt ich würde das HerumDuseln so behaglich finden, daß ich einen wahren Ekel gegen alles Arbeiten bekommen würde. Nun, diesen Ekel habe ich schon lange, und es wäre nicht gut, wenn er immer so anhielte.

Die Noth muß die arme Rothe sehr gedrükt haben, ehe sie es wagte dich um die Kost zu bitten. allerdings hat das sein Unbequemes für dich, aber mir ist ihre Nähe und Anwesenheit eine Beruhigung*. Liege jezt [hübsch] still, und kraxle nicht unnüz auf den Bergen herum, damit ich eine ge[sund und mun]ter Weibe finde.      Das Leben hier ist im Ganzen sehr wohlfeil, bis auf die Qu[artiere i]ch gebe wöchentlich für mein kleines Nest 5 ƒ Con: M: dagegen der sehr gute Mittags[Tisch mit 2] Schüßeln, nur 1 f 30: W: W: kostet; so daß ich Meistens Mittag und Abend [recht billig] lebe. ein Bad kostet immer 20 Xr: ich hoffe also nicht viel mehr als d[ie Summe] von dem zu brauchen was ich vermuthete. Auch gut, und zwar sehr gut, d[as hei]ßt hamstern, wenn man übrigens faul ist. ich laße mir aber gar nichts [abgehen], darüber kanst du ruhig sein, und hoffe daßelbe von dir, ja ich befehle es be[i meine]m höchsten Ansehen.

Nun lebet alle wohl und Gesund, Gott segne Euch + + +. ich drü[k]ke Mutter und Sohn innigst an mein Herz, und binmit alter treuer Liebe
Ewig Euer
Carl.
10 00000 gute Bußen.

Grüße Rothes und die Völker auch.
Außer deinem Brief habe ich noch keinen
erhalten.

Apparat

Zusammenfassung

über Langeweile und erste Bäder; hat abends ein Ständchen erhalten und Carolines No: 2 endlich bekommen; das Wasser beginne zu wirken; war im Theater und in der „höchst mageren“ Lesebibliothek; er werde zum Glück nicht viel belästigt; über Lebenshaltungskosten in Marienbad

Incipit

Guten Morgen mein geliebtes Leben, und du gute Mäzze!

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 180

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelloch
    • Textverlust durch Herausschneiden des Siegels
    • PSt: v Marienbaad
    • Rötelmarkierung vermutlich von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

Textkonstitution

  • „… Beruhigung . Liege jezt hübsch“über 9 Zeilen ein 2 x 3 cm großes Stück Textverlust durch Herausschneiden des Siegels auf der Rückseite. Versuch mutmaßlicher Ergänzungen

Einzelstellenerläuterung

  • „… gleich mit den Kegeln gespielt?“Zu den in Teplitz erworbenen Geschenken vgl. den Brief vom 8. Juli 1824 und die Tagebuchnotizen vom selben Tag.
  • „… Tepel hat mich zwar besucht“Der Besuch ist im Tagebuch nicht festgehalten.
  • „… Nähe und Anwesenheit eine Beruhigung“Das Ehepaar Roth war laut Tagebuch am 2. Juli nach Hosterwitz gezogen (offenbar in das Webersche Quartier bei Felsner), wohl damit Frau Roth der schwangeren Caroline von Weber während der Abwesenheit ihres Mannes Gesellschaft leisten könne. Überlegungen zur Unterbringung und Versorgung der Gäste finden sich in mehreren Briefen Webers an seine Frau aus Marienbad.

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