Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Montag, 2. und Dienstag, 3. August 1824 (Folge 2, Nr. 11)
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Dem Königl: Sächsischen
KammerMusikus
Herrn Roth jun:
Wohlgebohren.
an der Kreuzkirche
zu Dresden
für Frau von Weber‡
Ich kann dir gar nicht genug sagen, geliebte Mukkin, was ich rabiat auf den PostenGang bin. durch diese unbegreiffliche Langsamkeit und die Entfernung so groß, und ich könnte eben so schnell in Wien Briefe von dir erhalten; ja eigentlich schneller. der beste Trost ist daß die Sache zu Ende geht, und wir keine Post mehr brauchen. Vorgestern d: 31t erhielt ich noch deinen lieben No: 7 vom 25 und 26t eben als ich zu Bette gehn wollte. da schlief ich denn recht sanft in der glüklichen Beruhigung ein, daß Ihr gesund seid. in diesen Tagen bin ich nun freylich sehr in Sorgen, und werde darüber wohl erst zu Hause beruhigt werden können, ich baue aber auf Gottes Gnade, und deine bisherige Gesundheit. Nach Töplitz könntest du mir vielleicht noch auf diesen Brief ein paar beruhigende Zeilen an Tieks adressiren!?? ich gedenke noch immer d: 12t oder 13t da zu sein. obwohl Scheu mich gerne noch länger behalten möchte, und mir jezt erst noch Moor und TuschBäder verordnet hat. Gestern habe ich das erste Moorbad genommen. pfui Gukuk da gehört ein Entschluß dazu hinein zu steigen. Sie sind aber vortrefflich, und weit beruhigender als die Waßer Bäder. heute um 12 Uhr werde ich nun getuscht, im Bukkel und über die Arme. ich trinke nun bloß Ferdinands Brunnen. den Tag vor der Abreise darf man aber weder baden noch trinken mehr. Mein Mißmuth hat sich schon viel verlohren, und ich bin ganz eingewohnt, so daß es mir ordentlich gefällt. die Nachwirkung muß aber erst recht entscheiden, ob die Kur was bewirkt hat oder nicht. nur nicht so bald wieder ins Joch — Ueber der Mutter Unbesonnenheit habe ich mich schwer geärgert, und hatte große Lust ihr darüber zu schreiben, wenn ich nicht bei näherer Ueberlegung eingesehen hätte, daß man keinen Mohren wäscht. daß du mich versicherst nicht sehr davon affizirt worden zu sein, beruhiget mich in etwas. Möge es nun auch so sein wie du mir sagst. Die Beßerung des Hans, geht auf jeden Fall sehr langsam, wenn der ganze Huf nachwachsen muß, und das beßer gehn jezt, ist nur scheinbar. Die Gretel ist halt eine anstellige PersonT. glaub’s gerne daß sich der arme Christian grämt, es komt doch von einem Verschlag her. — —
Die TheaterGeschichten machen mir viel Spaß. Es kann nicht schaden wenn sie fühlen daß der Meister fehlt, und daß nicht jeder Lehrjunge ihn ersezzen kann*. Kaufe also etwas für die Mädchen. hörst du, damit ich es finde wenn ich ankomme. Die Lotte habe ich mit der Dathe in der Karlsbader Liste gefunden*. werde sie aufsuchen bei der Durchreise*. Gestern habe ich einen recht angenehmen Mittag bei Hennigkstein aus Wien verlebt, wo ich nach langer Zeit zum erstenmale wieder ein Klavier berührte. was mir ganz spanisch vorkam.
Nun ade, für heute. weiß nitz mehr, als das alte Lied, /: nicht von dem versoffenen Fahnenschmid :/* sondern von der innigsten Liebe und Sehnsucht deines alten brummigen Hausbären. — —
d: 3t: das gestrige Tuschbad hat mir einen bösen Tag gemacht. erstlich that es sehr weh weh, und dann griff es mir die Brust an. heute aber hat das Moorbad wieder alles gedämpft und beruhigt. ich bin recht neugierig wie du mich finden wirst. hier behaupten alle Leute ich sähe recht gut aus. im Ganzen bin ich auch wohl, aber der Husten pp ist noch immer da, und den werd ich wohl auch behalten. gepaßirt ist sonst nitz neues, und ein Tag ist wie der andre, außer daß nach und nach die paar Bekannten wegreisen. und man wieder einsamer wird. der Baron Budberg ist von Mannheim gekommen; erzählt daß Louis und Mutter pp alle wohl sind. Louis wußte gar nicht daß ich ins Bad ginge, und du hast es doch ausdrüklich geschrieben. Die Leutchen sind immer im Dusel. Morgen komt Mad: Milder hier an, und wird Concert geben*. auch Weixelbaums wollen kommen*. Es ist mir ein gar prächtiges Gefühl, mich mit dergleichen nicht abgeben zu dürfen, und so den ruhigen Zuhörer machen zu können. da hat man keine Sorge, keine Laufereyen, und braucht sich bei Niemand zu bedanken. Freilich ist das Geld auch eine schöne Sache. ich will es aber lieber still allein für mich hin arbeitend erwerben. Wenn ich einmal wieder Gedanken kriege. jezt fällt mir noch gar nichts ein, und es kommt mir vor als hätte ich nie was componirt. am Ende sind die Opern gar nicht von mir.
Nun Ade, Ihr vielgeliebten Wesen. bald bald, bin ich wieder bei Euch, und halte Euch in meinen liebenden Armen. Gott erhalte Euch gesund und heiter. + + + Meinen besten Segen und die innigste Liebe habt ihr ja
ewig und ewig vom treuen
Vater Carl.
Grüße Alle bestens.
Apparat
Zusammenfassung
Bericht von weiteren Kuranwendungen (Dusch- und Moorbädern) und Rückreiseplanung; hat erstmals nach langer Zeit wieder ein Klavier berührt bei Bekanntem aus Wien; Privates
Incipit
„Ich kann dir gar nicht genug sagen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 183Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: Marienbaad
- Rötel-Randmarkierung von Max Maria von Weber
Provenienz
- Weber-Familiennachlass
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„… für Frau von Weber“dreifach unterstrichen
Einzelstellenerläuterung
-
„… sie aufsuchen bei der Durchreise“Vgl. die Tagebuchnotiz vom 11. August 1824.
-
„… von dem versoffenen Fahnenschmid :/“Anspielung auf das bereits im frühen 19. Jahrhundert bezeugte Scherzlied Der versoffne Fahnenschmied („Das neue Lied, das neue Lied | von dem versoffenen Fahnenschmied | und wer das neue Lied nicht kann | der fängt es heut zu lernen an | Und wer das Lied nicht weiter kann | der fange es von vorne an“); vgl. auch den Brief vom 1./2. März 1822.