Carl Maria von Weber an Karl Theodor Winkler in Dresden
London, Freitag, 21. April 1826 (Nr. 1)
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Theuerster Freund!
Sie werden Sich über diese Sendung und Form wundern, aber um s[olche]‡ Brief Post zu benuzzen, als auch das Porto nicht in die Pfunde laufen zu laßen, habe ich dieses Mittel ausspintisirt. haben Sie herzlichen Dank für Ihr liebes Blättchen vom 2t huj: welches ich d: 17t erhielt. Fürstenau wird nach den ersten Vorstellungen referirt haben*. Gestern habe ich die 8te in 8 Tagen, dirigirt*. gleich volles Haus gleiche Theilnahme. H‡ier folgen nun die fehlenden No: zur gütigen Uebertragung, die ich dann dringendst bitte, durch Kretschmar abschreiben und so schnell als möglich an Schleßinger in Berlin abgehen zu laßen*. das alles kann Freund Roth besorgen. von Posttag zu Posttag erhalten sie nun die Fortsezzung*. heute sende ich Ihnen auch das‡ hier gedrucktes‡ Buch, wo S‡ie zwekmäßige Abkürzungen finden werden. die große Scene des Huon im ersten Akt die ich hier neu für Braham componiren mußte, soll blos in London figuriren*. ich behalte die alte Arie bei. Diese neue‡ ist nach meiner Ueberzeugung ganz gegen Situation und Charakter des Huon. So denkt allenfalls ein junger französischer General an die Bälle und Festins nach der Schlacht. Es ist ein Effektstük, ganz für Braham berechnet. ein Opfer wie man so manches in der Welt der Localität bringen muß. die Preghiera mußte ich auch der Quälerey Brahams zu Folge, der immer sagt er hätte nichts zu singen, einschieben*. doch ist sie nicht ohne Wirkung auf dieser Stelle. da der hiesige Scherasmin fast gar nicht singen kann, so wurde beim Quartett im 2t Akt ein Capitain eingeführt, und im 3t Akt der griechische Sklave. beides ist für Deutschland unnöthig. Ich glaube hoffen zu dürfen daß die Oper auch in Deutschland wirken wird. Mündlich werde ich Ihnen intereßante Details geben können. Aber, Sie‡ haben Sich‡ einen so schönen SommerReiseplan entworfen*, daß ich fast fürchten muß Sie nicht zu finden. Meine Geschäfte ziehen sich so in die Länge, und von der Riesen Stadt ist so schwer fortzukommen, daß ich kaum vor Ende Juny zu Hause sein kann. doch vielleicht verzögert es sich bei Ihnen auch noch ein Weilchen. es wäre wirklich recht betrübt wenn wir uns verfehlten. Was die AbendZeitung betrifft mein theurer Freund so trauen S‡ie mir da zu viel Einfluß zu. Alles theilt sich hier wieder in Unterstädte ab, wenn ich so sagen soll, und jede wird wieder durch besondere Männer und Verhältniße influirt. daß ich darüber mit Männern vom Fache sprechen will, können Sie versichert sein.
Gott erhalte Sie wohl und munter, empfehlen Sie mich herzlichst Ihrer liebenswürdigen Gattin, dem gesammten theuren LiederkreiseT, und behalten Sie lieb, Ihren treu ergebenen Freund CMvWeber. London d: 21t Aprill 1826.
Apparat
Zusammenfassung
übersendet Teile aus dem Oberon-Klavierauszug zur Übersetzung und Kopie für Schlesinger; über die für Braham nachkomponierte Arie, die in Dresden wegbleiben soll, und andere Veränderungen; er glaubt kaum vor Ende Juni in Dresden zu sein; auf Rückseite Fragment Cavatine der Rezia
Incipit
„Sie werden Sich über diese Sendung und Form wundern“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
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Textzeuge: Brief in drei Teilen
-
1. Fragment: Paris (F), Bibliothèque Nationale (F-Pn)
Signatur: Ms. 403Quellenbeschreibung
- auf der Rückseite des Klavierauszugsfragments (Teil von Nr. 20 notiert, T. 19–36) Beginn des Briefes; quer 6,5 x 20,5 cm
- Text durch schiefen Schnitt zum Teil fehlend; etliche Klebestellen (Reparaturen)
- von Aloys Fuchs mit Umschlag versehen und beschriftet, quer 18x22 cm, darin Briefausschnitt eingeklebt
-
2. Fragment: verschollen
Quellenbeschreibung
- siehe Textkonstitution (vermutlich Adresse des Briefes)
-
3. Fragment: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B), Slg. Adam
Signatur: N. Mus. Nachl. 141, Kapsel 136, Nr. 503Quellenbeschreibung
- ¼ Bl. (2 b. S.); zu ergänzen als Ende des Briefes
- mit Fragm. der Cavatine der Rezia (T. 39–57 von Nr. 19) auf recto-Seite (vgl. 1. Fragment und Textkonst.)
- Das 1915 noch beiliegende alte leere Briefcouvert (laut Mitteilung Georg Kaisers vom 15. August 1915 mit Aufschrift vermutlich von Maria von Wildenbruch) ist heute nicht mehr vorhanden.
Provenienz
- Rosen, Gerd: Auktion 7 (10.Dez. 1948), Nr. 645
- Zahn & Jaensch: Kat. 270 (1915), Nr. 64
- Zahn & Jaensch: Kat. 250 (1912), Nr. 574
Themenkommentare
Textkonstitution
Auf der recto-Seite des später in drei Teile zerschnittenen Blattes befanden sich zum Oberon-Klavierauszug oben (Teil in D-B) die T. 39–57 der Cavatine Nr. 19, in der Mitte (Teil verschollen) vermutlich das Ende der Nr. 19 (ab T. 58) sowie der Beginn der Nr. 20 (bis T. 18), unten (Teil in F-Pn) die T. 19–36 des Rondo Nr. 20. Auf der verso-Seite (in umgekehrter Schriftrichtung) war zum Versand des Blattes an Winkler in der (verschollenen) Mitte von Weber vermutlich die Adresse notiert, während der Brieftext auf den nach der Faltung nicht mehr sichtbaren Seitenteilen oben (F-Pn) bzw. unten (D-B) notiert war.
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„… wundern, aber um s olche“Rest (vermutlich noch mehrere Worte) durch schrägen Schnitt verloren
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„H“„h“ überschrieben mit „H“
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„das“„ein“ überschrieben mit „das“
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„s“durchgestrichen
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„S“„s“ überschrieben mit „S“
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„neue“über der Zeile hinzugefügt
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„… Details geben können. Aber, Sie“Pariser Fragment hier zu Ende.
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„Sich“„sich“ überschrieben mit „Sich“
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„S“„s“ überschrieben mit „S“
Einzelstellenerläuterung
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„… den ersten Vorstellungen referirt haben“Ein Schreiben von Fürstenau direkt an Winkler ist nicht erhalten; vgl. den Aufführungsbericht im Brief von Fürstenau an Böttiger vom 13. April 1826.
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„… te in 8 Tagen, dirigirt“8. Vorstellung des Oberon am 20. April 1826 seit der Uraufführung am 12. April 1826 (spielfreier Tag war jeweils der Sonntag, daher keine Aufführung am 16. April).
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„… in Berlin abgehen zu laßen“Betrifft Herstellung des deutschen Klavierauszuges, für den Winkler die Übersetzung anfertigte.
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„… erhalten sie nun die Fortsezzung“Vgl. weitere Briefe an Winkler vom 21. April und 25. April 1826.
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„… soll blos in London figuriren“Vgl. Briefe Webers an seine Frau Caroline vom 29. bis 31. März und 4. April 1826.
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„… hätte nichts zu singen, einschieben“Vgl. Brief von Weber an seine Frau Caroline vom 8. bis 11. April 1826.
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„… einen so schönen SommerReiseplan entworfen“Vgl. Brief von Winkler an Weber vom 2. April 1826.