Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Dresden, Mittwoch, 19. und Donnerstag, 20. April 1826

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To charles-Maria v: Weber

No 91 Portland Street. Portland

Place. by Sir george Smart

per Hollande

London

erhalten London d: 1t May 1826
        betw -------------- 2  ------------
durch No. 24.

Habe heut gehofft und gelauert es mögte ein Briefel von der Männe komen, bin deßwegen nicht aus dem Zimer gewichen so lokend auch die Sonne zum erstenmal wieder schien, aber die Zeit verging und es kam nichts —. Endlich heut Abend kömt die Fürstnau trüunpfirend mit einen Brief ihres Mannes, und die guten Nachrichten die auch für mich darin standen verscheuchten schnell das bischen Neid was ich entfunden hatte daß sie einen Brief hatte, und ich keinen.

Also schon den 12t  ist die Oper gewesen?* Du arme Männe! Da hattest Du gewiß unendlich zu thun und konntest gewiß nicht schreiben. Nun Gott möge Deine Mühe segnen daß Du Freude dafür erlebt hast. Fürstnaus Brief hat meine Hoffnung wieder etwas belebt und ich sehe nicht so ganz trostlos Deinen nächsten Brief entgegen. Ich gestehe, auch wenn Du darüber zürnst: Dein Schweigen über den Gang der Proben hatte mich ganz kleinmüthig gemacht,  und unser guter Rothe hatte viel zu trösten und zu zanken[.] Bald bald ist nun das überstanden, und die Mukin wird einmal wieder frey athmen NB. wenns gut gegangen ist[.] Aber dann kömt wieder die Sorge: ob diese  unendliche Anstrengung Dich auch nicht zu sehr angegriffen hat — ach die Mukin ist ein armer Kerl! und ich sage Dir: ohne mich darfst Du nicht mehr reisen, ich halte es nicht aus. Ich kann würklich Gott nicht genug danken daß ich trotz der Sorge und Angst so gesund bin. ich fühle mich bey weiten wohler als da Du abreistest, nur ein bißel mager bin ich geworden aber das findet sich bald wieder wenn nur erst die Söll* ruhig ist. Unsere Buben sind kreuz wohl auf, und Alex ist sogar jetzt gesünder als bey der Brust. Es fehlte ihm da doch sehr oft an einer gewißen Verrichtung, aber das ist jetzt alles in der schönsten Ordnung. Es wäre doch drollig wenn ich würklich die Nachricht von dem Erfolg Deiner Oper an Maxens GeburtsTag erhielte! möglich wäre es, es ist grade der Posttag. Nun das sollte ein doppelter Jubeltag werden wenn alles nach Wunsch gegangen ist!! Dir wird es recht fatal sein daß Du, nach dem Du alles lang überstanden hast, noch diese nölige, ängstliche Briefe lesen must | aber Du must schon Geduld haben, mögte auch lieber andere schreiben.      Hast Du schon von dem Buch gehört was in Berlin erschienen ist: Henriette die schöne Sängerin?* — Das ist ein ganz abscheuliches Pasquill* auf die Seidler und die Stich. Auch die Berliner Dichter und Rezensenten komen schlecht weg. Die Nahmen sind alle etwas verändert, aber so, daß mans mit Händen greifen kann wer gemeint ist*. Es ist sehr witzig geschrieben, doch daß ist leicht wenn man nichts schont. Herzlich habe ich lachen müßen über die Menagerie der Sonntag: Beer*, Wolf, Eber pp zum sprechen sind unsere Bekante abgemahlt. Die Sonntag ist als leibhafter Engel beschrieben; aber ich glaube nicht daß das gute Mädchen sch sich darüber freuen kann. Das Buch ist verboten. Kaßkel hat es aber von Leipzig komen laßen, wo es zu haben ist. Spontini hat zuerst die Nurmahal dirigiert, aber keine Hand hat sich zu seinen Empfang gerührt. Welington war grade im Theater, er ging aber nach den ersten Nummern weg* — —. bey uns wird Montag 24t das Theater mit dem Bild eröfnet, Dienstag der Blaubart wo die Dewrient zuerst singt*. Der Tod der Prinzeß hat ihr Zeit geschenkt sich noch mehr zu erholen, und Keller sagt, ihre Stime sey wieder ganz gut. Die Heurath mit Mell Wolbrük und Marschner soll schon ganz gewiß sein, wenigstens führen sie sich schon öffendlich. Er hat es auch durchgesetzt daß sie die Pamina, und die Agathe spielt*. wehe! wehe!  wenn sie gefällt! Lüttigau will Dewrients gern los sein aber ich fürchte wenn er die engagiert, gewinnt er nichts als doppelten Aerger, den Marschners Frau erste Sängerin! na! Da dauert ihr mich alle.      Ich muß auch noch einmal von Geld geschichten anfangen. Du schreibst mir ich soll das Geld dem Keller geben? ja der gute Keller spekuliert, und spekuliert dann doch einmal falsch. Er dachte mit 2000 Thaler aus zukomen, und langt kaum mit 4000. Er muß nun sehen das alles auf einen Platze zu bekomen weil, wenn wir den erstens Consenz bekämen, er | auf den 2ten nicht noch 2000 bekomen kann. Auch hat sich Engelhard erkundigt: es stehen noch Kaufgelder auf dem Hause, die allen vorgehen — kurz, damit wäre es nichts. Wo das Geld jetzt ist, kann es noch bis Michaeli bleiben und dann kanst Du selbst diponiern. Papier darf man jetz nicht kaufen, Kaßkel meint es wäre gut wenn man jetzt gar keine hätte denn es fängt an wieder kriegerisch aus zu sehen —. Na! mein FinanzMinister Amt hab ich gethan, nun will ich auch ins Nest gehen!

gute gute Nacht mein leben! Ganz im Winkel meines Herzens ist noch ein bißel Hoffnung daß villeicht morgen ein Brief, kömt aber es ist recht ungenügsam von mir, weiß ich doch daß du wohl bist. schlaf wohl und träume was recht gutes von der Mukin. Ich küße Dich 10000mal +. +. +.

Den 20t nun ist’s schon 11 Uhr und kein Brief gekomen — die gute Männe hat diesmal nicht schreiben können. Da heist’s Geduld haben bis zum Sonnabend. So geh’ denn mein Briefel, und bringe mein Carl die besten Wünsche seiner Lina. Mögte er Dich recht froh und glüklich treffen.      Alle Bekante und Freunde grüßen herzlich. Auch Morlachi den ich gestern begegnete. Mit der Lütigau geht es gut. Das Wetter ist heute schön, wir wollen ausfliegen in einen geborgten Wagen, denn an unsern wurden die Vorderräder gemacht.      Die Leute sind bis jetzt recht brav, besonderst Johan, der besorgt und räth, kurz er ist in seinem Elemend.      Maxen habe ich zu seinen GeburtsTag müßen ein neu merino Kleid machen, der Bursch hat alle Hosen auf dem Rutschberg zerrißen. Existierte der Rutschberg in der Kinderstube schon wie Du noch da warst? eine Erfindung von mir, die schon viel Spaß gemacht hat, aber auch viel Kleider kostet. In Deinen Nahmen, werde ich ihm doch etwas Spielzeuch schenken müßen, es ist grade Jahrmarkt. — für’s haus kann diesmal auf dem Markt nichts gekauft werden, denn es ist kein Geld in der Kasse. Aber wenn die Männe recht viel mit bringt dan kriege ich wieder Leinwand.

Nun Adee mein Theurer lieber lieber Carl! Gott segne Dich, und erhalte Dich gesund für Deine Treue Lina

Apparat

Zusammenfassung

Frau Fürstenau teilt ihr aus einem Brief ihres Mannes mit, dass die Oberon-Premiere am 12. April stattgefunden habe; Hinweris auf eine Publikation über Henriette Sonntag; Theater-Interna: Verbindung von Marschner/Wohlbrück

Incipit

Habe heut gehofft und gelauert es mögte ein Briefel

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Caroline von Weber 17

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • mit Empfangs- u. Beantwortungsvermerk Webers
    • PSt.: a) DRESDEN | 20. Apr. 26 b) F P O | MY - 1 | 1826 c) ALLEMAGNE | PAR | FORBACH d) TT.
    • Siegelspur

Textkonstitution

  • 5„2“ überschrieben mit „5
  • d„t“ überschrieben mit „d
  • d„t“ überschrieben mit „d
  • S„s“ überschrieben mit „S
  • d„t“ überschrieben mit „d
  • V„v“ überschrieben mit „V
  • d„t“ überschrieben mit „d
  • „sch“gelöscht
  • „,“durchgestrichen
  • m„d“ überschrieben mit „m
  • V„v“ überschrieben mit „V
  • „… dan kriege ich wieder Leinwand“dreifach unterstrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „Also schon den … die Oper gewesen?“Am 12. April 1826 wurde Webers letzte Oper Oberon am Covent Garden Theatre in London uraufgeführt.
  • „… wenn nur erst die Söll“Eheliche Umgangssprache: Seele.
  • „Henriette die schöne Sängerin ?“Freimund Zuschauer [das ist: Ludwig Rellstab]: Henriette, oder die schöne Sängerin, Leipzig 1826.
  • „Pasquill“Spott- und Schmähschrift.
  • „… greifen kann wer gemeint ist“Folgende Literaten und Rezensenten werden genannt: Schillibold Arecca (W. Alexis), Quark (A. B. Marx), Rennstein (Rellstab), Saffian (M. G. Saphir), Raupenbach (E. Raupach), Puckbulz (Friedrich Schultz, genannt Spuck-Schultz), Ruhwitz (F. W. Gubitz), Arion Sivius (L. Robert) und Quintus Curtius Rufus (F. von Uechtritz).
  • „… Menagerie der Sonntag : Beer“Evtl. ist auch Wilhelm Beer gemeint; darauf deutet eine humoristische Zeichnung, in der er als Bewunderer der Primadonna karikiert wird, Berlin 1830; vgl. Katalog Giacomo Meyerbeer – Weltbürger der Musik. Eine Ausstellung der Musikabteilung der Staatsbibliothek PK Berlin zum 200. Geburtstag des Komponisten vom 31. Oktober 1991 bis zum 5. Januar 1992, Wiesbaden 1991, S. 48.
  • „… nach den ersten Nummern weg“Die letzte Nurmahal-Aufführung hatte am 18. Februar 1826 stattgefunden. Wellington, der diese Aufführung besucht hatte, verließ Berlin am 21. Februar 1826; vgl. Allgemeine Zeitung, 1826, Nr. 65 (6. März), S. 261. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Spontini noch in Paris auf, wo am 27. Februar erstmals die dritte Fassung seiner Olimpie gegeben wurde. Er kehrte erst im März nach Berlin zurück.
  • „… wo die Dewrient zuerst singt“Nach dem Tod von Prinzessin Cunigunde blieb das Dresdner Hoftheater bis zum 23. April geschlossen; am 24. April wurde Blaubart mit W. Schröder-Devrient als Marie gegeben.
  • „… , und die Agathe spielt“Marianne Wohlbrück gab in Dresden am 27. April die Agathe im Freischütz und am 4. Juni die Königin der Nacht in der Zauberflöte; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1826 (S. 147, 183).

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