Rezension über „Sechs Lieder mit Begleit. d. Pianof.“ von G. W. Fink

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Sechs Lieder mit Begleit. d. Pianof., gedichtet u. in Musik ges. – von G. W. Fink. Leipzig, bey Breitkopf und Härtel. (Preis 16 Gr.)

Eine freundliche Erscheinung in unsrer, an wahren Lieder-Dichtern und wahren Lieder-Componisten nicht eben reichen Zeit! Hr. F. hat durch seine herrlichen Volkslieder, seine häuslichen Andachten etc.* schon bewährt, dass in ihm ein Genius lebe, der beyde Talente in vorzüglichem Maasse vereinet, und dadurch zu Ansprüchen und Forderungen an ihn berechtigt, von denen Rec. innigst wünscht, dass er ihnen recht oft einen Tribut, wie in vorliegenden Liedern, abtragen möge.

Ein tief fühlendes, inneres Leben herrscht in dieser Sammlung; die Empfindungen des Herzlichen und Gemüthlichen sind aber darin vorherrschend. Das einzige, No. 4, Gottes Engel, schreitet prächtiger einher. Text und Musik verschwistern sich zum herrlichsten Verein. Die Forderungen des Liedes sind im hohen Grade erfüllt. In jedem Vers fällt derselbe Ausdruck auf dieselben Stellen; und dadurch entstand die Möglichkeit, mit Einer Melodie das Lied von 4–5 Strophen zu umfassen, ohne weder der Declamation, noch dem Ausdrucke zu nahe zu treten. – Wir gehen die 6 Nummern kurz durch!

1. Glück der Sehnsucht. C dur. Die Sehnsucht einer schuldlosen, reinen Seele, die Rec. nicht besser zu bezeichnen weiss, als wenn er die letzten Worte aushebt:
„noch scheut ich die Lüfte und weis doch was,
Bin glücklich – doch werden die Augen mir nass!“
Die Verlängerung des Rhythmus, Takt 7–8, ist von lieblicher Wirkung. Der Verf. schreitet überhaupt manchmal aus den gewöhnlichen Formen des eingepreßten 4–8taktigen Zuschnitts heraus, aber nur da, wo es von entschiedener, eigner Wirkung ist, und folglich auch um so besonnener geschehen muss und kann! – 2. Die Täubchen der Liebe, ist sehr artig, scheint aber Rec. am wenigsten von Bedeutung. – 3. Die Treue, vierstimmig, ohne Klavierbegleitung, oder einstimmig mit Begleitung, zu singen. Die Musik spricht ganz den ruhigen Charakter eines empfindungsvollen, treuen Herzens aus. Auch die Wahl der Tonart, As dur, ist diesem angemessen. – 4. Gottes Engel, E dur, im Tone des väterlichen, aber noch kräftigen Greises, auch bloß für eine Männerstimme von Wirkung. Der Text spricht das reine, hohe Gefühl für den Unendlichen in | einer festen, seelenvollen Sprache aus; die Musik ist würdig und angemessen, doch scheint sie Rec. weniger ausgezeichnet, als der Text. Der Schluss liegt für eine Bassstimme etwas hoch, da er sanft vorgetragen werden soll. – 5. Die Liebenden, Duettino, G dur, hält Rec. für das Gelungenste dieser Sammlung. Es scheint unmöglich, etwas Naiveres und einfacher Rührendes zu schreiben, als was diese ¦ herzlichen Worte und Töne enthalten. Die schon oben berührte neue Benutzung der musikalischen Declamation und des rhythmischen Zuschneidens, wirkt hier vorherrschend. Dass dieses Duettchen ohne alle Prätention, in ebendiesen schuldlosen Accenten gesungen werden muss, wie es geschrieben ist, versteht sich wol von selbst. – Rec. kann sich nicht enthalten, es als Beylage und Probe zu liefern.

Wenn der Arm dich eng umwindet,Lipp’ an Lippe fest sich bindet: ach, da kann ich nicht mein,Dein muss ich sein!Sieh, wie binden sich die Tropfen in dem Teich –Eya! aber unserm Binden ist auf Erden nichts gleich.Wenn sich Wang an Wange drückettief ins Aug das Auge blicket:ach, da bin ich nicht mein,Du bist nicht dein!Sieh, wie blickt’s so hold im blauen Sternenreich –Eya!aber solchen Blicken sind die Sternlein nicht gleich. Bindend, windend fest sich schmiegen, Drückend, blickend eng sich wiegen –Ach, gestorben in Dir, leb ich in dir. Selig, wem der Sinn im Sinne untergeht;Eya!nur im Tod’ allein das rechte Leben ersteht!

6. Abschied vom Liebchen, B dur, nähert sich am meisten der gewöhnlichen Liederform im Ton und Ausdruck, und trägt weniger das Gepräge der Eigenthümlichkeit, wie die vorigen, obwol es darum dennoch ein schönes Lied bleibt.

Schlüsslich muß Rec. noch einige Kleinigkeiten bemerken, die dem Hrn. Verf. beweisen sollen, wie aufmerksam er alles ergreift, was von ihm kömmt. Es sind nämlich gewisse Wendungen und harmonische Querstände gemeynt, die vielleicht manchem strengen Kritiker auffallen könnten. Z. B. No. 1. Takt 17 statt Takt 27 ebenso.
Rec. hätte dies für einen Druckfehler gehalten, wenn er nicht gefunden, dass der Comp. öfters so schreibt. Z. B. Takt 24. in demselben Liede; Lied 6, Takt 5, die letzten beyden 4tel etc, wo sie aber immer richtig aufgelöset sind. Sollte Hr. F., der gewiss nichts ohne Ursache schreibt, seine eigenen Ansichten darüber haben?

Der Druck ist correkt und deutlich, der Preis mässig; und somit giebt es denn auch keinen äussern Umstand, der verhindern könnte, dass diese Lieder Lieblinge des Publicums würden ¦ und auf allen Klavieren ihren festen Platz einnähmen.

Carl Maria von Weber.

Apparat

Zusammenfassung

Besprechung der Lieder von Fink; nach der Analyse der einzelnen Nummern auch kurze kritische Anmerkung zu Querständen; mit Notenbeispielen

Generalvermerk

Zuschreibung: namentlich gezeichnet (Carl Marie von Weber); lt. TB 13. April 1812 entstanden und am 14. April abgeschickt; vgl. Briefe von Weber an Rochlitz 14. April 1812, 25. April 1812 und 14. Juli 1812 sowie auch TB Übersicht April 1812; Weber bittet Rochlitz um Rücksendung des Ms. der Rezension im Brief vom 12. September 1812; vgl. außerdem Brief von Kühnel an Weber vom 27. März 1813

Die Bekanntschaft von Fink hatte Weber am 12. Januar 1812 in Leipzig gemacht und äußerte sich schon einen Tag später sehr lobend über ihn; vgl. TB.

Entstehung

13. April 1812 (Niederschrift) und 14. April 1812 (Versand)

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 14, Nr. 26 (24. Juni 1812), Sp. 427–432

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kaiser (Schriften), S. 168–170 (Nr. 42)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… , seine häuslichen Andachten etc.“Häusliche Andachten, in christlichen, mehrstimmigen Liedern, (auch einstimmig mit Klavierbegleitung.), Leipzig Kühnel; Rezension des 1. Heftes in AmZ, Jg. 13, Nr. 45 (6. November 1811), S. 749–755, insgesamt drei Hefte. Mehrere Hefte Volkslieder mit und ohne Clavierbegleitung, Vier Weinlieder sowie Lieder und Balladen in thüringischer Mundart erschienen bereits ab 1810. Bekannt wurde Fink später v. a. durch seinen Musikalischen Hausschatz der Deutschen, eine Sammlung von 1000 Liedern und Gesängen, Mayer und Wiegand 1843.

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