Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 13. bis 16. April 1817

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Am 13. April: Jakob und seine Söhne in Aegypten, Musik von Mehul. Die heutige Vorstellung zeichnete sich dadurch aus, daß Herr Weixelbaum vom Großherzogl. Hoftheater in Karlsruhe die Rolle des Joseph, Herr Genast der jüngere, vom Großherzogl. Hoftheater in Weimar, die des Jakob übernommen hatte. Herr Weixelbaum ist bereits in diesen Blättern bei Gelegenheit der Aufführung der italiänischen Oper, Adelina, als ein trefflicher Tenor in Ton und Manier anerkannt worden, und auch heute bewährte er dasselbe, wie das Publikum mit regem Beifall anerkannte. Sein Dialekt im Deutschen ist uns etwas fremd, besonders die Aussprache des o und a, und die Weglassung mancher Endvokale.

Auch müssen wir den Darsteller des Josephs erinnern, bei dem Gebete des israelitischen Volkes, von Andacht – hingerissen, da er ja noch dem Glauben seiner Väter treu blieb, und sich tiefbewegt der alten Klänge erfreut – auf die Knie zu fallen, und wenigstens im Geist mit einzustimmen in die Lobgesänge, die dem Herrn gebracht werden. Abgerechnet, daß dieß dem Charakter durchaus angemessen ist, wird auch das Sprechen zwischen diesen Gesängen dadurch vermieden, welches störend die heilige Stille unterbricht, die über alles andere sich verbreiten muß, während diese Himmelstöne von der aufsteigenden Sonne entlockt wie des Memnons Bildes Klänge hinauf sich schwingen auf Flügeln der Andacht zu dem Ewigen.

Herr Genast – den Lesern des Morgenblattes unter andern auch durch die brave Vertheidigung seines verdienstvollen Vaters gegen heimliche Angriffe bekannt – gab seiner großen Jugend ungeachtet, die alte Rolle des Jakob, die wir hier so trefflich von Herrn Hellwig dargestellt zu sehen gewohnt sind, mit Würde, Wahrheit und Gefühl. Seine Deklamation ist rein, angemessen und ruhig. Sein ganzes Benehmen auf der Bühne zeigt durch ihn aufgeprägte, von unnöthiger Beweglichkeit weit entfernte Festigkeit, die Verdienste der Theaterschule, von welcher auch er, der sich der besondern Bildung Göthe’s zu erfreuen hatte, ausgegangen ist. Seine Stimme hat für seine Jugend eine bedeutende Tiefe und eine recht erfreuliche Höhe, ist in den Tönen gleich und gehalten, und, was bei Textworten, die allenfalls noch Verstand haben, ungemein wünschenswerth ist, durchaus verständlich. Besonders brav ward das erste Gebet und das Terzett zwischen ihm, Joseph und Bejamin vorgetragen, so wie auch sein Duett mit Bejamin, Dem. Schubert, ungemein rührend und wohltuend war.

Die Oper ging trefflich und das Orchester vor der Bühne trug dazu mit seiner anerkannten Virtuosität bei, wären nur auch die Trompeten auf der Bühne dadurch zu größerer Reinheit bewogen worden.

Th. Hell.

Am 14. April: König Yngurd, s. die Nummern 93 bis 98.

Am 15. April: Leichtsinn und gutes Herz, Lustspiel in 1 Akt vom Schauspieler Hagemann. Für die Darstellung der Rolle des August durch Herrn Genast aus Weimar ward dieses kleine Stück aus der Vergessenheit, in der es lange geruht hatte, hervorgezogen. Es zeichnet sich dadurch aus, daß nur Männer darin spielen, und da gemischte Kreise allein wahrhaft unterhaltend sind, so fehlt auch ihm diese ¦ Eigenschaft. Indeß hat es einzelne gute Scenen und hob sich besonders durch das sehr brave Spiel von Herrn Schirmer als Hauptmann, und Herrn Burmeister als Wendt. In den ersten Auftritten, wo Herr Genast den jugendlichen Leichtsinnigen darzustellen hatte, wollte er uns nicht recht gefallen, weil er die Rolle zu feierlich nahm, und schon eine Schwermuth durchblicken ließ, die da noch gar nicht in diesem Charakter liegen kann, in den spätern aber, wo das Gefühl sich inniger entwickelt, wo er als reuiger Sohn in sich geht, oder als Gebesserter, der aber noch immer auf die Menschenrechte Anspruch zu machen hat, mit edler Festigkeit dem Hauptmann gegenüber steht, leistete er recht viel Gutes, und befriedigte sehr.

Adrian von Ostade, die bekannte allerliebste Weigl’sche Oper, folgte darauf, und Herr Genast gab den Adrian. Sein Gesang war kunstgemäß und wohlthuend. Sehr brav trug er eine eingelegte große Arie von Häser in Stuttgart componirt, vor. Sein Spiel als Adrian hatte abermals eine schwierige Vergleichung mit Herrn Hellwigs trefflicher Darstellung derselben zu überstehen, wir müssen ihm aber die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß er mit Natürlichkeit und Anstand diese Rolle wieder gab. Seine Aussprache verdient ausgezeichnetes Lob.

Das Singspiel ging im Ganzen trefflich, und besonders belustigte Herr Geyer als Farbenreiber durch die originellste Laune, welche ihm mehrere gelungene extemporirte Scherzworte eingab. Die lebendigen Gemälde am Schluß verfehlen ihre köstliche Wirkung nicht.

Th. Hell.

Am 16. April: Adelina, von Generali. Nach allem was neulich über diese Oper gesagt wurde, ist es unnöthig mehr hinzuzufügen, als etwa die Bemerkung, daß der Gesang von Mad. Weixelbaum immer besser gefällt, der ihres Gatten hingegen am ersten Abend mehr Beifall fand als jetzt. Wir hatten heute das Vergnügen, den berühmten Oboespieler, Hrn. Thurner, im Zwischenakt zu hören. Er spielte ein recht originelles spanisches Rondo von seiner eignen Composition mit Begleitung des vollen Orchesters. Da die Einleitung desselben Anklänge aus dem Schweizerreigen hatte, so schloß es sich um so schöner an die Scene der Oper, nur später als die pizzicato’s der Violinen und Bässe sich in Guitarrenbegleitung zu verwandeln schienen, und die eigenthümliche Weise des phantastischen Bolero erklang, da fühlte man sich aus den Alpen in die Pyrenäen versetzt. Der geschickte Tonkünstler überwand mit Sicherheit und Gewandtheit sehr große Schwierigkeiten; sein Spiel hatte pikante Originalität, so wie seine Composition, sein Ton war rein und stark, aber wohl oft etwas hart und schneidend, nur bei dem sanftern Zwischensatz und Minore des Bolero wehte der Hauch des wärmern Gefühls, das Uebrige war mehr phantastisch und künstlich als seelenvoll. Doch liegt viel davon in dem Instrumente selbst. Gegen die bezaubernden Nachtigallentöne der Violine, die wir neulich hörten, bleibt die Oboe ein heller Lerchenruf, der mehr zu rascher Kampfeslust einladet, als zu süßer Schwärmerei; sie ist die mildere, biegsamere und tonreichere Schwester der siegesfreudigen Trompete, und sie wird uns stets mehr erwecken und aufregen, als versöhnen und erheben können. Herrn Thurners Virtuosität verdient aber wahre Bewunderung und wird gewiß überall anerkannt werden.

C.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: 13. bis 16. April 1817

Entstehung

vor 30. April 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Veit, Joachim

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 103 (30. April 1817), Bl. 2v

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