Aufführungsbesprechung Mannheim, Großherzogl. Schaubühne: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 26. und 27. Dezember 1822 (Teil 2 von 2)

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Preciosa

[Beschluß.]

Da gewann denn besonders Preciosa, durch ihren feinen Anstand und durch ihre himmlischen Reitze, das Herz eines jungen, vornehmen, liebenswürdigen, schönen und reichen Ritters, aber sie schlug ihn aus, und wollte nur unter der Bedingung die Seinige werden, wenn er unter den Zigeunern lebend, nach einer zweijährigen Prüfung ihr treu und werth bliebe. Endlich findet es sich nach mancherlei Zügen und Schicksalen, daß sie die geraubte Tochter einer vornehmen Familie ist, mit Freuden wird sie von ihren Eltern anerkannt und der schöne Ritter wird der glückliche Gatte des nunmehro ebenbürtigen Fräuleins.

Daß diese, wenn auch einfache, doch so liebliche und dem romantischen Leben angehörige Novelle, wie solche Hr. Wolf für das Theater bearbeitet hat, bei sorgfältiger szenischer Ausstattung und guter Darstellung, des Beifalls nicht ermangeln kann, hat sich überall bestätigt, und der Zuschauer würde sich an der Fabel des Stücks versündigen, wenn er von ihr ein höheres Interesse und mehr Verwickelung in den Ereignissen verlangen wollte. Alles beruht auf der würdigen Besetzung der Heldin des Stücks, auf die Liebe des Ritters zu ihr, und auf Preciosens Wiedererkennung im elterlichen Hause. Die Phantasie kann nur ausschmücken, und die herrliche Musik des geistreichen Tonsetzers muß das Ganze beleben.

Die treffliche Künstlerin Mad. Neumann vom Karlsruher Hoftheater gab die Preciosa durchaus mit dem Gepräge ergreifender Wahrheit, Anmuth und Schwärmerei, und wenn auch die leidenschaftlichen Bewegungen der Seele nicht immer in hinreissenden Akzenten lyrische Begeisterung hören liessen, wenn auch zuweilen eine gewisse kalte studirte Abgemessenheit sie begleitete, und sich jene Leiden und Freuden der Seele in den Mienen des Gesichts sprechender hätten abmalen können; wenn auch der mehr rezitirte als gesungene Vortrag ihrer Musikpartien, und, hinsichtlich des Tanzes, ein Paar leichte Pas in schön gruppirten Stellungen, kein vollendetes Kunstwerk bildeten; so hat doch die verehrte Künstlerin eben durch diese Einfachheit, nach meiner Ansicht, sich dem Bilde genähert, welches wir uns von der Unschuld und Reinheit einer funfzehnjährigen Schönheit machen müssen. Vorzüglich gelangen ihr: Die Szene mit der Zigeuner-Mutter, jene mit Don Contreras und seiner Petronella, und die wahrsagende mit Don Alonzo, ihrem Geliebten; also diejenigen wo Naivität der vorherrschende Charakter ist.

Herr Löwe gab den galanten und schwärmerischen Don Alonzo ganz im Geist der ächten Chevalerie; wie ihm denn überhaupt alle phantastische Rollen immer vortrefflich gelingen.

Die alte, im Geschmack des Abällino, schauerlich ausstaf|firte Zigeuner-Mutter Wiarda, ward von Mad. Löwe* in so großer Vollkommenheit dargestellt, daß die Wirkung des Abscheus vor deren Häßlichkeit verschwand, und sie dem Zuschauer den vollständigsten Beifall abnöthigte.

Von den übrigen Figuren des Schauspiels, welche nur zum Rahmen des uns anlachenden Bildes dienen, will ich nur noch des Schloßvogts Pedro erwähnen. Herr Obermayer* ein Meister im Groteskkomischen, welches in das Gebiet der Karikatur hinüberstreift, gab die originellen und ergötzlichen Einfälle dieses Peter de Plaisir – wie er sich selbst nennt – mit so unvergeßlich guter Laune, daß sicher mehrere derselben, zu stehenden Sprichwörtern im Mund des Volks bleiben werden. Erlach.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

    Einzelstellenerläuterung

    • „… , ward von Mad. Löwe“Johanna Löwe, geb. Tost, Ehefrau von Ferdinand Löwe, von Mai 1820 bis März 1824 sowie Januar 1827 bis November 1827 am Mannheimer Theater tätig.
    • „… Schloßvogts Pedro erwähnen. Herr Obermayer“Franz Obermayer, von Mai 1821 bis April 1824 am Mannheimer Theater tätig.

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