Carl Reinecke an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Leipzig, Freitag, 30. Dezember 1870
Hochverehrter Herr Professor!
Nehmen Sie meinen herzlichsten u. aufrichtigen Dank für Ihre liebenswürdigen Zeilen u. die darin enthaltene mir sehr werthvolle Mittheilung. Herzlich bedaure ich, daß Sie den Ausflug nach Leipzig mit einer bösen Grippe haben bezahlen müssen u. freue mich nur, daß Sie nunmehr | wieder ganz hergestellt sind.
Also jetzt hat sich’s herausgestellt, daß nicht Beethoven, sondern Wagner selbst für die „Frechheit“ schwärmt. Es ist nur zu bedauern, daß dergl. freche Behauptungen stets Tausende von Gläubigen finden u. oft die Entgegnungen theils nicht geglaubt, theils nicht gelesen werden. Man | denke an den „Sehnsuchtswalzer von Beethoven“ u. an den „letzten Gedanken von Weber“* welche, trotz aller Proteste noch von Millionen für echten Beethoven und echten Weber gehalten wurden.
Und nun noch einmal herzlichsten Dank u. beste Grüße von Ihrem
ganz ergebenen
Carl Reinecke
Leipzig 30/12 70
Apparat
Zusammenfassung
dankt für wertvolle Mitteilung, äußert sich über Komponisten zugeschriebene Kompositionen und erwähnt dabei auch Webers „Letzten Gedanken“
Incipit
„Nehmen Sie meinen herzlichsten u. aufrichtigen Dank“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Stockholm (S), Stiftelsen Musikkulturens främjande (S-Smf), Nydahl Collection
Signatur: Ser. I, Nr. 3286Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (2 b. S. u.Briefumschlag)
- PSt: LEIPZIG 30|12|70
- am oberen Rand der recto-Seite von F. W. Jähns: „Carl Reinecke, geb. 1824. Kapellmeister | in Leipzig (Gewandhausconcerte) Ausge | zeichneter Componist. Professor (Schuberth, | Mendel pp) an F. W. Jähns.“
Einzelstellenerläuterung
-
„… den letzten Gedanken von Weber“Komposition von C. G. Reißiger, Nr. 5 aus dessen Danses brillantes pour le Pianoforte op. 26.