Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 21. Februar – 19. März 1815
Theater.
Prag den 21. Februar. – Zum Besten des Herrn Ferdinand Polawsky: Die Räuber auf Maria Kulm. Ein vaterländisches Gemälde in fünf Aufzügen, von H. Kuno. – Dieses Stück, welches sich auf eine Sage des Elbogener Kreises gründet, ist in der That ein wundersames Gemisch von Interesse und Langweiligkeit, und eine der sonderbarsten Compositionen, die je auf die teutsche Bühne gekommen sind. Die mannhafte Tochter eines Burgvogts ist in ihren weibischen Junker verliebt, geht an seiner Statt, das verlorene Damenbret* des Vaters aus der Kulmer Capelle zu hohlen, die als Zufluchtsort einer Räuberbande bekannt ist, entdeckt die Urheber der Räuber, ist Zeuge zweyer Mordthaten, wird durch Wunder aus der Gefahr errettet, fängt die Bande durch eine Maskerade, und wird endlich dem Junker vermählt. Dieß ist mit sehr viel Glauben, einigen Brocken von Räuberphilosophie verziert, mit einer Menge von Scenen und Gesprächen, die gar nicht zum Zweck gehören, ausgestattet, und wimmelt von recht handfesten Coups de Theatre; diese, und das außerordentlich schöne Spiel der Mad. Schröder als Bibiana haben dem Werke einen ganz rasenden Beyfall verschafft. Die Künstlerinn wird jedes Mahl schon nach dem dritten Acte heraus gerufen, und die Logen und gesperrten Sitze sind schon für drey bis vier Vorstellungen voraus vergeben. Seit der vielgefeyerten Aschenbrödel kann sich kein Stück eines solchen Glückes rühmen.
Den 7. März zum Besten des Herrn Capellmeisters Carl Maria v. Weber: Die Zauberprobe, oder: So sind sie Alle, romantische Oper in zwey Aufzügen nach dem Italienischen von Treitschke, mit Musik von Mozart. – Herr Tr. hat ein großes Werk unternommen, aber, nach unserer Meinung wenig¦stens, nicht auf die glücklichste Weise durchgeführt; die Zauberey in dieser Oper hat keine poetische Nothwendigkeit, und ergreift nicht. Übrigens ward der Magier vom Herrn Siebert so schlecht gespielt, und so schwach gesungen, daß diese wichtige Rolle ganz in Schatten trat. Die beyden Liebhaber wurden ebenfalls weder durch Gesang noch Spiel gehoben, und die ganze Last ruhte auf den Damen, die sie denn natürlich allein nicht zu ertragen vermochten. Dlle. Brand gab den Genius recht brav; in minder günstigem Licht erschien Dlle. Böhler als Isabella, die neben Laura (Mad. Grünbaum) zu sehr verdunkelt ward. Diese Oper ist erst zwey Mahl gegeben worden*.
Den 19. März. Zum Besten des Taubstummeninstituts: Der Taubstumme, oder: Abbé de l’Epée, von Kotzebue. – Dieser Tag (Der Palmsonntag) und dieses Stück sind schon seit mehreren Jahren regelmäßig der Unterstützung dieser wohlthätigen Lehranstalt geweiht, und regelmäßig fällt dem jedesmahligen Liebling des Publicums zu, einen Prolog darzusprechen (!). Heuer fiel das Loos auf Mad. Schröder, welche einen Prolog von Herrn B. A. Ehrlich mit dem nur ihr eigenen Ausdruck vortrug.
Die Aufführung des Stückes war in den meisten Theilen gelungen zu nennen. Vorzüglich schön gab Herr Seewald den Abbé de l’Epée, Herr Wilhelmi den Darlemont, und Herr Bayer den Advocaten Franval. Das weibliche Personale ließ Manches zu wünschen übrig.
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Schaffer, Sebastian
Überlieferung
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Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 7, Nr. 46 (18. April 1815), S. 200
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… seiner Statt, das verlorene Damenbret“vgl. J. Chr. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, rev. und berichtigte Ausgabe von Fr. X. Schönberger, Wien 1811, Bd. I, Sp. 1375, Art. Dambrêt: „das Bret oder der breterne Kasten, auf welchem man die Dame spielet; auch wohl das Damenbret“.