Carl Maria Webers Oberon (Teil 6/8)

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Carl Maria Weber’s Oberon.

Fortsetzung.

Man werfe hier nicht ein, dass bei unserer Anordnung der erste Akt zu lang geworden wäre; der ¦ zweite würde es nicht, da jene Schiffscene bloss an die Stelle der langen Arie der Rezia und jener Ausfüllungsstücke der Fatime u. s. w. zu kommen brauchte. Das führt uns auf die lange Arie des Huon im ersten Akt. So schön der zweite Theil namentlich durchgeführt ist, bildet sie doch eben solchen, durch das lange Geschwätz der alten Mutter der Fatime nicht erfreulich introduzirten und motivirten Stillstand, ist fast ebenso herbeigezogen, ist dramatisch hemmend, und bliebe vielleicht in dieser Gestalt auch besser weg.

Wir sind an dieser Stelle gegen unsere eigentliche Absicht, nur von dem Texte selbst, wie er vorhanden, nicht von dem, was aufgenommen hätte werden sollen, zu sprechen, weitläufiger gewesen, um unsere Ansicht von der grossen Ergiebigkeit des Stoffes gegen eine Behauptung zu vertheidigen, die wir in einem Aufsatze von Herrn Gehe über den Oberon, in der eleganten Zeitung gefunden haben. Dort wird dem ganzen Stoffe musikalische Brauchbarkeit abgesprochen, und eben jene Arie der Rezia auf der Insel als Beleg dazu angeführt. Die Sache ist eben die, dass was im Weber’schen Oberon für die Musik benützt ist, zum eigentlichen Sujet gar nicht gehört, wie jene Arie des Huon, die der Rezia, die ganze Erscheinung der Fatime, das was dramatisch in ihm aber theils ausgelassen, theils der Rede blos übergeben, theils höchst nothdürftig behandelt ist, wie wir eben zu beweisen strebten.

Wir haben bis jetzt hauptsächlich mit dem Buche und dem Dichter zu thun gehabt, und wenden uns nun zu dem Componisten. Hier kommt uns zuerst zu, denn sonst würde das weitläufige Sprechen über das Buch statt einen Vorwurf für diesen, eine Entschuldigung begründen, was unsere Absicht nicht war, – hier kommt uns also zuerst zu, zu beweisen, dass der Dichter selbst äusserlich die Schuld des Buches nicht allein trägt. Auch sogar der deutsche Uebertrager, dem von allen Seiten die an sich gegründetsten Vorwürfe von holprichen, schwerfälligen, unmusikalischen Textworten, die dem Sänger beinahe in der Kehle stecken bleiben, und ihm, wie dem Huon in der Arie: „ich juble nun in Freude, ¦ und Hoffnung neu,“ fast den Athem versagen, gemacht worden sind, ist davon sehr frei zu sprechen. Nach seiner eignen Aussage in der Vorrede zu dem vorerwähnten Buche von Weber, „Künstlerleben“* hat Th. Hell unter der strengen Aufsicht des Componisten gearbeitet, ja dieser hat, wie er sagt, sehr oft passendere Ausdrücke gewählt. Dann sind im Englischen Texte die Worte eben so hart; so heisst jene Stelle dort: I revel in joy and hope again – rewel wird das Wort im Englischen bekanntlich ausgesprochen, und ist da die Härte nicht kleiner als in juble. Das Lied ist in Jamben. Nun ist das jambische Versmaas der Musik nur eingeschränkt günstig. Es ist unendlich monoton und unabwechselnd, der Tod für den musikalischen Rhythmus, daher für ernste, langsame Weisen. So in dem klagenden Liede:

O Araby, o ArabyMy own, my native land!

Dort ist aber ein Jubeln, ein schneller Rhythmus in der Musik; daher sind die viersylbigen Jamben so schwerfällig. Nun ist die englische Sprache deshalb der Musik so ungünstig, weil sie zu viel einsilbige Worte hat, weshalb die Dichter zugleich, um nur den vorgeschriebenen Rhythmus herauszubringen, sich so viel harte Zusammenziehungen erlauben müssen, aus denen wieder so viel unwohlklingende Unregelmässigkeiten entstehen. Man höre nur das Solo des Huon in der 18ten Scene des dritten Akt’s;

There is no beauty in womans eyewhen it burns with unholy brilliancy!Tis like the glare of the sightless deadwhen the soul which should kindle their orbs hath fled!

Hier erscheint zugleich der Jambus in seiner ganzen unmusikalischen Schwerfälligkeit. Wird nun nach diesem Versmaas componirt, so muss auch das Deutsche untergelegt, und zusammen gezogen werden. Nun ist aber der Jambus im englischen Liede überhaupt gar nicht durchaus vorwaltend. Im Gegentheil sind ihre Balladen und Volkslieder meist daktylisch und trochäisch, mit einem Jambischen Vorschlage, oder abwechselnd, wie wir aus den Balladen ersehen. So hat Planché selbst trochäische und daktylische Maase, und es hätte daher Weber, wenn ihm ¦ ein Einfluss auf das Gedicht zu Gebote stand, was doch durchaus in diesen Dingen nöthig, und auch im vorliegenden Falle ausführbar sein musste, selbst den Dichter zu Abänderungen bewegen müssen.

Der Hauptfehler aber an Planché’s Versen ist zugleich auch der Mangel an Abwechslung der Zeiten, eine ist so lang als die andere; meistentheils alle Sylben männlich, oder alle Sylben weiblich, wodurch die unmusikalische Monotonie nur noch grösser wird. Nun hat aber Th. Hell ausdrücklich auf dem Titel seines Textbuches gesagt, der Musik Webers untergelegt, – und zwar nicht bloss von seiner Uebersetzung, sondern von Planché’s Texte überhaupt. Unsinn wäre, anzunehmen, die Lieder und Gesänge seien erst ohne Text gemacht, und jener dann dazu. Eine blosse Schmeichelei, wie viele vermuthen ist’s auch nicht, da solche sonst zu grob wäre. Nur klar wird daraus, dass Webern an dem Texte dasselbe Mitwirken zuzuschreiben ist, wie bei der Euryanthe, welche Frau von Chezy, wie bekannt, viermal wenigstens hat ganz umarbeiten müssen. Auch hier hat die Dichterin wegen ihres, theils undramatischen, theils oft, wie z. B. bei der Stelle: und niemand weiss im grünen Mai, was Rose und was Mädchen sei*, –lächerlichen Textes, den herbsten Spott aushalten, und sich mit dem Willen des Componisten vertheidigen müssen. So ist auch hier also mit Recht anzunehmen, die ganze Oper sei nach Webers Angabe im Ganzen, wie im Einzelnen verfertigt worden, was darum beide Dichter mit dem Titel ihrer Textbücher haben andeuten wollen. Nach Webers ganzem Sinn, seinem Selbstdenken und seinen selbständigen, oft schroff sich aussprechenden Ansichten ist diese Annahme nur zu begründet. Wir heben das deshalb um so schärfer hervor, um darauf aufmerksam zu machen, wie wenig gut es thut, wenn der Componist den Dichter nur zu seinem Werkzeuge machen will. Poesie ist in ihrem Wesen eine so ganz andere Sache als Musik, jede Kunst nimmt für sich den ganzen Menschen so ein, dass eine für die andere nicht viel Raum im Schaffen übrig lässt, dass derselbe Mensch das höchste in der Poesie, ein Drama zu entwerfen, und dass höchste in der Musik ein Drama zu componiren, vermöchte, soll nicht eine ¦ Zwittergeburt herauskommen. So lies Hofmann selbst wohlweislich seine Undine von Fouque bilden, und doch waren seine Kräfte schon zu getheilt, um etwas Grosses hervorzubringen. Eben nur, wenn zwei ganz verschiedene selbständige Kräfte zu einander stossen, die sich nachher nur durch Hinzuthun oder Wegschneiden der Nebendinge in der Form in einander schmiegen, entsteht jene Dioskurengestalt die unvergänglich am Horizonte der Kunst glänzt. (Fortsetzung folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Münchener allgemeine Musik-Zeitung, Jg. 1, Nr. 47 (23. August 1828), Sp. 744–748

Textkonstitution

  • „dass“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… Buche von Weber , Künstlerleben“Vgl. Bd. 1 der Schriften-Ausgabe von Th. Hell.
  • orecte „dear“.
  • 18tenrecte „4ten“.
  • „… Rose und was Mädchen sei“Akt III, 4. Szene.

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