Carl Maria Webers Oberon (Teil 8/8)

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Carl Maria Weber’s Oberon.

Schluss.

Sind wir nun darüber einig, machen wir nicht Forderungen, die er nicht gewährt, dann können wir uns nun auch mit ganzer Seele und vollem Herzen dessen freuen, was er in seiner ihm eigenthümlichen Kunstsphäre uns Grosses und Herrliches auch unverkennbar im Oberon gegeben. Ohne Uebertreibung lässt sich da sagen: wir könnten in einem Meere von Wonne schwimmen, erliesse man uns das dramatisch sein sollende im Oberon, und führte die einzelnen Musikstücke uns hintereinander vor. Im höchsten Sinne getroffen, hat er das leichte, liebliche, halbwehmüthige, sanfte, flatternde Elfenwesen im ersten Chor; unendlich getroffen das der Natur malend Abgelauschte im schläfrichen monotonen Sein der Verschnittenen im Finale des 1ten Aktes, im schönen Contraste mit der leidenschaftlich lebendigen Rezia; unendlich getroffen ferner das orientalische Blumen- und Zephyrwesen im Liede der Fatime: Al, al, al, al, u. s. w. das düstre Geisterwehen in der, zugleich für den Akt im höchsten Sinne treffend und passend componirten, Arie des Puck: Geister der Luft, wo besonders das Citiren im „kommt hieher!“ von der ergreifendsten Wahrheit ist. Herrlich musikalisch durchgearbeitet ist das leider viel zu kleine Terzett: Geist hoch verehrt – namentlich bewegt der den Gedanken zwischen durchführende, vorschlagende und in die Dominante wieder mit den übrigen Stimmen zusammenführende Bass das Herz bis zum Beben. Eben so unvergleichlich ist das einfache, von unsern Babbnig mit dem rührendsten Ausdruck gesungen, Gebet Huons in der Inselscene; das „auf mich, auf mich“ – ist der Triumpf der Worte und Gedanken wiedergebenden Musik. Das Poetischste, Rührendste war aber für Referenten das Finale des zweiten Akts; das einfach stille Lied der Meermädchen „o wie wiegt sich’s so schön auf der Fluth“ – die eintretende Stille nach dem Sturm, das Wiegen der Töne im Lied, wie in der Instrumentalbegleitung, der poetische Gedanke, wo Scenerie, Gedicht und Musik im vollsten Einklange sind, und uns das ¦ andere ergänzen, machen unbeschreibliche, bis zu Thränen der Rührung und Erhebung, bringende Wirkung. Der originelle Chor in der Höhle, die einfach stille erhabne Beschreibung des Ocean im Recitative der Rezia – alles das sind einzelne Glanzpunkte in unserm musikalischen Reiche, die nie untergehen, die stets gehört, studirt und wieder studirt werden müssen, wie die Natur zu belauschen, wie Gedanke und Wort in Tönen wiederzugeben ist.

Wir wiederholen es noch einmal, dass, wenn Weber da verstummt, wo er aus dem Allgemeinen eine eigne Schöpfung hervorrufen soll, er da, wo er Originelles, bestimmtes, individualisirtes Leben, wo er Gedanken und Worte wiederzugeben hat, ein unvergängliches Muster für alle Zeiten ist. Hat er uns keine bleibende Oper, kein grosses Ganze schaffen können, so hat er auf seiner wackern, unermüdlichen Künstlerbahn uns Juwelen gelassen, die wir alle, und die Kritik vor Allem, fest halten müssen, um jeden sich von der Natur, dem guten Sinne, der Wahrheit verirrenden Kunstjünger darauf hinzuweisen, dass er sich an ihnen schleife. Darum müssen wir mit Verehrung und Dank zu ihm zurückblicken, darum ist sein Dagewesensein nicht vergebens; sondern von dauernder Wirkung. Denn weil er gerade das Scharf sich hervorhebende vor Allem oft und glücklich scharf und gut wieder gegeben, kann an ihm sich die Kunstkritik in ihren Theorien suppliren, wo die grossen ewigen Schöpfungen unsrer grösten Geister nicht hindeuten. Und wenn die Kritik auch nie Genien hervorzubringen und bilden helfen wird, kann sie doch einmal das Volk selbst zum Verstehen grosser Schöpfungen heranbilden und jenen erst die eigentliche Wirkung verschaffen, dann aber Talenten unendlich viel sein. Da aber die bange Natur zur Hervorbringung von Genien Jahrhunderte braucht, während sie öfter uns gütig mit Talenten beschenkt, ist jene Kritik ein so wünschens- und ehrenwerther Gegenstand, den man auch im schwachen Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen gewähren lassen muss. –

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Münchener allgemeine Musik-Zeitung, Jg. 1, Nr. 49 (6. September 1828), Sp. 781f.

Textkonstitution

  • „unsern“sic!

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