Aufführungsbesprechung Königsberg: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 12. November 1826

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Sonntag, den 12. Novbr. Preciosa, Romantisches Schauspiel in 5 Akten von Wolff, Musik von Weber.

Es ist in den ersten dieser Blätter bereits eine weitläufige Beurtheilung dieses Machwerks der neuern Dichtkunst erschienen, daß es eine überflüssige Wiederholung wäre, wenn wir uns mit einer kritischen Beleuchtung desselben befassen würden. Es sey uns nur erlaubt, mit wenigen einfachen Worten soviel davon zu sagen, als wir für nöthig halten, um die Darstellung gehörig beurtheilen zu können. Preciosa ist ein auf Theatereffekte berechnetes Stück, ohne Intrigue, ohne scharf gezeichnete Charaktere, die alte Zigeunermutter ausgenommen, welche der Dichter nächst der Preciosa mit einiger Liebe behandelt hat. Die Nachahmung der spanischen Verse ist mitunter schlecht und nicht angenehm für die Zuhörer. Die komischen Scenen des Pedro, so wie des Polizeilieutenant sind matt, und es bleibt den Komikern zu wenig Spielraum, so daß diese Scenen, wenn sie den Reiz der Neuheit verloren, keine Wirkung mehr auf das Publikum machen. Bei der Heldin des Stücks mag wohl der Verfasser gefühlt haben, daß er zu wenig für sie gethan; er läßt also der Darstellerin dieser Rolle durch eigne Talente, Gesang und Tanz, das fehlende ersetzen, – schwierige Aufgaben für eine dramatische Darstellerin. Wie sehr De. Carol. Kupfer* Genüge geleistet, bewies der ungetheilte Beifall, der ihr zu Theil wurde. Wenn die vorige Darstellerin Mad. Henne, auch nicht allen Anforderungen genügte, so verdient sie doch nicht die hämischen Glossen, die der anonyme und animose Verfasser einer Beurtheilung in einem auswärtigen Blatt, über sie ausspricht. ¦

Nur der herrlichen, genialen Musik unseres leider zu früh abgeschiedenen Weber verdankt Preciosa ihre Erhaltung auf allen Repertoirs. Die Ouvertüre bereitet auf das unstete Treiben des durch das ganze Stück verwebten Zigeunerlebens vor. Die Musik des Melodrams im 1sten, so wie des im 4ten Akt, drückt die Liebe, die Sehnsucht, den Schmerz und die Resignation der elternlosen Preciosa mir der höchsten Wahrheit aus, und sind Tongemälde, die den Laien und Musikkenner zur Rührung und zur Bewunderung hinreißen. Die Chöre sind genial und herrlich. Das Morgenlied im 2ten Akt (f dur) und der Jubelgesang im letzten Akt sind in Hinsicht der Instrumentirung Meisterstücke. – Einfach und schön ist die Ariette Preciosas, und die obligate Begleitung des Horns und der Flöte von höchster Wirkung. So einfach diese Arie scheint, so schwer ist sie rein zu singen, denn da Preciosa sie größtentheils im Hintergrunde vorzutragen hat, so kann sie sich an die Begleitung der Saiteninstrumente im Orchster, die fortwährend pizzicato gehalten ist, nicht fest halten und es gehört eine sehr sichere Intonation dazu, um nicht zu distonieren. – Dieses sey genug, über Dichtung und Musik, um darzutun, daß nur ganz allein der Beifall der Vorstellung, von dem guten Spiel der so schweren Partie der Preciosa abhängt.

Dem. Carol. Kupfer war im strengsten Sinne des Worts eine Preciosa. Wir wollen nicht von den äußern Vorzügen, mit denen die Natur sie reich ausgestattet, reden, und die, gehoben durch ein geschmackvolles, ideales Kostüm, sie zu einer der anmuthigsten Erscheinungen auf der Bühne machten; sondern wollen nur einzelne Momente aus ihrer durchweg gelungenen Kunstleistung herausheben. Mit hinreißender Zartheit sprach sie das erste Melodram, und ihr sonores Organ vereint mit der schönen Musik, bildeten das schönste, harmonische Gemälde. Mit ungezwungener Leichtigkeit bewegte sie sich im Tanze, mit lieblicher Naivität weissagte sie Alonzo Glück. Ihr Gesang war ansprechend, und der herrlichste Punkt | ihrer Leistung[,] die Scene im 2ten Akt, in der sie mit unnachahmlicher Lieblichkeit, mit jungfräulicher Schelmerei den Charakter ihres Lieblings aus seinen Gesichtszügen deutete. Mit gleicher Wahrheit gab sie die Wiedererkennung ihrer Eltern, und trefflich nüancirt die Schüchternheit, als sich ihr Bruder ihr als solcher zu erkennen giebt. Mit einem Worte: diese Leistung reiht sich würdig ihren frühern Darstellungen an. Allgemeine Anerkennung ihres Talents erhielt Dem. Carol. Kupfer durch vielfache Beifallsbezeugungen während, und durch einstimmiges Hervorrufen nach der Vorstellung. – Bescheiden dankte die Künstlerin. – Mad. Krosek (Viarda) Herr Piehl (Zigeunerhauptmann) und Herr Stölzel (Alonzo) spielten mit Fleiß und Liebe, nur verdient der Letztere doch wohl eine Rüge, daß er in der letzten Scene des Stücks gegen die Vorschrift in seiner Zigeunerkleidung auftrat. – Mad. Kupfer, (Donna Clara) repräsentirte mit Würde diese spanische Dame. Die Erkennungsscene der Tochter wurde mit bezeichnender Wahrheit gegeben. – Die übrigen Rollen in den Händen der Herren Tannhoff, Fromm, Vio, Lange*, ließen wenig zu wünschen übrig. – Die Chöre gingen mit der größten Präcision; unter den Tänzern zeichnete sich die kleine Greimel aus. – Die scenische Anordnung des 2ten Akts und der Schlußdekoration sind das Verdienst der Regie und des Theatermeisters. Ihnen unsern Dank. –

Ln.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Königsberger Theaterblatt, Nr. 5 (14. November 1826), S. 519–20

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Wie sehr De. Carol. Kupfer“Caroline Kupfer (gest. 2. August 1850), jüngere Tochter von Elise Kupfer, im Winter 1826/27 am Könisgberger Theater engagiert.
    • „… Fromm , Vio , Lange“Laut AmZ, Jg. 29, Nr. 11 (14. März 1827), Sp. 189 in der Spielzeit 1826/27 am Königsberger Theater als „hoher Tenor, ist als Komiker nicht unbeliebt“.

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