Ludwig Nohl an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
München, Montag, 4. Mai 1868

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Verehrter Herr.

Seit c. 4 Wochen liegt Ihr früherer Brief von neuem zur Beantwortung da. Die außerordentliche Fülle meiner Beziehungen und Geschäfte in Folge der vielen Reisen lassen mich immer erst allmälig zur Briefschreiberei kommen. Auch konnte ich Ihnen immer noch keine rechte Antwort geben und kann auch jetzt weiter nichts sagen, als daß das Facsimile des Weberbriefes vom 30. Mai an Gänsbacher vom Hofrath Dr. Dessauer* hier dem sehr bekannten Autographisten ist, der es in irgend einer Autographensammlung* — wußte selbst nicht wo — selbst gemacht hat. Das muß leider genügen bis wir näheres erfahren, durch Zufall vielleicht.

Sonst gratulire ich zum Vorschritt in der Arbeit des Catalogs. Der Hauptzweck meines Schreibens aber sollte sein, Sie zum endlichen Beginn der Veröffentlichung von Webers Briefen zu bringen. Es ist höchste Zeit dazu, mehr fast als zum Catalog und wird auf diesen erst wieder gehörig aufmerksam machen. Die ganze neue Entwicklung unserer Kunst ist ohne Weber (und ohne Schumann) nicht zu begreifen, also vorwärts, vorwärts, vorwärts! Sie haben ja schon mehr als 600 Briefe, das ist eher zuviel als zu wenig. Treffen Sie eine Auswahl, kürzen Sie, seien Sie nicht zu pedantisch mit der Vollständigkeit, nicht zu umständlich mit Anmerkungen pp. Es kommt auf die Sache an und die liegt in den Briefen selbst, das Weitere thut die Biographie, die erst dann möglich ist. Sehen Sie meine Mozartbriefe an*. So machen Sie’s auch, dann kommt das Buch auch wirklich ins Publikum und darauf kommts zunächst an. Aber vorwärts, vorwärts, vorwärts!

Noch diesen Herbst muß das Buch erscheinen , hören Sie, und dann der Catalog, dessen Druck ohnehin mehr Zeit kostet. Aber wie gesagt nicht zu umständlich und pedantisch, — unser aller Deutscher Fehler!

NB kennen Sie die Briefe an Susann veröffentlicht Wiener Zeitschrift 1843 No 1 ff der erste vom Augsburg 23. Dez. 1802, dann 30. Juny 1803, Wien 8. Oct. 1803, 18. Oct. 1803. 11. Nov. 1803. 2. April 1804, 10. Apr. resp. 8. Mai, 12. Juni 1804, München 14. Nov. 1811. 26. July 1815, Dresden 2 März 1817, 22. März 1822. Sehr interessant. Ich kann Ihnen den Band schicken.

Hier noch eine Kleinigkeit die Sie aber wohl bereits besitzen.

Ein interessantes Notenblatt mit kurzem Schreiben von London an S besitzt Senator Kulemann in Hannover*, der Ihnen dasselbe gewiß gerne einschickt resp. die Worte copirt. Berufen Sie sich auf mich.

Ihre Pintoarbeit hat mir sehr wohl gefallen. Machen Sie dergleichen nur mehr, es fördert die Sache sehr.

Also mit den Briefen vorwärts u. zwar so in einem Bande kurzweg wie die Mozarts.

Adieu. Ihr aufrichtig ergebener
Ludwig Nohl.

Was in meinen Musikerbriefen steht, dürfen Sie getrost abdrucken.

Also vorwärts, vorwärts! Es müßte schon längst da sein! Wer wird so etwas so lange im Kasten ruhen lassen?

Da sehen Sie mich an. Ich packe die Sache anders an, lasse der Unvollständigkeit u. s. w. wegen weidlich auf mich schimpfen, setze gar meinen gelehrten Professorenruf ganz aufs Spiel, aber ich weiß, ich nutze dem Publikum, nutze der Sache, also Vorwärts, vorwärts!!

Apparat

Zusammenfassung

teilt ihm Provenienz zu einem Brief vom 30. Mai von Weber an Gänsbacher mit, gratuliert zum Fortschritt an den Arbeiten an seinem Katalog und beschwört ihn, doch endlich mit einer Weber-Briefausgabe anzufangen; gibt Einblick in seine Arbeitsweise, die zwar umstritten ist, aber sie diene dem Publikum; macht ihn aufmerksam auf die Susan-Briefe in der Wiener Zeitung 1843 und weist ein Notenblatt mit kurzem Schreiben (aus dem Oberon) nach, das Senator Kulemann in Hannover besitze

Incipit

Seit c. 4 Wochen liegt Ihr früherer Brief

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 459

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Weberiana 23 (2013), S. 105–107

Textkonstitution

  • „30“sic!
  • „dem sehr bekannten Autographisten“am Rand hinzugefügt
  • „muß leider“über der Zeile hinzugefügt
  • „Augsburg“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Gänsbacher vom Hofrath Dr. Dessauer“Georg von Dessauer (1795–1870), Wirklicher Hofrat und Rechtsanwalt in München.
  • „… es in irgend einer Autographensammlung“Vermutlich jene von Aloys Fuchs in Wien.
  • „… Sie meine Mozart briefe an“Mozarts Briefe. Nach den Originalen, hg. von Ludwig Nohl, Salzburg 1867.
  • Märzrecte „Dezember“.
  • Srecte „Winkler“.
  • SAbk. von „Schlesinger“.
  • „… besitzt Senator Kulemann in Hannover“Friedrich Culemann besaß zwei Notenautographe Webers: dessen Abschrift des Liedes „Non far la smorfiosa“ mit neuer Textunterlegung „Jez sei nit so sprödig“ sowie ein Fragment des Oberon-Klavierauszuges (Nr. 22, T. 107 bis Schluss).

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