Ernst Hellwag an Max Maria von Weber
Eutin, Samstag, 29. Oktober 1853
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[Überschrift von F. W. Jähns:]
Schreiben
des Reg. Raths Hellwag Senators in Eutin
an
Max von Weber,
Sohn Carl Maria’s von Weber
über dessen Familie von
Copie nach dem Hellwag’schen Autograph.‡
1853.
Euer Hoch und Wohlgeboren
wollen gütigst verzeihen, daß Ihr geehrtes Schreiben vom 5. vor. Mts. erst jetzt von mir beantwortet wird.
Leider ist es mir nicht möglich gewesen, Ihnen die an das hiesige Festcomité eingesandten Papiere Ihres Großneffen, welche derselbe, als ihm nicht gleich Bescheid geworden, dringend zurück verlangt hat im Original oder in Abschrift mitzutheilen. – Indessen bin ich im Stande, Ihnen im Anschlusse eine Designation derselben, wie sie abschriftlich, aber vom Mannheimer‡ Landgericht beglaubigt, hier vorlagen, zu übersenden, aus welcher Sie wenigstens werden entnehmen können, in wie fern es für Sie von Interesse sein möchte, Sich dieselbe von dem Besitzer, welcher ohne Zweifel kein andrer ist, als Ihr Großneffe selbst, zu erbitten. – Letzterer ist nach dem Fürschreiben, dem die Familien-Papiere beilagen, seit 1¼ Jahren in der Canzlei des Königl. Bayerschen Landgerichts zu Monheim im Kreise Schwaben und Neuburg beschäftigt und wird von demselben wegen seines ehrenhaften Characters u. seiner ausgezeichneten Brauchbarkeit u. Strebsamkeit sehr gerühmt. – Von seinem Vater Friedrich von Weber* wird gesagt, | daß er zur Zeit in Sonneburg bei Koburg lebe.* – Das Fürschreiben ist nicht von dem gedachten Landgericht als solchem erlassen, aber von dem Vorstande desselben: Freyh. von St. Marie Eglise, Königl. Bayr. Landrichter u. einigen anderen Personen, worunter auch zwei Landgerichtsassessoren, unterzeichnet. In Beziehung auf die Anlagen bemerkte Ihr Großneffe noch auf einem besonderen Blatte: Franz Anton von Weber (Carl Maria’s Vater) habe als Chur-bayerscher Major im siebenjährigen Kriege (1756–63) bei der Reichsarmee gedient, und sei nach dem Kriege entlassen,* Amtmann und Hof-Kammer-Rath in Diensten des Fürstbischofs von Hildesheim geworden, wo sein Sohn Edmund von Weber das Licht der Welt erblickt habe. Später sei er dann wieder als Major in die Dienste des Churfürsten von Trier getreten, und mit diesem, der zugleich Bischof von Augsburg gewesen, dahin geflohen, als in den neunziger Jahren die Franzosen Trier in Besitz genommen,* und habe von da an nur seinem Sohne Carl Maria gelebt. Der dritte Sohn Franz Anton’s von Weber,: Friedrich von Weber Fritz (Fridolin) Er war geb. 1761 der älteste von Fr. Ant’s Söhnen dessen 2tesKind.‡ sei zu Hamburg im Jahr 1853 oder 1854 als Musikus am Stadttheater daselbst unverheirathet Er war verheirathet mit Babett geb. Wild (Max v. Webers Lebensbild: C. M. v. W. Bd. I, p. 22)‡ gestorben. Carl Moritz von Weber sei der Sohn des Kapellmeisters (nicht Schauspieler) Edmund von Weber und seine Ehefrau, eine geborne Spitzeder, eine Schwester von Mozart’s Frau.* Ihr Sohn dann Ihr zu Monheim lebender Großneffe Friedrich von Weber.
Man hat es hier außerordentlich bedauert, daß Ihnen Ihre Dienstgeschäfte nicht haben gestatten wollen an unsrer gar heiter begangenen Gedächtnißfeier für Carl Maria wobei eine Erztafel an dessen Geburtshaus angebracht wurde 12. Sept. 1853.‡ persönlich Theil zu nehmen. Merkwürdigerweise fiel dieselbe ganz zufällig in dieselbe Zeit, in welcher vor 33 Jahren Ihr seliger Vater mit seinen beiden Brüdern (Fritz und Edmund) hier zuletzt zum Besuch war. Den Beweis davon habe ich in Händen in drei | Stammbuchblättern von ihrer Hand, datirt vom 13. Sept. 1820. Das Ihres Vaters (welches einer Autographensammlung der hiesigen öffentlichen Bibliothek einverleibt werden wird) enthält die Worte: „Beharrlichkeit führt zum Ziel!“ Er gab hier damals ein Concert unterstützt von einem Onkel seines Freundes und Landsmannes Anton Fürstenau, welcher hier Stadtmusikus war und einem Singvereine vorstand, der sich auch beim Concert betheiligte. Ich habe oft bedauert, damals grade verreist gewesen zu sein, wodurch ich die Freude einbüßte, meine frühere Bekanntschaft mit Ihrem sel. Vater zu erneuern; die ich im Jahre 1810 oder 11 als Student in Heidelberg zu machen das Glück hatte, wo wir in dem uns beiden befreundeten Hause des Dichters Joh. Heinr. Voss zusammentrafen. Es lebt hier eine 90 Jahre alte Dame, die Ihre Großeltern kannte und noch jetzt wie damals dem Geburtshause Ihres Hrn. Vaters vis à vis wohnt. Ihre Großmutter erzählt sie – war, als Ihr Vater geboren ward, noch sehr jung u. empfand große Sehnsucht nach ihrer Heimath, wie die alte Dame meint, Böhmen. Oberndorff bei Kaufbauern in Bayern‡ – dem Großvater ward – das bestätigen unsere Regierungsacten – im Jahre 1786 vom derzeitigen Fürstbischof Peter Friedrich Ludwig auch das Privilegium eines Stadtmusikus verliehen, was er aber, ohne davon selbst Gebrauch gemacht zu haben, sofort wieder verkaufte, und dann wie es scheint schon 1787 von hier wegzog.
Ich erlaube mir noch, ein Exemplar der Festrede Ich halte dieselbe zurück, da sie wie ich höre, Ihnen bereits durch die Voelker’sche Buchhandlung hier zugesandt worden.*‡ anzuschließen, welche der Rector des hiesigen Gymnasiums in der Festhalle hielt. Möge sie Ihnen nicht mißfallen. Die „Hamburger Nachrichten“ eine hier viel gelesene Zeitung, enthielt in ihrem Feuilleton ausführliche Mittheilungen über den Verlauf unserer Feier.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein
Euer Hoch und Wohlgeboren
ganz ergebenster E. L. Hellwag.
Reg. Rath.
Anlagen
1.) Attestat der Kais. Geh. Reichshof: Registratur in Wien d. d. 12. Apr. 1804 – daß der Kais. Reichshof- u. KammerRath Joh. Baptist von Weber zu Bisamberg u. Krummbach zu Regensburg 23. Dec. 1622 in den Reichsfreyherrnstand mit Beibehaltung des hergebrachten Weberschen Wappens erhoben sei.
2.) Extract aus der Adels-Matrikel des Österr. Ritterstandes, betreffend die Aufnahme des Obigen* unter die neuen Geschlechter im August 1568. Ausgestellt auf Ansuchen des Churbayerischen Major’s Franz Anton Reichsfreyherrn von Weber als dessen Urenkels. d. d. Wien v. 19. März.1804.
3.) Auszug d. d. 23. Juli 1823 aus dem Geburts- u. Taufbuche der Parochie zu St. Godehard in Hildesheim. Jahrgang 1766: Franz Edmund Caspar Johannes Joseph Maria von Weber geb. 1766, getauft 19. Juni e. a. Sohn Franz Anton von Weber’s, Amtmanns zu Steuerwald und HofkammerRaths u. der Anna Maria Fumatti‡.
4.) Auszug aus dem Tauf(e)-Register der Schloßkirche zu Eutin. Vom Jahre 1786 über die am 20sten November e. a. vollzogene Taufe des Carl Maria Friedrich Ernst von Weber, Sohn des Kapellmeisters Franz Anton von Weber und der Ehefrau desselben geb. von Brenner.
5.) Auszug aus dem Copulations-Register der Pfarrey zu Arnsberg, daß daselbst 7. Juli 1825 getraut sind: Carl Anton Wilhelm Moritz von Weber (Schauspieler bei der Gesellschaft des Schauspiel-Directors C. F. Graff) geb. in Sachsen-Coburg 1801, 14. Oct. Sohn der Eheleute Edmund’s von Weber, Schauspieler Kapellmeister‡ bei der Widder’schen Gesellschaft und Luise, geb. Spitzeder aus Salzburg, beider Heirath (Ed. u. L. v. W.) im J. 1797. (Max v. W. I. p. 34.)]‡ – und Demoiselle Auguste Marie Anne Maximiliane Friedrike Ganz zu Mainz.
6.) Auszug aus dem Geburts-Register der Stadt Aachen, daß daselbst geboren sei den 8. Oct. 1827 Friedrich Hubert, ehelicher Sohn des Moritz von Weber, Musikdirector u. der Auguste Ganz.
Apparat
Zusammenfassung
betrifft Familie Weber
Incipit
„Euer Hoch und Wohlgeboren wollen gütigst verzeihen“
Generalvermerk
inhaltlich etwas abweichender Entwurf von Hellwag in der LB Eutin
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung in 2 Textzeugen
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1. Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. V (Mappe XVIII), Abt. 4 B, Nr. 14 A u. 14 BDazugehörige Textwiedergaben
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Teilwiedergabe in: Frank Ziegler, Carl Maria von Webers Familie und ihr „Adel“ – zur Entstehung einer Legende, in: Jahrbuch für Heimatkunde Eutin, Jg. 46 (2012), Eutin 2013, S. 63–65
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2. Textzeuge: Entwurf: Eutin (D), Landesbibliothek (D-EUl)
Signatur: Hellwags Weber-Mappen, Reliquien IX(C)8
Textkonstitution
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„ Copie nach dem Hellwag’schen Autograph.“am Rand hinzugefügt
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„Fritz (Fridolin) Er … Söhnen dessen 2tesKind.“am Rand hinzugefügt
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„Er war verheirathet … I, p. 22)“am Rand hinzugefügt
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„für Carl Maria … 12. Sept. 1853.“am Rand hinzugefügt
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„Oberndorff bei Kaufbauern in Bayern“am Rand hinzugefügt
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„Ich halte dieselbe … hier zugesandt worden.“am Rand hinzugefügt
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„Fumatti“sic!
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„Kapellmeister“am Rand hinzugefügt
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„beider Heirath (Ed. … I. p. 34.)]“am Rand hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
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„Mannheimer“recte „Monheimer“.
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„… seinem Vater Friedrich von Weber“Vater von Friedrich Hubert von Weber war Moritz von Weber, der Sohn von Edmund von Weber, wie weiter unten im Brief richtig dargestellt.
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„… in Sonneburg bei Koburg lebe.“Vermutlich Kopierfehler, es dürfte Sonneberg gemeint sein, das allerdings nicht als Wohnort von Moritz von Weber nachweisbar ist. Er war in dieser Zeit als Musikdirektor unter Wilhelm Keunecke u. a. in Wesel, Crefeld, Den Haag und Celle aktiv.
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„… sei nach dem Kriege entlassen,“Für eine militärische Laufbahn von Franz Anton von Weber fehlen bislang dokumentarische Belege.
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„… Franzosen Trier in Besitz genommen,“Trier wurde Anfang August 1794 von französischen Truppen besetzt. Kurfürst Clemens Wenzeslaus, Erzbischof von Trier und Fürstbischof von Augsburg, floh Anfang Oktober 1794 aus seiner Koblenzer Residenz nach Augsburg. Zu dieser Zeit (bis Anfang Oktober 1794) hielten sich die Webers in Thüringen (Weimar, Rudolstadt, Erfurt) auf, um sich nachfolgend in Salzburg der Theatergesellschaft von Franz Xaver Glöggl anzuschließen (bis Februar 1795). Eine Anstellung in Trier bzw. Augsburg ist auszuschließen.
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„… ’sche Buchhandlung hier zugesandt worden.“Vermutlich originale Randnotiz.
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„… betreffend die Aufnahme des Obigen“Es handelt sich nicht um dieselbe Person, sondern um den namensgleichen Großvater Johann Baptist Weber.