Neuigkeiten aus dem Nachlass von Helmina von Chézy im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

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Im Zuge der Vorbereitung der Euryanthe-Partituredition schien es angebracht, den Nachlass der Librettistin Helmina von Chézy von Webers Oper, der im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der Berliner Jägerstraße aufbewahrt wird, noch einmal in Augenschein zu nehmen. Stichpunktartig war er von Joachim Veit und Frank Ziegler bereits Mitte der 1990er Jahre ausgewertet worden, auch Till Gerrit Waidelich hatte sich für seine Publikationen, u. a. in Weberiana Heft 18 (2018) und Weber-Studien, Bd. 10, intensiv mit dem Material beschäftigt und viele neue Dokumente, die im Zusammenhang mit der Euryanthe stehen, erschlossen und aufbereitet.

Der Nachlass umfasst über 1200 systematisch geordnete Mappen mit biographischen Unterlagen, verschiedensten Werkmaterialien ihrer journalistischen, poetischen und dramatischen Arbeiten (so eine ganze Mappe mit Aufsätzen zur Euryanthe sowie ein Fragment einer Abschrift des Librettos zur Oper) und natürlich umfangreiche Korrespondenz und Familienschriftgut. Alles im Zusammenhang mit Weber stehende, was bisher gefunden wurde, vor allem Erhellendes zur Euryanthe-Genese, wie z.B. die beiden Entwürfe mit „Erinnerungen aus meinem Leben“ zu ihrer Veröffentlichung in der NZfM, etliche weitere das Werk betreffende Schriften der Dichterin, die beiden Briefentwürfe von ihr an Weber, aber auch vielfältige Korrespondenz mit diversen Zeitgenossen, waren seit Beginn der Digitalen Edition der WeGA im Laufe der Zeit peu à peu auf die Homepage gewandert. Daher hatte ich mir vorrangig die Aufgabe gestellt, die uns bekannten Materialien noch einmal gründlich zu sichten und die früheren Übertragungen anhand der Originale Korrektur zu lesen bzw. evtl. zu vervollständigen.

Umso erfreulicher war es, darüber hinaus ein paar neue Entdeckungen machen zu können, die in unterschiedlichster Art und Weise mit Weber zu tun haben, so z.B. einen Brief des Leipziger Verlegers Georg Joachim Göschen, in dem er es aus Altersgründen ablehnt, ihr Euryanthe-Libretto zu drucken, sowie den Vorstellungs-Brief von Wolfgang Adolph Gerle an die Dichterin aus Prag, in dem er seinen „vieljährigen Freund“ Weber erwähnt. Unter den Briefentwürfen hatte sich (auf zwei verschiedene Mappen verteilt) des Weiteren ein langes Schreiben von Chézy an den Intendanten der Kgl. Schauspiele in Berlin, den Grafen Brühl, versteckt, in dem es u.a. um ihre Calderón-Übersetzung El galán fantasma geht; ebenso noch unbekannt war der ausführlich um die Euryanthe-Honorar-Streitigkeiten kreisende Brief von ihr an Webers Advokaten August Moritz Engelhardt; vgl. dazu auch den neuen ThemenkommentarT.

Als wahre ‚Wundertüte‘ entpuppte sich jedoch eine Mappe mit „Briefen an unbekannt“ von 1822, denn darin enthalten sind nicht nur aufschlussreiche Briefe von Helmina von Chézy an Amadeus Wendt und einen gräflichen Hoftheaterdirektor, aus denen viel über ihr Selbstverständnis als Dichterin zu erfahren ist, die sich vom poetischen nun ausschließlich dem dramatischen Fach zuwenden will, sondern auch, was überhaupt nicht zu erwarten war, noch ein Brief von der Chézy an Weber selbst, datiert mit 26. Dezember 1822. Dieser Brief beantwortet wiederum den Brief des Komponisten vom 22. Dezember aus der Sammlung Varnhagen in Krakau, der der WeGA schon bekannt war, und streift gleich mehrere Themen: den Druck des Librettos bei Johann Baptist Wallishausser in Wien, eine Abendgesellschaft bei Webers Hauptverleger Adolph Martin Schlesinger, Gedanken um ein weiteres gemeinsames Opern-Projekt, Geldangelegenheiten, Zukunftspläne; der Brief vermittelt aber auch ihre Sorgen und Anteilnahme an Webers Gesundheitszustand, indem sie ihm empfiehlt „kräftige Suppen, vor allem Huhn u Ochsenfleisch mit guten Kräutern u Graupchen“ zu essen.

Dass auch bei dieser erneuten Durchsicht des Nachlasses wiederum nur Ausgewähltes von Interesse sein konnte, ist hoffentlich verständlich. Für die immense Geduld und Freundlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs, die mir über Wochen die Materialien bereithielten, wird an dieser Stelle herzlich gedankt; der gut sortierte Nachlass sei jeder/m Chézy-Forscher/in wärmstens empfohlen – es gibt vermutlich immer noch viel zu entdecken!

Solveig Schreiter, Dienstag, 6. Juni 2023

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