Aufführungsbesprechung Kassel: darunter „Der Freischütz“ im August 1822 (Gastspiel Sophie Schröder) (Teil 1 von 3)

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Seit den Gastspielen der vortrefflichen Schröder und ihrer beiden Töchter aus Wien, welche Gastspiele am 10. Aug. begannen, und am 27. desselben endeten, würde ich Ihnen, beßter Durchreiser des Riesegebirges, lange geschrieben haben, wenn wir drei neue Stücke gesehen hätten. Aber sogar bis heute sind ihrer nur zwei gegeben worden, und noch hört man Nichts von einem dritten. Also zaudre ich nicht länger, Ihnen hierdurch zu melden, daß durch das erwähnte Gastspiel ganz Kassel, in so weit es Theil an der Bühne nimmt, völlig hingerissen war und von Rechts wegen. Frau Sophie Schröder gab diese vier Rollen: 1) Phädra, 2) Sappho, 3) Isabella in der Braut von Messina und 4) Brunhilde im Müllner’schen Yngurd. Die ältere Tochter, Mll. Wilhelmine Schröder, sang in drei Singspielen, nämlich 1) in der Schweizerfamilie, als Emmeline zwei mal, 2) in der Zauberflöte, als Pamina, und 3) zum Beschluß in der Oper: "Der Freischütz", als Agathe. D. Anna in Don Juan war für Mll. Schröder ebenfalls angekündigt, mußte jedoch unterbleiben, weil eine andere Sängerin, D. Elvira, unpäßlich geworden war. Die jüngere Tochter, Mll. Betty Schröder, trat auf 1) als Gurli in den Kotzebue’schen Indianern, 2) als Körner’s Tony, 3) als Melitta in Sappho, 4) als Gretchen im Göthe’schen Egmont und 5) als Beatrice in der Braut von Messina.

Bei der ersten Darstellung war Frau Schröder (neben der ernsthaften Krankheit Phädra’s) wirklich für ihre eigene Person etwas unpäßlich, sie fand sich deshalb ein wenig im Athemholen bedrängt; dennoch aber war ihre Darstellung Phädra’s ganz ¦ vortrefflich. Sowol diese als auch ihre drei folgenden Rollen fanden ungetheilten, sehr großen Beifall, der sich oft in der Mitte der Auftritte aussprach und ausbrach. Wollte aber ich hier mich aussprechen; so würde ich allzu weitläufig werden, ja mich ausschreiben müssen. Es ist nämlich in der hiesigen Zeitung sehr ausführlich, von mir sowol als auch von einem nachfolgenden Ungenannten, über die Schröder’schen Gastspiele geredet worden, und Wiederholungen reizen nicht. Nach der zweiten Darstellung ward die große Künstlerin, als Sappho, gerufen, sowie gleich bei ihrem ersten Auftreten in dieser Rolle durch Klatschen bewillkommt. Die hohe Meisterschaft erprobte sich überall. Fest, wahre Feste gewährte sie. – Auch beide Töchter, obgleich noch nicht vollendet in ihren Bestrebungen, zeigten sich als höchst achtbare, jugendliche Priesterinnen der Schauspiel- u. beziehungsweise der Singkunst. Emmeline wurde, gleich nach ihrem ersten Auftreten, am Schlusse der Schweizerfamilie hervorgerufen, und ähnliche Ehrenbezeigung widerfuhr auch der jüngern Schwester nach Vollendung ihrer zweiten Rolle (Melitta). Zugleich wurde, da auch Hr. Löwe, als Phaon, den er sehr brav darstellte, durch Hervorrufen ausgezeichnet, so daß er seine Melitta herausführend erschien. Das junge Paar verbeugte sich stumm. Die würdige Mutter aber hatte zuvor, da sie, als Sappho, erwähntermaßen, hervorgerufen ward, die Versicherung gegeben, die, ihr gewidmete Ehrenbezeigung sei ihr zwiefach schätzbar, da solche von einem so fein gebildeten Zuschauerkreise ertheilt worden sei.

Nach der Aufführung der Oper: "der Freischütz", als der letzten der Schröder’schen Gastdarstellungen, wurde nicht nur Agathe, sondern auch die Schröder’sche Familie überhaupt hervorgerufen, und Frau Schröder stattete in den sinnigsten Worten den Dank für sich und ihre Töchter ab.

Nachts gegen elf Uhr erschienen vier unserer Sänger vor dem Gasthause zum Könige von Preußen, in welchem die drei Wiener Künstlerinnen wohnten, und brachten ihnen eine schöne Gesangmusik. Das gereichte beiden Theilen zur großen Ehre. Besonders verdient dabei Hr. Gerstäcker, dessen liebliche Stimme durch die sanfte Nacht weit ertönte, rühmlich erwähnt zu werden. Er sang in allen Stücken der Nachtmusik mit, ob er gleich nicht nur an demselben Abend die nicht leichte Rolle des Freischützen-Max gegeben, sondern sie auch des andern Tags wieder zu geben hatte. Nämlich es waren so viele, theils fremde, Zuschauer, angekommen, daß manche nicht eingelassen werden konnten. Man gab deßwegen das überall beliebte Kunstwerk zweier Dresdner allgeschätzten Ehrenmänner Tags darauf nochmals, wo Mll. Dieterich Agathe’n sang. An beiden Tagen mußten die Vollpreise bezahlt werden (zu deutsch: es war Abonnement suspendu) und dennoch fand auch am zweiten Tage großer Zuschauerdrang wieder Statt.

Das wird vermuthlich Müllner, der nach dem Freischützen frei schießt, ein wenig übel nehmen, zumal sein Yngurd, der zum erstenmal hier gegeben ward, durchaus keinen Beifall fand. Dieß bemerken zu müssen, thut mir wahrlich leid, da ich, zumal Widersacher, weit lieber lobe als tadle.

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Das Gastspiel von Sophie Schröder und ihren Töchtern Wilhelmine und Betty hat in Kassel großen Erfolg; Wilhelmine singt dabei die Agathe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Kühnau, Dana

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 6, Nr. 249 (17. Oktober 1822), S. 996

Textkonstitution

  • „Sowol“sic!
  • „sowol“sic!

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