Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Montag, 1. Juli und Dienstag, 2. Juli 1816 (Folge 1, Nr. 8)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Mitglied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Mein geliebtes theures Leben!

Ich kann unmöglich ins Bett gehen, ohne meinem guten Mukkel aus der Ferne ein herzliches, gute Nacht! zuzurufen. ich habe Gestern und heute viel gearbeitet und in Ordnung gebracht was die lezte Zeit in Confusion gerathen war, und dabey habe ich viel, recht viel, an dich gedacht, und muß mir zum Lohne noch die Freude gönnen ein 4tel Stündchen mit dir zu plaudern, bis mir die Augen den Dienst versagen, wozu sie große Lust haben, da sie stark im Dienst sind. Vielleicht sizt du auch jezt an dem schwarzen, und schreibst an deinen Carl, wie Er an seine Lina, ja es ist mir beynah wie Gewißheit, daß es so ist, da wir beyde einerley Posttage haben. Was machst du aber für ein Gesicht dazu? ein gutes, heiteres wie ich? oder sizzen ein paar Teiferln in der Nische?

ich bin gut und brav aber sehr verstimmt daß ich nicht so fortkann wie ich will, da eigentlich mein Hiersein vollendet ist, und ich weder mehr Sinn dafür habe meine Freunde zu genießen, noch etwas ordentliches zu arbeiten. Doch hoffe ich daß dieß der lezte Brief ist den du von Berlin aus erhältst, und auf Leipzig freue ich mich wie ein Kind weil ich da Briefe von dir zu finden hoffe. Schon 9 Tage ohne Nachricht von dir. Wenn du nur gesund und wohl bist. Im Carlsbad werde ich hoffentlich was rechtes zu lesen finden, das wird gut schmetten, ah!

Heute bin ich par forçe dazu gekommen an Liebich zu schreiben. H: Friedel quälte mich darum seine Frau zu empfehlen die ich gar nicht kenne, ich habe ihm also ein paar Zeilen zusammen buchstabirt.      Es ist unglaublich von was für Menschen, Bitten, Verlangen und Prätensionen ich überhäuft werde, daß man nur Noth hat, alle Höflichkeitsfloskeln hervorzusuchen und nicht ungeduldig zu werden. Hingegen auch viel Schönes vorkomt. Z: B: vorgestern Abend bey Hoffmann, was ein recht herrlicher Abend war. und Gestern das 2t Concert der Catalani*, mit der die Menschen ganz rasend sind. Uebermorgen ist ihr 3tes Concert und schon sind wieder alle Billette weg. Solche Concerte geben was aus, können aber auch nur von einer Sängerin und dabey so wirklich großen Künstlerin gemacht werden als diese Frau ist.      Lieber Muks die Augen melden sich ich bin sehr müde.

Gute gute Nacht! schlafe gut und ruhig, gute Engel mögen dich umschweben, dieß wünscht aus dem innersten seiner Seele dein alter ewig gleicher guter Brumbär und Viehs.

Gute gute Nacht!

d: 2t Eine gute Ahndung hat mich Gestern Nacht dazu getrieben mit dir geliebter Muks zu plaudern, denn heute wäre es mir unmöglich gewesen. Eine recht unerhoffte Freude ist mir schnell wieder zu Waßer geworden. Als ich mit Beer Geschäfte halber aufs Comptoir fuhr, sagte man mir daß ein Brief an mich da sei, natürlich dachte ich nur an dich, und sprang vor Freude, wurde aber desto trauriger da ich sah daß es eine fremde Hand war, und meine Freude, die sich freilich auf nichts wahrscheinliches gründete zu Waßer wurde. übrigens war es ein recht freundlicher Brief von meinem TaufPathen Prinzen Carl aus Schleßwig, über den Empfang meiner Cantate. Mit jeder Stunde und voll Ungeduld sehe ich der Vollendung meiner Geschäfte entgegen.

Morgen mache ich meine lezten StaatsVisiten, bey allen Bekannten habe ich schon lange Abschied genommen. Freytag reißt nicht mit mir sondern mit seiner Mutter nach Karlsbad*, ich mache also die Reise allein*, und so unangenehm dieß mir ist in Geldhinsicht, so lieb ist es mir ungestört in meinem Ett sizzen und mich meinen Träumereyen von Lina überlaßen zu können.

die Post geht, ich muß schließen, Gott behüte und bewahre dich. Sey Gesund und brav, ich küße dich Millionmal alles Schöne an die Mutter und meinem guten Apitz. Ewig dein treuer unwandelbarer Carl.

Editorial

Summary

erwarte ungeduldig seine Abreise aus Berlin; berichtet über Konzerte der Catalani

Incipit

Ich kann unmöglich ins Bett gehen, ohne meinem guten Mukkel

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 19

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • auf S. 1v am seitlichen Blattrand von F. W. Jähns (Tinte): “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 246–248

Thematic Commentaries

    Commentary

    • “… 2 t Concert der Catalani”Zum Konzert im Konzertsaal des Schauspielhauses vgl. u. a. die Berichte in Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1816, Nr. 79 (2. Juli 1816) und in AmZ, Jg. 18, Nr. 29 (17. Juli 1816), Sp. 500.
    • “… mit seiner Mutter nach Karlsbad”In der Karlsbader Kurliste (1816, Nr. 669) findet sich lediglich der Kaufmann Freitag aus Züllichau, angereist mit Gattin am 25. Juni 1816.
    • “… mache also die Reise allein”Weber reiste statt dessen gemeinsam mit Jacob Hertz Beer und dessen Sohn Heinrich. Die Reisekosten übernahmen die Beers; vgl. die Tagebuchnotizen vom 9. und 17. Juli 1816.

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