Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Donnerstag, 26. Dezember bis Sonnabend, 28. Dezember 1816 (Folge 2, Nr. 13)
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Absolute Chronology
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- 1816-12-26: to Kolowrat-Liebsteinsky
- 1816-12-25: from Apitz
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- 1816-12-26: to Zichy von Vasonskö
- 1816-12-29: from Brühl
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- 1816-12-24: to Weber
- 1816-12-24: from Weber
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- 1816-12-30: to Weber
- 1816-12-30: from Weber
Mein vielgeliebter HerzensMuks!
Ich rufe mit dir aus, die dumme Post, läßt uns immer so lange warten. Erst Gestern Abend erhielt ich deinen lieben guten Brief No: 11 vom 19t und 20t. d: 24t hatte ich den heiligen Abend recht angenehm zugebracht, bey Mad: Schmitt, wo der ganze Tisch, aber Lauskas noch besonders deine Gesundheit von Herzen tranken. Gestern arbeitete ich Morgens an einem Aufsaz über Undine, Mittags war ich bey Hotho, und um 7 Uhr schlich ich mich fort, weil ich eine gar zu große Sehnsucht nach einem Briefe von dir hatte. tappte gleich im Finstern auf meinem Tisch nach Briefen und fand niz, war schon recht traurig, da überraschte mich desto freudiger, dein lieber Brief. Lieber Mukel in dem Augenblik hätte ich dich wohl da haben mögen um mein volles Herz in deines ausschütten zu könen. Es ging aber nicht, und ich muste mich begnügen dir in die Ferne zuzurufen. Es ist schön daß du unsern GeburtstagT auch so froh verlebtest. die guten Junghs. du hast aber schöne Sachen gekriegt, Ey, aber ich bin auch mit meinem Weynachten zufrieden!!‡ du armes Aschenbrödel, gelt ich soll mit dir pabsen hinter der Kouliße, und erst zum Finale hinunter gehn? nun ja gleich, warte nur noch ein bischen. der arme Liebich dauert mich unendlich, spricht er niemals von mir? vergiß doch ja nicht so oft du ihn siehst ihm meine innigste Theilnahme zu versichern. Mein guter Muks ich kann dir jezt nicht viel schreiben, ich habe den Kopf so voll, weil ich schneller hier abreißen muß als ich wohl dachte, und daber noch vielerley zu besorgen habe. ich mache mir aber gar nicht so viel draus obwohl ich alle hier sehr liebe, und kann dir den Gefallen nicht thun wie du es wünschest, den Winter über in Berlin zu bleiben. Ich muß dich auch bitten mir nicht mehr hieher zu schreiben, sondern bey Empfang dieses Briefes unter nachstehender Adresse.
lebe wohl geliebtes Leben, ich eile auf die andre Seite, küße dich Millionenmal und bin wie immer dein dich über alles liebender treuer Carl. |
Adresse
An den Königlich Sächsischen KapellMeister Herrn Carl
Maria von Weber, Hochwohlgebohren
zu
Dresden.
Poste restante.
Etsch! Etsch! Etsch! angeführt! übergerascht, Gelt! Nun laß dich recht umarmen da Gott unsere Wünsche gekrönt hat. darum habe ich mich so von der vorigen Seite weggetummelt. du geliebtes Leben, freust du dich denn aber auch recht ordentlich? Gestern Abend kam endlich die Entscheidung vom Grafen Vizthum, worin er sagt „Genehmigen Sie die Versicherung daß ich das Gelingen meiner Bestrebungen Ew: Hochwohlg: dem Königl: Dienste zu gewinnen, unter die wichtigsten und angenehmsten Erfolge in meinem neuen Wirkungskreise rechne.“ – da er nun sehr darauf dringt bald einzutreffen, so muß ich meine Reise fahren laßen, was mir eigentlich nicht ganz lieb ist, und gehe gleich nach Neujahr in Wagerl und fahre nach Dresden. – Puntum! Nun, was sagst du Mukenfuß? Schneefuß! Oz! Vies pp!!
Jezt muß ich zu Tisch, und bin auch eigentlich noch zu ungeduldig um dir ordentlich schreiben zu können. also jezt nur noch innigst an mein Herz, geliebte Braut, sey brav, und – Nun! –
d: 27t
Guten Morgen geliebter Muks. wie hast du geschlafen? gut? ja wenn du jezt schon wüstest was ich weis du hättest gewiß gut geschlafen, oder auch vielleicht unruhig vor Freude und Pläne machen zum Einrichten pp Mir geht es zum Theil so, denn alle Anstalten die ich die lezten Wochen über machte, sind nun vergebens, und ich muß ganz umgekehrte machen. dazu die vielen Einladungen und Festtage, da wird es also mit dem Arbeiten hier windig aussehen. Nun, in Dresden werde ich wohl Zeit genug haben, und auch mit Einladungen nicht inkommodirt sein. Ich habe mir überlegt ob ich Schmidl schreiben sollte wegen Quartier, will es aber nicht thun, es ist beßer ich wohne einige Tage im Engel, und suche mir selbst ein stilles Stübchen aus, und dann später einen gehörigen Pallast, den ich so nach und nach einrichten kannT.
Wie ich Vorgestern die Entscheidung erhielt, und den zugemachten Brief so eine Zeitlang ansah, was er wohl enthalten möge, da war mir ganz kurios zu Muthe, endlich nahm ich ihn gefaßt bei den Ohren, und dachte mir das Schlimmste, nun war ich aber desto freudiger überrascht, und hätte gar zu gerne dir gleich geschrieben, aber der Wagen wartete und es gieng nicht. ich fuhr also ganz im Gefühle des neuen Glükes und Freude zu Jordans*, und hier war die gute Koch die erste die es erfuhr, und dann die andern. die Freude dieser treuen Freundin, kannst du dir denken. der Abend gieng sehr froh mit 1000 Späßen und Reverenzen gegen mich; vorüber. Nun studirte ich wie ich es wohl | machen müste auch dich zu überraschen, schrieb also Gestern den langweiligen Anfang, konnte es aber nicht lange aushalten. – ob es mir nun gelungen ist dich erst ein bischen ärgerlich, und dann desto froher zu machen bin ich sehr begierig zu hören. Gestern Mittag bey Mad: Welper, wurde die Gesundheit des neuen KapellMster stürmisch getrunken und dann die deinige[.] von da fuhr ich in die Undine* und dann wieder zu Welper. Im Theater behaupteten einige Liebich sei den 20t gestorben, da du mir aber nichts davon geschrieben hattest, widersprach ich bestimmt, heute macht es mich aber doch etwas unruhig. Sieh dich nur gut vor lieber Muks, daß du nicht zu kurz kommst; ich wollte du hättest dein Benefiz schon gehabt, und abgerechnet. Nun, ich vertraue auf Junghs und Kleinwächters Rath, thue nichts ohne diese gefragt zu haben. der Tod Liebichs lößt eigentlich alle Kontrakte, es würde aber die Sache sehr zerstören, und die Stände werden also Gott danken wenn es beim Alten bleibt, und bis zum 7b kannst du ja allenfalls versprechen zu bleiben. Sollten Sie dir aber andere Bedingungen machen wollen, so gehe ohne weiteres ab, und das übrige wird sich finden. Nun wir haben ja so oft über diesen Fall gesprochen, und meine Mukkin ist ja kein Oz. du schriebst mir die Clams wären kälter gegen dich weil du fortgiengst. woher wißen sie denn das? es war nicht klug, davon zu sprechen, so etwas muß ganz im Stillen kommen, wenn es da ist sperren die Leute das Maul auf. Nun, ich bin sehr auf deinen nächsten Brief begierig der wird mir schon mehr Aufschluß geben.
Heut und Morgen habe ich viel viel zu schreiben, muß doch in aller Welt denen Menschen die Antheil an mir nehmen, meinen neuen Posten bekannt machen. Nun darf ich mich recht auf Schuhe und Strümpfe einrichten! Au weh Au! laße mir gleich hier 2 paar machen, mit Schnallen oben drein. Wenn ich einen Haarbeutel anthun muß!!! Muks was wirst du sagen? giebst du mir auch dann noch einen Buß? Jezt an die Arbeit. Noch eine Million Bußen – –
so und nun adjeu. Gott erhalte dich froh und gesund und fett und lustig, und brav, und sanft, und kochend pppp dein dich über alles liebender Carl.
ich sehe dich schon abfahren mit dem Brief zu Junghs. nun hops einmal schön. — — —
d: 28t
Heute wird es kurz gerathen, lieber Schneefuß, denn ich muß in aller Welt Ekken schreiben. habe schon bey der Sächsischen Gesandtschaft meinen Krazfuß gemacht, und eine Instruktion eingeholt. Ach Muks, was wirst du lachen wenn du mich in einem Chevalier Rok, mit Schößen Weste und Stahldegen siehst! Nun! – zum Glük bin ich vom Haarbeutel dispensirt, ich müste mir denn selbigen im Weine verschaffen. Gestern Mittag aß ich bey Pölchau bis 7 Uhr, dann arbeitete ich, und plauderte mit Lichtenstein über meine künftige Existenz.
Ich überlaße dir die Freude, Jungh und Apitz die Nachricht meiner Anstellung zu überbringen! ich bin beiden Antwort schuldig, und möchte besonders mit meinem guten Jungh viel plaudern, aber es geht jezt nicht, ich habe zu vielerley zu thun, und bin zu zerstreut. du entschuldigst mich wohl gehörigst. Wenn ich doch diesem Briefe Flügel anschnallen könnte, und dann wenn du ihn liesest, | sehen könnte was du für ein Gesichtel dazu schneidest, wie du über die erste Seite brummst, und beynah böse wirst, und dann die Adresse dir so gehörig in die Augen schreit, Hey! lustig! dudeldidel. Schreibe mir ja recht ausführlich wie dir war. In Dresden werde ich vor allem sehr nöthig haben, mir den übrigens guten Schmidl etwas vom Leibe zu halten. sonst erstikt er mich mit Rathschlägen und Geheimnißkrämerei.
Nun ich werde es wohl treffen. Und sparen will ich – ach Geld! Geld. Einen Bedienten werde ich mir wohl anschaffen müßen, des Respekts halber, aber übrigens werde ich mich schon behelfen. werde wohl zu Hause eßen, denn im Gasthofe ists zu theuer, und du warst ja auch mit dem Eßen aus dem Kosthause zufrieden. das wird sich alles finden, und dir getreulich referirt werden. An Kleinwächter habe ich heute auch geschrieben wegen meiner Sachen, daß er mir die gleich schikt, damit ich mein grünes Dekerl wieder habe.
Nun adje, Mukkes, ich weiß nichts mehr Nothwendiges zu schreiben, Gott behüte dich lieber Muks. Sollte es in Prag drunter und drüber gehn, so sei nur nicht heftig und übereile dich nicht, denn das ist schlimm und nur schwer wieder gut zu machen. Wahrscheinlich bekomme ich heute Abend einen Brief, wenn dieser schon fort ist. ich küße dich unzählichemal mein geliebtes theures Leben. der Mutter wünsche von Herzen gute Beßerung. Spiele nicht zu viel, zieh dich warm an. und behalte lieb deinen dich über alles liebenden treuen Carl.
Abends.
So eben komt dein lieber lieber heiterer Brief /: ohne No :/ vom 22 und 24t Xb der dießmal recht schnell gelaufen ist. der arme Liebich, Gott habe ihn selig. deine Beschreibung hat mich sehr gerührt, aber übrigens dein Brief unendlich gefreut wegen seiner heiteren ruhigen Stimmung. Nur eines würde mich ärgern wenn mir nehmlich Mlle: Schmidl meine gute Nachricht wegschnappte, nun, das will ich noch nicht fürchten, sondern in Gottes Namen den Brief fortschikken, und Morgen an die ausführliche Beantwortung des deinigen gehn, der mir im ganzen sehr viele Freude gemacht hat, und meine heitere Stimmung sehr erhebt.
Millionen Bußen, und gute, denn ich bin ganz frisch rasirt. Gute gute Nacht. Selbst Freßsatt!!
Editorial
Summary
Nachricht von seiner erfolgten Anstellung in Dresden; teilt mit, dass aus der geplanten Reise nunmehr nichts werde, da man ihn umgehend in Dresden erwarte; Pläne für Dresden; betr. Nachricht von Liebichs Tod
Incipit
“Ich rufe mit dir aus, die dumme Post”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 70Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Weber-Familiennachlass
Corresponding sources
-
Muks, S. 282–290
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“… mit meinem Weynachten zufrieden !!”ab „meinem“ dreifach unterstrichen
Commentary
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“… Glükes und Freude zu Jordans”Vermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine [Friedel-]Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan.
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“… fuhr ich in die Undine”Vorstellung im Schauspielhaus.