Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 6. bis Freitag, 8. August 1817 (Nr. 75)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgeboren

Mitglied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Kohlmarkt 514. 2t Stok.

Meine liebe gute Mukkin!

Ich bin recht zufrieden und heiter still gestimt, und da muß ich gleich ein bischen zu dir kommen, und es dir erzählen. Habe den Morgen keine Probe gehabt, und bin nicht überlaufen worden, so daß ich ganz ruhig sizzen und arbeiten konnte was mir dann auch recht gut von der Hand gieng, und da weißt du daß ich dann immer sehr vergnügt bin.       Möchte gar zu gerne vor meiner Reise den ersten Akt wenigstens fertig entworfen haben*. bey dem 2t und 3t hilfst du mir hernach. gelte? und da werden wir ja sehen ob du fleißig bist, und die Oper diesen Winter noch auf die Bretter komen kann.

Seit ich mich mit Morlachi wieder recht ausgesprochen habe*, bin ich auch in diesem Punkte ruhiger geworden, der Berliner Brand* hat mich abgekühlt und ich gebe mir Mühe nicht alles trübe anzusehen, damit wenn ich bleiben muß, mir nicht der Gedanke fatal ist. Es liegt eine wahre Todesstille auf dieser AngelegenheitT, und alle dabei intereßirten Theile laviren, und warten den günstigen Zeitpunkt ab, um sich nicht mit irgend etwas zu übereilen. Nur der hiesige komt Theil komt dadurch vielleicht am schlimmsten weg, denn es kann mir nicht gefallen, daß man jezt zögert etwas für mich auszusprechen indem man glaubt ich habe meinen Rükhalt verlohren, – kömt daher ein neu bestimmender Brief von B: so mache ich vielleicht gar keine weiteren Umstände, und sage, daß da ich es so lange schon angezeigt und nichts daraus erfolgt wäre, ich es dafür ansehen müße, daß es ihnen gleichgültig sei, und nunmehro Er entschloßen wäre, den B: Ruf anzunehmen.     Du wartest gewiß auch sehnlichst auf eine Entscheidung um deine Pläne darnach machen zu können, und in Gedanken da oder dort anzuordnen. Jeden Brief von mir durchfliegst du gewiß zuerst in aller Eile um zu sehen weß Landes wir sind. ja ja, ich kann mirs denken, denn es geht mir auch so, so oft ich den gelben PostRok sehe, so bin ich voller Erwartung was er bringen wird, und beschnuffle die Briefe von hinten und vorn.      Von Louis und Vater ist auch noch keine Antwort da, es ist nicht recht hübsch, und andern würde ich’s sehr übel nehmen, aber da ich wohl weis daß dein Bruder nur ein bischen faul sein wird, und wohl auch die wichtigsten Lebens Verhältniße ein bischen leicht und oberflächlich nimmt, wie man beim Theater dazu komt, – so bin ich eben weder böse noch gekränkt, denn einmal wird der Brief doch wohl kommen, und die Heyraths Anstalten werden hoffentlich dadurch nicht gestört oder aufgehalten werden. wenn das wäre so würde ich gleich nochmals schreiben. Uebermorgen gehe ich zum General Vikarius um uns hier aufbieten zu laßen, der wird er mir wohl sagen, ob die schriftliche Einwilligung des Vaters durchaus nöthig ist.       Nun Guten Apettit Schneefuß, habe Gestern bey Ebers gegeßen, und heute bey der Gräfin Clam. das ist hier etwas seltenes eingeladen zu werden. außer im Winter wo die Gesandten hier sind.

     Gott segne dich + + +. Morgen komt ein Brief von der Mukkin ich freue mich drauf. 100000 Bußen von Deinem Carl.

Geschwind geschwind zu der Mukkin gelaufen ehe mich die andern Leute davon abhalten.       Also zuerst einen schönen guten Morgen, möge er so rein und heiter in deinem Gemüthe sein als er es am Himmel ist. Auch ich bin ziemlich heiter, denn ich habe Gestern wieder recht fleißig gearbeitet*, dazu kam dein lieber freundlicher Brief No: 78, und sezte meiner | Zufriedenheit den Kranz auf. Bravo meine alte Lina, du predigst mir recht schön und wahr, und ich höre das gerne aus deinem Mund und deiner Seele, und ich will folgen so viel als möglich, und dann gewiß ganz wenn du bei mir bist, und auch so brav den Präzeptor machst. bin auch Gestern nach Tische gleich ganz allein spazieren gegangen, das ist mir lange nicht eingefallen, ich dachte aber daran daß Lina es befohlen hat, und somit machte ich mich auf die Sokken.

Es ist wahr daß in dieser Zeit viel zusammen gekommen, ja zum Theil noch beisammen ist, aber ich habe mir fest vorgenommen so leicht wie möglich über alles wegzusehen, und mich immer mehr in meine Ueberzeugung zu hüllen, unbekümmert ob ich eine Sproße höher oder tiefer in der Gnade stehe, wenn ich nur weiß daß ich vermög meines Willens die oberste verdiene. Verpanzre dich nur recht in deine jezige Heiterkeit, und wahre Lebens Ansicht, damit ich dich nicht mit anstekke wenn ich je einmal trübe bin, sondern du immer den schwarzen Flor und Nebel wegjagen kannst. Von Berlin immer noch keine Nachricht. Der Graf Vizth: war Gestern bei mir, und sagte daß wegen meiner AngelegenheitT er gerne seinen Vortrag so lange hinausschieben wolle, bis er H. Morlachi ganz zur Raisont gebracht habe. ich antwortete daß ich darauf nichts sagen könne, und natürlich alles ihm anheim stellen müße, auch natürlich so lange nicht preßirt sey, bis ich wieder gedrängt würde.      Liebe Mukkin daß ich nicht früher als gerade zum Thorschluße komme, ist wohl natürlich. Der Urlaub ist knapp, und es ist doch wohl beßer wir benuzzen ihn zu einer heitern Reise, als daß ich in dem alten Prag sizze, das ich so wenig liebe, und wo mir, wenige Menschen ausgenommen, alles unangenehm und wiederlich ist.      Die junge Spröde werde ich dir wohl verschaffen können*. Sorge ja dafür daß du dein Benefiz bald hast, damit wir nicht aufgehalten sind, was sie gewiß versuchen werden, um dich länger zu behalten. und spare hübsch wenn du Gelderl hast, und thue nitz kaufen pp den Rok hast du gut angewandt, ich brauch ihn ja doch nicht mehr, denn ich kome ja nicht mehr zu dir, und im Hause hat der gute graue Joppel den Dienst.      Wegen der Drin ihrem Kleid, komts auch drauf an, ob bis Ende Sept: die Kleider mit den rothen Blümchen noch so Mode sind, wenn dir also bis dahin was anderst einfällt so schreib es mir nur, ich kaufe erst in den lezten Tagen ein.       Dein Arrangement mit dem wegschikken billige ich ganz. wenn ich deinen Taufschein brauche, werde ich gleich darum schreiben.       Die Grünb: meint also ich soll nach Berlin gehen? – Wie Gott will. –

Nun will ich dir auch erzählen was paßirt ist.

d: 4t Abends arbeitete ich, und gieng um 9 Uhr zu Ebers. d: 5t war GeneralPr. von Lodoiska. Mittag bey Ebers, Abends aufs Bad*, und dann mit Kind | zu Chiapponi. d: 6t gearbeitet*. Mittag bei der Gräfin Clam, dann mit ihr auf die Gemälde Ausstellung*, und zum Elephanten, der Cavalier der mit ihr hier ist, ist ihr verwandter der ungarische Graf Sedženi. ein sehr artiger heitrer Mann. dann nach Hause und gearbeitet. um 9 Uhr kam Siboni zu mir, ich spielte ihm was vor*, und wir soupirten dann zusammen. Er wird künftige Woche in Pillnitz singen*, ob in der Stadt, ist noch nicht bestimt, er geht von hier nach Prag, und dann nach Petersburg*. d: 7t früh gearbeitet*. Mittag im Engel. Nachmittag kam der Graf Vizthum zu mir, Abends war endlich Lodoiska. bei sehr vollem Hause. von Seiten des Orchesters und der Chöre, ging es wirklich so schön, daß nichts zu wünschen übrig blieb. Die Sänger aber – – der arme Bergmann war gräßlich – doch gefiel es*. Jezt kommen die vornehmen Wirthe dran, in denen die Sandrini zum erstenmale hier deutsch singen wird*.

Apropos ich muß dich fragen, denn du referirst mir nicht viel vo[m] Theater, ein H. Lusak ist ja in Prag aufgetreten, was ist an ihm?* er hat hieher geschrieben, und sagt in Prag könne er wegen Polawsky nicht aufkommen. dann, wie hat das Stük von Clauren Die Vorposten gefallen?*

Nun leb Err wohl, lieber Schneefuß. muß mich anziehen und eine Visite schneiden bei dem Bruder des Graf: Vizthum der aus Italien zurükgekommen ist, dann Abschied von Ebers nehmen, und zum Vicar gehen. Du weißt schon – –

Grüße mir die Mutter und alle Freunde bestens. bleib gesund und heiter und brav. Gott segne dich + + + . behalte immer recht wahrhaft lieb, deinen dich so innigst liebenden treuen Carl.

Millionen Bußen.

Editorial

Summary

W. möchte vor der Reise noch den 1. Akt Freischütz vollenden; Ungeduld wegen ausstehender Nachricht aus Berlin und von Caroline Brandts Vater und Bruder; über ihre weiteren Pläne; Tagebuch vom 4.-8. August

Incipit

Ich bin recht zufrieden und heiter still

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 113

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest und -loch
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

Text Constitution

  • M“m” overwritten with “M
  • “komt”crossed out
  • “Er”crossed out
  • ß“s” overwritten with “ß
  • a“u” overwritten with “a
  • “er”added above
  • ob“wenn” overwritten with “ob
  • “t”erased

Commentary

  • “… Akt wenigstens fertig entworfen haben”Nachdem Weber die Kompositionsarbeiten am Freischütz mit Nr. 6 (Beginn II. Akt) begonnen hatte, wandte er sich im August 1817 tatsächlich zunächst dem I. Akt zu und entwarf die Nr. 2, wechselte dann aber wieder zu Akt II (Nr. 8). Weitere Entwürfe entstanden bis zur Abreise nach Prag (30. Oktober) nicht; vgl. WeGA, Bd. III/5b, S. 468f.
  • “… Morlachi wieder recht ausgesprochen habe”Laut Webers Brief an C. Brandt vom (1.–)4. August 1817 fand die Aussprache am 3. August statt; im Tagebuch ist sie nicht festgehalten.
  • “… ruhiger geworden, der Berliner Brand”Das alte Schauspielhaus von Carl Gotthard Langhans war am 29. Juli 1817 abgebrannt.
  • “… Gestern wieder recht fleißig gearbeitet”Laut Tagebuch arbeitete Weber am Entwurf zum Terzett mit Chor Nr. 2 aus dem Freischütz.
  • “… ich dir wohl verschaffen können”C. Brandt dachte offenbar daran, die Titelrolle einzustudieren und das Stück zu ihrem Benefiz spielen zu lassen, entschied sich später jedoch anders; vgl. Webers Brief an C. Brandt vom 22. August 1817.
  • “… Ebers , Abends aufs Bad”Zu den im Theater auf dem Linckeschen Bad gegebenen Werken vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 20. August 1817.
  • “… . d: 6 t gearbeitet”Laut Tagebuch arbeitete Weber am Terzett mit Chor Nr. 2 aus dem Freischütz (Entwurf bis zum Beginn von T. 147).
  • “… ihr auf die Gemälde Ausstellung”Zu der am 3. August 1817 eröffneten Ausstellung der Dresdner Kunstakademie vgl. u. a. den Bericht in der Allgemeinen Zeitung, 1817, Beilage Nr. 110 (9. September), S. 465.
  • “… ich spielte ihm was vor”Auch G. Siboni dürfte Weber hier eigene Kompositionen präsentiert haben; vgl. Webers Brief an C. F. Peters vom 8. August 1817.
  • “… künftige Woche in Pillnitz singen”Zum Auftritt am 11. August 1817 vgl. auch den Brief vom selben Tag inklusive Kommentar.
  • “… , und dann nach Petersburg”Sibonis Reise ging weiter nach Wien, wo er aufgrund „eine[r] gefahrvolle[n] Krankheit“ den Plan einer Reise nach St. Petersburg zunächst aufschieben musste; vgl. AmZ, Jg. 20, Nr. 1 (7. Januar 1818), Sp. 18. Im Oktober 1818 traf er schließlich von St. Petersburg kommend in Stockholm ein; vgl. Münchener Politische Zeitung, Jg. 19, Nr. 259 (2. November 1818), S. 1167.
  • “… d: 7 t früh gearbeitet”Laut Tagebuch am Freischütz, Entwurf des Terzetts mit Chor Nr. 2 (vermutlich ab T. 147).
  • “… gräßlich – doch gefiel es”Zur Aufführung im Morettischen Hoftheater (in der Stadt) mit G. Bergmann als Floresky vgl. die Berichte in der Abend-Zeitung vom 20. und 25. August 1817.
  • “… erstenmale hier deutsch singen wird”Damit in Zusammenhang steht wohl auch die im Tagebuch am 5. August 1817 festgehaltene Probe mit der Sängerin. Bereits am Prager Ständetheater hatte L. Sandrini 1807/08 in deutschsprachigen Opernaufführungen mitgewirktT; in Dresden trat sie laut Tagebuch erstmals am 25. September 1817 mit einer deutschsprachigen Partie auf.
  • “… aufgetreten, was ist an ihm?”Luzac spielte laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 342) am Prager Ständetheater nur am 13. Mai 1817 den Max in den Verwandtschaften.
  • “… von Clauren Die Vorposten gefallen?”Claurens Schauspiel war laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 344) am Prager Ständetheater am 26. Juni 1817 zum Benefiz für Friederike Krickeberg und deren Tochter Friederike gegeben worden.

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