Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 5. September 1817 (Nr. 87)
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Im neuen Hauptquartier, an dem alten schwarzen Schreibschrank an dem ich so manchmal Nachtische gerechnet habe, und dabey einen Buß bekam, – sizze ich jezt, und grüße dich herzinniglich mit einem schönen guten Morgen, meine vielgeliebte Lina. das Ausziehen ist eine böse Sache, besonders so wie es mir geht, weil der Profeßor noch nicht ganz heraus ist, und ich mich also von einem Winkel in den andern schupsen muß, auch alle Augenblikke es an etwas fehltT. d: 1t Sept. nachdem ich meine 86 abgeschikt hatte, ging auch Bomsel bald wieder fort, und ich kramte, und pakte zusammen. Er hat mir recht viel von dir erzählen müßen, und das hat er auch gethan und zwar lauter Liebes und Gutes, So daß mir sein Besuch recht viel Freude gemacht hat. bald wird er dir es eben so machen können. d: 2t hatte ich um ½ 9 Uhr schon Probe von Makbeth. dann ging es an ein ordentliches Ausziehen. da es mir ganz an ordinären Stühlen fehlte so kaufte ich 6 Stük die gar nicht übel sind für 7 rh: Ließ mir eine Bettstelle aufschlagen von der Mukkin, und schlief darinnen die erste Nacht voll Errinnerung an meine geliebte Braut ein, die bald still kuschelnd an meiner Seite ruhen soll. ich bin gleich in das hintere Quartier gezogen um mich daran zu gewöhnen. Laufe nun den ganzen Tag jede freye Stunde herum, um Tischler, Tapezier, Schloßer, Maurer pp auszuforschen und zu erfragen die die besten sind. d: 3t‡ hatte ich um 10 Uhr bis ½ 2 Uhr GeneralP: von den 2 Worten. dann aß ich bey Sassarolli mit Morlacchi pp und erhielt deinen lieben Brief No: 87, der nur ein Ton von dem Akkord war, der in meinem Inneren ganz lebt. Mein geliebtes gutes Leben, gegen dergleichen Dinge ist nicht anzukämpfen in der Welt, und sie sind begriffen in dem einen Wort, DienstVerhältniße. du kennst nebst meiner großen Sehnsucht nach dir, auch wie sehr ich daran hänge, einmal bestimmte und vorbereitete Dinge zu halten, und wie ungemein unangenehm mir dieses ist*. Aber es ist nun einmal nichts anderes zu thun als das gute Wörtlein, Geduld das wir fast schon abgedankt hatten, wieder ganz still hervorzusuchen. Zu meinem Trost sagte mir Gestern Graf Vizthum daß die Prinzeßin d: 1t 9ber schon in Florenz sein müste, und daher die Feyerlichkeiten gewiß in der ersten Hälfte des 8ber wären*. daß ich eine halbe Stunde nach dem lezten Dienst in den Wagen steige kannst du denken. das mit dem Aufgebot ist eine fatale S‡ache, ich glaube aber daß sich das auch abmachen läßt, und auch 6 Wochen nachher noch gültig ist. der gute Dr: der nun schon s‡ einmal so treu unsre Angelegenheit führt, wird auch das zu schlichten wißen. daß du nicht mehr spielen willst ist mir doppelt lieb*. Was die Reden der Menschen betrifft so konnte meinem klugen Mukkel wohl nur im ersten Augenblik so etwas in Kopf komen, denn kein Mensch kann | sich wundern, daß man unter solchen Umständen, den Urlaub ein paar Wochen später erst bewilligt bekömt. ich möchte dir wohl dafür ein bischen Haue geben, wenn wir nur nicht ohnedieß schon geschlagen genug wären. ja ja gieb nur acht, am Ende sage ich, der König ließe mich gar nicht Heyrathen, und ich laß dich sizzen – – Etsch! o weh! ich habe dir ja schon erzählt daß er mir dazu gratulirt hat, da kann ich dir also den Schrekken nicht mehr einjagen, das ist Schade, denn etwas hättest du wohl verdient, daß du mir zwar gleich einen Extra Brief schreibst, aber den ordentlichen Posttag darüber versäumst. ist das Recht? und habe ich das jemals gethan? aber die Mamsell Muks ist verstimmt, und mag nicht mit ihrem Carl plaudern, auf den sie doch auch ein bißel bös ist, sie weiß zwar nicht warum aber sie ist es doch, O ich kenne dir, Spiegelberg!!* Was die Nummern betrifft, so wird wohl wahr werden was ich einmal im Scherz behauptete, nehmlich daß die 100 voll werden müsten*, um das Jahr, 2 auf die Woche gerechnet heraus zu bringen. Nun Puntum! ich bin froh daß es so weit ist, ich‡ kann doch nun die Tage zählen, und vielleicht schikt der Zufall alles so schön daß ich die Mukkin noch überrumpeln kann.
Abends ging ich ins Terpodion Concert*. Gestern d: 4t früh ½ 9 Uhr aufs Bad, GeneralPr: der 2 Worte. wieder in die Stadt in die Tapeten Fabrik pp Mittag im Engel, Abends die 2 Worte gingen vortrefflich und gefielen sehr. dann noch mit Kind im Engel. Heute habe ich nun vor der Hand die lezte ital: Lection genommen*, heute wird hoffentlich auch das Quartier ganz leer, und dann kann ich anfangen laßen zu arbeiten. es giebt entsezlich viel zu thun, denn nun sehe ich erst in wie schlechtem Zustande vieles ist, und was mir noch alles fehlt. Kourage! desto mehr freue ich mich auf den Augenblik wo ich dich hinein führen kann. sey aber deßhalb außer Sorgen, es wird für dich noch genug zu thun geben. Sonntag erfahre ich vielleicht etwas bestimteres. Gott gebe nur Gutes.
Nun ade geliebter Muks. Gott segne Dich + + +, sey brav Geduldig, heiter, und gesund, Grüße mir 1000 mal dankend den guten Dr: und die lieben Seinigen, auch die Mutter, und behalte recht ordentlich lieb, deinen dich über alles liebenden treuen Carl
Millionen Bußen
Wenn von dem gelben Möbel Zeuge* noch etwas zu haben ist, so kaufe es doch, man muß doch etwas zum ausbeßern haben.
Editorial
Summary
über Probleme mit dem neuen Quartier, Proben, Privates; die bevorstehenden Feierlichkeiten, Probleme mit dem Aufgebot, Besuch des Terpodion-Konzerts; erwähnt seine letzte ital. Lektion
Incipit
“Im neuen Hauptquartier, an dem alten schwarzen”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 19Physical Description
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- am unteren Rand der Verso-Seite Zusatz von F. W. Jähns (Tinte): “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”
Provenance
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“t”“0” overwritten with “t”
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“S”“s” overwritten with “S”
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“s”crossed out
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“ich”“ist” overwritten with “ich”
Commentary
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“… ungemein unangenehm mir dieses ist”Gemeint ist die Verzögerung der eigenen Hochzeit durch die Dresdner Verpflichtungen.
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“… willst ist mir doppelt lieb”Ihre Abschiedsvorstellung auf dem Ständetheater gab Caroline Brandt erst am 30. Oktober 1817; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 348).
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“… ich kenne dir , Spiegelberg!!”Weber verwendet hier ein Zitat aus Friedrich Schillers „Die Räuber“, II. Akt, 3. Szene, in der Karl Moor zu Spiegelberg sagt: „Ich kenne dich, Spiegelberg“.