Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 8. September 1817 (Nr. 88)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

dermalen Mitglied des Ständi-

schen Theaters

zu

Prag.

Kohlmarkt 514

2t Stok

Lieber Muks

Das war recht gescheid und hat mir Freude und guten Muth gemacht, daß du in No: 2 wieder ein bißel eine andere Stimmung aussprichst als in No: 1. von dem du ganz richtig bemerkst daß du deine Haue für ihn kriegen würdest, die sind dir aber hiemit wegen den Verdiensten des 2t aufs feyerlichste und Gnädigste geschenkt. Du bist doch ein rechter Eigensinn, jezt da er sich einbildet mit seinen Nummern fertig zu sein, fängt er wieder von Vorn an*. hilft nichts alter Hamster die Numern gehen so lange ihre Bahn bis der Himmel ihnen Einhalt thut.      Ich sizze in Wirthschafts Angelegenheiten bis über die Ohren und habe gar alle Lust zu andern Arbeiten verlohren.

d: 5t war von 4–8 Uhr Probe von Medea. dann Dichter KreisT bey Kind, wo die Schröder deklamirte*.      d: 6t erhielt ich deine No: 1 wo ich die ersten 2 ½ Seiten mit Stillschweigen übergehe – – – den Brief von Louis habe ich dir nun schon geschikt, aber ich sehe nicht ein warum er nach Petersburg wandeln soll*, wir müßen ihn auf jeden Fall behalten, die Mutter kann ja daraus abschreiben was nöthig ist. – um 11 Uhr hatte ich Probe von den Mimischen Darstellungen* der Schröder. und bekam eine Kiste mit alten Büchern und Sachen von Mainz*. da hatte ich ein rechtes Leidwesen wie ich sah daß man mir in Stuttgart alle meine Familien Portraits schändlichst verlohren oder behalten hat. es ist recht traurig und thut mir unendlich wehe, nur ein von mir geschmirtes Bild meiner Mutter und ein gutes meines Vaters ist noch mit gekommen*.

Abends war das Benefiçe der Schröder*, brechend voll gegen 300 rh: Sie war sehr vergnügt mit ihrem Aufenthalt hier, und hat ungeheure Sensation gemacht, denn troz dem schönsten Wetter war es immer brechend voll bei ihr.      Gestern erhielt ich deinen lieben braven No: 2 oder 89. Wohl hast Du Recht daß ich krittlich bin, ja ich war wohl noch mehr und die Mamsell bemüht sich dann auch recht fleißig sogleich das Ihrige beizutragen durch verstekte Anspielungen, Mangel an Liebe pp wie ein kleines ärgerliches Kind – ja so – ich wollte ja No 1 nicht berühren. – Puntum.            da wurde ich eben abgerufen von Tapezier, Tischler und Schloßer – Au! Au! Au! Weist du wie viel Moußelin nur ins Schlafzimer kömt? 130 Ellen. ohne die Fenster Vorhänge. Au! Au! Au!      aber hübsch? ja! ja! ja! ich hoffe es wird der Mukkin gefallen. Schreib mir doch sogleich ob von dem gelben Möbel Zeuge* nicht noch zu haben ist und wenn es nicht mehr kostet als allenfalls 3 und ½ Gulden W: W: so kaufe mir gleich 60 Ellen und schikke sie mir schleunigst.      das Looß ist allerdings in einem von denen gelben Stühlen. – so nun wieder zu deinem Brief, und zwar zur Hauptsache. der Graf sagte mir Gestern daß die Prinzeß den 12t oder 15t 8ber hier abreisen müste, und da kannst du also denken daß ich da auch abkrazze. das ganz bestimte erfahre ich in ein paar Tagen. ich erklärte ihm daß meine Verhältniße es durchaus nicht erlaubten bis Ende 8ber vielleicht hier zu warten, und daß wenn die Feyerlichkeiten | sich soweit hinausschöben, ich auf jeden Fall dann e meinem ersten Plane gemäß d: 25t huj: abreisen würde. 14 Tage aber wollte ich gerne meinem Dienste gemäß opfern, die vererhteste Mamsell sehen also daß es mit ihren Reise und Gast plänen nichts werden kann.      so!      so ganz allein kömt ihr jezt die Lust an in der Welt herum zu laufen? nach Wien?* warum nicht gar! nein da wird nichts daraus. wenn Sie jezt was sehen will in der Welt so muß sie schön artig sein, und dem Herrn und König die Pot demuthsvoll bußen und sagen, ach, ich bitt unterthänig – mitnehmen!!! und dann werden Wir von Gottes Gnaden sehen was mit ihrem Gesuch zu thun sey. Die 14 Tage in den 8ber hinein zehre sie nur von eigenem Fette. –      Aber daß du im Gasthause wohnen sollst, ist mir recht fatal. geht denn das gar nicht anders an? so daß du nur die lezten Tage vor meiner Ankunft hin zögst? Es ist so unschiklich. Aber nun komme ich auf einen Punkt, wo mir wirklich der Verstand still gestanden ist wie ich deinen Brief las. aber sage mir, bist du denn ganz ein – Oz – geworden? du schreibst du habest dir schon recht den Kopf zerbrochen warum ich unsere Verbindung nicht hier feyern wollte? – Willst du denn die ganze Reise mit der Mutter nach Mannheim und mit mir dann weiter, als Mlle Brandt lieber machen? als, als meine Frau? oder soll ich dich jezt mit der Mutter hieher komen laßen um dann die Reise von hier aus mit doppeltem Umwege zu machen?      Nein das ist doch unbegreifflich, wo man Jahre lang davon gesprochen hat, wo alles so wohl gegründet und überlegt und ausgemacht ist, da fängst du erst an dir drüber den Kopf zu zerbrechen. oder willst du die Reise aufgeben, und die Mutter allein nach Mannheim reisen laßen? und du allein hieher komen? geh, du kriegst richtige Haue, denn die neusten Begebenheiten haben dich ganz Kunzifunz gemacht. hoffe aber daß in deinem nächsten Brief auf diesen, dir wieder der Verstand zurecht gerükt ist im Ett.

Mit der Mad. Sonntag nach Wien. nun ja! das wäre ein Leben. oder nach Leipzig, in die neuste Confusion hinein*. und dann, wie lange würde das dauern das hin und her schreiben und bestimen, und wo? sollte ich dich dann holen? oder wir uns heyrathen? Ey, der brillante Plan ist ganz mit dem Köpfchen davon gelaufen Mir scheint die Mama hat ihn ausgehekt.      So: nun hast du dein Kapitel und damit gut.          Was deine vielen Ausgaben betrifft so machst du dir wirklich unnüzze, was geht dich Z: B: des Lehrers* Namenstag an? die Trinkgelder kannst du auch mit dem Benefiz vollends abthun.      Ueber dem Benefiz aber liegt | für mich, nachdem ich mit Bomsel gesprochen habe, ein gewißes Dunkel, welches ich mir aufzuhellen bitte. Bomsel sagt du hättest deine volle Gage alle 14 Tage erhalten, und am Ende deines Contracts nichts mehr von der Liebich zu fodern. wozu also das Benefize?* das dich am Ende nur in Unkosten sezt? du habest ihm nach und nach 90 ƒ Conv: aufzuheben gegeben, warum das nicht gleich zum Ganzen geschlagen, wo es in die Verzinsung gegangen wäre? Mir scheint, mir scheint da ist etwas konfus, und nicht ganz so wie es sein sollte. sprich nur jezt recht ordentlich mit Bomsel darüber, denn das Benefiz blos für die Liebich zu geben ist doch auch kurios. Ists vielleicht so, daß Sie dir das Geld der Gage voll gegeben hat der Sicherheit halber, und du es ihr jezt gleichsam zurükzahlst auf einmal, was sie dir nach und nach gegeben hat? weil ein Benefiz doch meistens mehr trägt, als eine gewöhnliche Einnahme? Ich glaube wohl mein lieber Muks daß du recht elend jezt lebst, aber mir geht es um kein Haar beßer. Mein Wirth war erst Ende Sept: auszuziehen verpflichtet, das frühere ist Gefälligkeit.      Heute Nachmittag wird Küchen Geräth gekauft [d]a eben Markt ist. O du Krokantill du undankbares! ungetreues! wie sorge ich für dich, daß dich scho[n] im Voraus die Weiber alle beneiden – und du willst in die Welt laufen. – – [N]a, werde nur nicht bös, ich weiß schon du hast es gut gemeint wolltest noch ein bißel Geld holen. Geht nicht, jezt heißts ausgeben und dann sparen! und 3 mal sparen.

Unser Brautleben liebe Mukkin wollen wir erst in der Ehe führen. denn an das ganze eigentliche denke ich nicht gerne zurük. ich sehe nur hoffend vorwärts.      da du mit HandArbeiten fertig bist, so will ich dir eine sagen. Stikke einen Stuhl auf Kazeschmir*. wie ists denn mit dem von der Kleinwächter?      Zwiks Erfolg* freut uns Alle sehr. grüße ihn bestens.       deine Kleidchen die ich mit bringe sind herrlich gebleicht und gewaschen, und das TischZeug wird dir Spaz machen? wir haben jezt ohne dein Altes, 60 Serv: und 5 Tischtücher.

Mit meiner Laune und Gesundheit geht es gut, und wollte ich sehr zufrieden sein wenn es bey dir eben so ist. Drs: grüße mir herzlichst, auch Grünb. denen ich wünsche daß sie es nie bereuen mögen*.      alles Schöne an die Mutter. der Schreibschrank ist noch nicht da*. Eine böse Ausgabe ist auch ein Hofkleid. Degen pp.

Nun lebe wohl Gesund, und brav. Gott segne dich + + + und denke ordentlich und Recht erkennend an deinen dich gewiß über alles so innigst liebenden Carl.

Millionen Bußen

Editorial

Summary

erwähnt Medea-Probe u. Dichterkreis; hat die Kiste mit alten Büchern aus Stuttgart erhalten, die Familienportraits fehlen aber; über Benefice der Schröder, Einrichtung, Probleme wegen der Feierlichkeiten; schimpft über Caroline Brandts eigensinnige Reisepläne; zu ihrem Benefiz; Privates

Incipit

Das war recht gescheid und hat mir Freude

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 20

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • am unteren Rand der Adressenseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Text Constitution

  • “ohne”dreifach unterstrichen
  • “e”crossed out
  • denn“und” overwritten with “denn
  • “in”added above
  • istdeleted text illegible
  • unddeleted text illegible
  • “der Gageadded above
  • “d”supplied by the editors
  • “n”supplied by the editors
  • “N”supplied by the editors
  • “sparen”dreifach unterstrichen

Commentary

  • “… er wieder von Vorn an”Bezogen auf die Briefzählung.
  • “… , wo die Schröder deklamirte”Vgl. dazu auch die Tagebuchnotizen inklusive Kommentar.
  • “… er nach Petersburg wandeln soll”In St. Petersburg lebte Caroline Brandts Schwester Therese Kaffka, die offensichtlich über die familiären Entwicklungen (bevorstehende Hochzeit von Caroline, Wechsel von Louis Brandt nach Mannheim, wohin auch die Mutter umziehen sollte, Krankheit des Vaters) informiert werden sollte.
  • “… Probe von den Mimischen Darstellungen”Vgl. den Kommentar im Tagebuch.
  • “… Büchern und Sachen von Mainz”Zu den bis zu diesem Zeitpunkt von Gottfried Weber verwahrten Büchern und Musikalien aus dem Besitz Carl Maria von Webers vgl. dessen Brief an den Freund vom 21. Juli 1817.
  • “… Vaters ist noch mit gekommen”Die Bilder der Eltern Webers aus Familienbesitz befinden sich heute im Besitz des Dresdner Stadtmuseums (ausgestellt im Weber-Museum in Dresden-Hosterwitz). Die Miniatur der Mutter ist tatsächlich künstlerisch weit weniger bedeutend als das Gemälde, das den Vater zeigt, allerdings doch deutlich besser, als dass es eine Kinderarbeit Webers sein könnte; die Angabe zur Autorschaft bleibt somit fraglich.
  • “… war das Benefiçe der Schröder”Vgl. u. a. den Bericht in der Beilage zur Abend-Zeitung vom 20. September 1817.
  • “… von dem gelben Möbel Zeuge”Bezugsstoff zur Reparatur eines Stuhls; vgl. Webers Brief an C. Brandt vom 31. August (bis 1. September) 1817.
  • vererhtesterecte “verehrteste”.
  • “… zu laufen? nach Wien ?”Zum unmittelbar darauf wieder verworfenen Plan einer Gastspielreise Caroline Brandts nach Wien vgl. auch den nächsten Brief.
  • “… in die neuste Confusion hinein”Das neue Leipziger Theater war am 26. August 1817 eröffnet worden.
  • “… dich Z: B: des Lehrers”Vermutlich Caroline Brandts Sprach- oder Zeichenlehrer; zu Französisch-Lektionen sowie zum Zeichen-Unterricht vgl. Webers Briefe vom 5./7. Februar, 17. März und 27. Juni 1817.
  • “… wozu also das Benefize ?”Als Benefiz wählte Caroline Brandt den Tyroler Wastl (Premiere der Neueinstudierung am 17. September 1817, sie gab die Lisa); vgl. Abend-Zeitung. Ihre Prager Abschiedsvorstellung gab sie laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 348) am 30. Oktober 1817 als Rosalie im Incognito.
  • “… Stikke einen Stuhl auf Kazeschmir”Verballhornt aus Kaschmir.
  • “… der Kleinwächter ? Zwiks Erfolg”Zu Zwicks Prager Gastspiel vgl. den Kommentar zum Brief vom 31. August / 1. September 1817.
  • “… sie es nie bereuen mögen”Gemeint ist der bevorstehende Wechsel von Prag nach Wien (statt Dresden, wie von Weber erhofft).
  • “… Schreibschrank ist noch nicht da”Er traf laut Tagebuch am 6. Oktober 1817 ein.

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