Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Donnerstag, 7. bis Samstag, 9. März 1822 (Nr. 9)
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Obwohl müde, matt und abgetragen, könnte ich doch nicht ruhig schlafen wenn ich der Mukkin nicht noch sagte, daß ihre Männe heute Abend einen Triumph gefeyert hat wie er selbst in Wien an Enthusiasmus fast beispiellos ist*. Man hat mich nur 4 mal herausgerufen p p p p kurz, es ist fast unbeschreiblich und fehlte nichts dabey als die treue mitfühlende Weibe, die wie ihr Carl in Ihr, auch nur in Ihm ihr höchstes Glük findet. Morgen mehr, und so viel als sich brieflich sagen läßt. heute nur noch ein inniges ans Herz Drükken in Gedanken, und gute + + +.
Gute, gute Nacht.
d: 8t früh. Schönsten guten Morgen Frau Mukkin, haben Sie so gut geschlafen als der Muks so war es ungemein süß und ruhig, so recht wie man es selbst während des Schlafens schmekt. nun also erzählen, obwohl sich das ausführlich Schwarz vorbehalten hat. Nachdem ich d: 6t abends meine No: 8 an dich abgeschikt hatte gieng ich zur Grünbaum. Die arme Frau dauert mich, sie hat ein Talent sich verhaßt zu machen, das unglaublich ist. überall höre ich über sie losziehen wie einst in Prag. von da gieng ich das Ballet Nina zu sehen, wo mich die Rozier zu Thränen rührte*; da sollten die Sängerinnen hingehen und lernen. dann nach hause, und noch einiges zu meinem Concert* aufgeschrieben und geordnet. Gestern früh, Visiten wie gewöhnlich*. Mittag bei der Krauß.
d: 9t 1 Uhr. So weit war ich Gestern gekommen, darauf, ewige Stöhrungen. also weiter im Texte. Die Krauß ist die gebohrne Wranitzky die bei uns in Dresden war*. da wurde viel von der Mukkin gesprochen, Sie war unerschöpflich in deinem Lobe, und das that der Männe wohl. Nach Tische ein bischen geschlafen, und dann ins Theater. Kaum ließ sich mein Kopf am Eingange des Orchesters blikken, gieng der Beifall sturm los. 3 mal. ebenso nach der Overture, nach jedem Abschnitt, nach dem Viktoria, dem Marsch, das He, he wurde repetirt. in dem Ensemble Stük jede Stelle beklatscht. das Trinklied wiederholt. Max Arie, Kaspers Arie*, jedesmal stürmisch am Schluße. Der Aplaus begleitete mich aus dem Orchester, und rief mich heraus, kaum wandte ich den Rükken, flog ein LorberKranz mit Atlasband wo in Gold Wien, d: 7t März 1822 darauf gestikt mit 2 Gedichten aufs Theater*. sie riefen mich also wieder heraus. ich lehnte aber natürlich das Aufheben des Kranzes ab. Wie ich ins Orchester kam, wieder empfangen jedes Musikstük applaudirt. im 3t Akt wieder empfangen. Jägerchor da Capo. am Schluß herausgerufen, da trat ich in die Mitte des ganzen Personales, das war ihnen aber noch nicht genug und ich mußte noch einmal allein erscheinen. dann riefen sie die Schröder zu deren Benefiz es war. Der Bukkel that mir ganz wehe, von lauter Verbeugungen, und ich wußte sie gar nicht mehr dankbar genug aufzutreiben. Es gieng aber auch alles vortrefflich, und der Eifer im ganzen Personale war wirklich glühend. Niemand errinnert sich einen solchen aus dem Herzen | kommenden, allgemeinen ohne den geringsten Wiederspruch, errungenen Triumph erlebt zu haben. dann gieng ich noch in Erzherzog Carl, in einen Zirkel Künstler und Kunstfreunde.
Ach hättest du doch dabey sein können. so geht es daß der Himmel immer noch etwas zu wünschen übrig läßt sonst müßte man ja am Ende übermüthig werden. Aber nein, ich bin immer noch die alte in Gott demüthige Männe, die nicht begreifft wo es ihr sizt.
Gestern Mittag war ich bei der Weißenthurn, recht angenehm. dann hatte ich eine ConcertProbe* wo ich die Jubel Overture dirigirte. dann fuhr ich in das herrliche Theater an der Wien eine Pantomime zu sehen. dann zu einem Soupeè das 24 Künstler mir zu Ehren veranstaltet hatten*. bis 1 Uhr, deßhalb bin ich auch heute verschlafen gewesen, und erst um ½ 11 Uhr!!! aufgestanden. Heute Mittag bin ich bei der Caroline Pichler, und abends dirigire ich den Freyschütz wieder. ein Brief von der Weibe sollte eigentlich schon da sein. ach Gott ich habe recht Sehnsucht nach hause, und kann es kaum erwarten bis ich wieder im Wagen sizze. auch bedarf ich wieder der Ruhe nach all diesem Freuden Strudel, denn du weißt daß mich nichts mehr fatiguirt. Nun will ich mich vollends anziehen. ade derweile. da hast du unterdeßen die herabgeworfenen Gedichte zu lesen, die seidenen, mit dem jüngsten Kranze bring ich selbst.
Nachtische. Während dem Anziehen brachte mir Griesinger Brief von dir und Böttiger, und wie ich ihn aufmache sinds Fremde, und nichts von dir. endlich kam auch der Briefträger mit deinem lieben No: 7. Gottlob daß du Gesund bist, und auch guter Stimmung, das ist die Hauptsache, und giebt erst die Gesundheit. Mit mir geht es auch gut, bis auf Husten und Schnupfen, wo Schwarzens mich mit Sorgfalt fast quälen, und der Dr: auch, der es sich durchaus vorbehält erst zu sehen ob ich nach meinem Concert angegriffen bin, um mir Erlaubniß zur Abreise den Andern Tag zu geben. ach, ich kann nicht länger bleiben, und werde nur sehr ungern einen Tag vielleicht zugeben. Der H: Geheim Rath haben wie gewöhnlich nicht der Mühe werth gehalten mir zu antworten. So wie auch der H: Gesandte hier sich gar nicht um mich bekümmert. Es ist ordentlich als ob meine Behörden es sich vorgenommen hätten, mir ja den sächsischen Dienst zu verleiden. Gott ehre mir dagegen die hohen Herrschaften selbst. Also H: Morl: ist da. gut. — ein schöner Baßist — nun was will man mehr. Ich bin recht froh daß die arme Haase außer Gefahr ist, obwohl ich eine[n] gewißen Wunsch, wo das Deiferl aus einem spricht, nicht unterdrükken konnte daß dann die deutsche Oper geliefert wäre. Die Arie habe ich nun hier gefunden*. und die Grünb: singt sie nicht. also umsonst inkomodirt und Porto zugeben. Ich weiß es dem guten | Böttiger recht dank, daß er mir sogleich immer schreibt wie er dich gefunden hat, denn so recht traue ich dir doch nicht ganz.
Auch hier sind die Entzündungen und Fieber an der Tagesordnung, und man muß sich sehr halten. Also das X ist nicht ganz brav und thut der armen Weibe weh? ja ja, Mariechen* wird schwer. schone du dich nur recht, hörst du? d: 5t hast du dich umsonst abgezappelt mein gutes Herz. Allerdings Madam könnte Sie mir mehr schreiben da sie sonst nichts zu thun hat, aber ich weiß schon wie das geht, gelte? und am Ende fehlt es ihr auch an Stoff. Daran fehlt mirs nicht, aber an Zeit. manche hübsche Anektode‡ werde ich dir erzählen können. überhaupt was werden wir nicht alles zu babsen haben.
Nun muß ich aber schließen, da bringt Schwarz seinen Brief, und dieser muß auf die Pozt. also ade, ade ade! ich gebe dir gute gute + + + und Mariechen* auch + wie alle Morgens und Abends, Gott erhalte dich Gesund, bald, bald umarmt dich wieder, dein dich über alles liebender treuer
Carl.
Millionen Bußen [Kußsymbol]
Herzliche Grüße an alle Freunde!
Editorial
Summary
u. a. über den großen Erfolg der Freischütz-Aufführung; danach noch eingeladen in einem Zirkel von Kunstfreunden; beklagt sich darüber, dass der Geh. Rat (Könneritz) seinen Brief nicht beantwortet habe und der Gesandte sich nicht um ihn kümmere
Incipit
“Obwohl müde, matt und abgetragen”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Tradition
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Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 157Physical Description
- 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
- 1/4 Bl. abgeschnitten (= unteres Drittel d. 2.Bl.), vermutlich Adresse
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Corresponding sources
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ED MMW II, S. 424–425 [Auszüge]
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Kapp, Julius: Der Freischütz in Wien in: Die vierte Wand. 1927, S. 43–44 (am Tage nach der Auff., d.h. unter 8. März, unvollständig!)
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“Anektode”sic!
Commentary
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“… an Enthusiasmus fast beispiellos ist”Zur Aufführung des Freischütz unter Webers Leitung im Kärntnertortheater vgl. auch die Aufführungsbesprechungen u. a. in der Wiener allgemeinen Theaterzeitung vom 12. März, der AmZ vom 16. und 20. März, der Abend-Zeitung vom 18. März, der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode vom 19. März und der Zeitung für Theater und Musik vom 23. und 30. März 1822.
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“… die Rozier zu Thränen rührte”Vorstellung in der Hofoper (Kärntnertortheater); T. Rozier tanzte die Titelpartie.
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“… Gestern früh, Visiten wie gewöhnlich”Laut Tagebuch erhielt Weber Besuch von A. P. Benelli, F. von Schlegel, S. A. Steiner und I. F. von Mosel.
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“… mit 2 Gedichten aufs Theater”Die Gedichte werden u. a. in den Erinnerungen von Costenoble, Rosenbaum, Bauernfeld und Matthias Franz Perth, im Brief Griesingers vom 9. März 1822 und selbst im Wiener Polizeibericht vom 10. März 1822 erwähnt; vgl. Weber-Studien, Bd. 8, S. 453 und 455–458. Eines (auf Atlas gedruckt und an einen Lorbeerkranz geknüpft, der aus der Loge der Sophie Schröder auf die Bühne geworfen wurde) stammte von Franz von Schober („Wohl kann die Zeit der Wahrheit sich entwöhnen“). Ein weiteres, von den Galerien verstreutes („Erschaffend dringt aus lichten Äther-Räumen“) wurde nachfolgend in mehreren Wiener Zeitschriften abgedruckt; sein Verfasser blieb anonym. Vermutlich durch Caroline von Weber wurden beide Gedichte den Herausgebern der Dresdner Abend-Zeitung zugänglich gemacht, wo sie am 18. März 1822 publiziert wurden.
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“… Weibe weh? ja ja, Mariechen”Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
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“… + + + und Mariechen”Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.