Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Donnerstag, 9. Dezember 1824

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Herzlieber Bruder!

Außer einem Gruße den Lecerf überbrachte*, habe ich recht lange nichts von dir gehört, und es drängt mich recht einmal wieder mit dir zu plaudern, obwohl das was ich eigentlich mit dir besprechen möchte, viel zu umfaßend und weitausgreiffend für briefliche Mittheilung ist, und mich daher immer eine prikkelnde Ungeduld ergreifft, fühle ich in mir so Vieles was ich dir sagen, dich fragen, mit dir berathen möchte, und es komt am Ende so wenig davon aufs Papier was nur einigermaßen werth ist verhandelt zu werden.      Wäre der Dalei lama und Ritter Sp: nicht in B: ich glaube ich hätte längst über Leipzig mit dem Eilwagen einen Abstecher zu dir gemacht, um einmal recht mein Herz ausschütten zu können. So aber wüßte ich nicht wie ich mich diesem gegenüber stellen sollte. Eine neue Unverschämtheit des H: Ritters hat mich zu der beiligenden etwas schärferen Erwiederung veranlaßt, die vielleicht Händel giebt.      Es ist aber wirklich nicht zu ertragen was sich der Mann alles erlaubt. 1ns) hat er durch diesen Theatercoup wieder einmal das Publik: für sich stimmen wollen, denn, er hat, 2tens) gewiß davon gehört ich gienge nach England, und die Sache wäre dann durch meine Schuld zu Nichts, 3t) sollten also, wäre es wirklich sein Ernst, in dem kurzen Carneval der Anfangs Februar schon endet, wieder die beiden Opern Jessonda und Euryanthe übers Knie gebrochen werden?

Schreibe mir ja was du von der Sache hältst, und wie die Berichtigung in Berlin wirkt.

Mit meiner englischen Angelegenheit steht es wunderlich. d: 5t 8b habe ich den lezten Brief von Kemble erhalten, wo er mir Faust oder Oberon zur Comp: vorschlug, und sich begnügte mich die 3 Monate der Season, May, Juny und July in London zu haben. | hierauf antwortete ich ihm d: 7t 8b und wählte den Oberon. seitdem habe ich keine Zeile erhalten.      daß es nun unmöglich ist noch eine Oper zu componiren bis Ende März, ist klar. vielleicht gehe ich aber blos zur Direction des Freyschüzzen und der Preciosa hin. diese Ungewißheit wirkt ziemlich verstimmend auf mich ein. dazu kömt mein abermals überhäufter Dienst, wegen Morlachis fortdauernder Krankheit, ein gewaltiger Trübsinn meiner Frau in ihrem jetzigen Zustande*, und eigenes Unwohlsein, so daß ich einen recht trüben Winter verlebe, und kaum Aussicht zu Beßerm vorhanden ist. auch alles geht mir seit einiger Zeit widrig, sogar manche Geld Angelegenheiten mit bösen Schuldnern pp*.      So ist nun 1 ¾ Jahr verfloßen ohne daß ich eine Note geschrieben hätte, und ohne doch diese Zeit zur Erholung verwendet zu haben. — —

Es hat uns große Freude gemacht deinen Schwager hier zu sehen*. wie liebenswürdig ist dieser junge Mann; eine rechte Seltenheit unter den jungen Leuten unserer Zeit. Alle Anmuth seiner Schwester, und verständige, natürliche Bescheidenheit ziehen alle Menschen an ihn.      Ich bin aber eigentlich recht beschämt so gar nichts für seinen hiesigen Aufenthalt haben thun zu können. Er traf in eine recht verstimmte Zeit, und die beiden Gesellschafter die er bei sich hatte, waren auch hinderlich.

Vor kurzem habe ich einer Prüfung beigewohnt, die die Logiersche Schule veranstaltet hatte*. da erlebte ich viele Freude, die Methode ist wirklich vortrefflich; ich bin immer mehr von ihrer wahrhaften Nuzbarkeit überzeugt, und meine Achtung für den geistreichen Erfinder derselben, steigert sich dadurch immer höher. ich bitte dich ihn bestens von mir zu grüßen.

Ich werde abgerufen. Farewell für Heute, Gott erhalte Euch alle gesund, und behalte lieb deinen ewig treuen Weber

Editorial

Summary

allgemeiner Unmut Webers über die Intrigen bezüglich der Berliner Euryanthe-Einstudierung, die Ungewissheit wegen der London-Pläne, Überarbeitung durch Krankheit Morlacchis, Besorgnis wegen Trübsinn seiner Frau, Unwohlsein, Geldangelegenheiten, käme seit geraumer Zeit nicht zum Komponieren; Freude über Besuch Hothos; Lob für Logiers Methode

Incipit

Außer einem Gruße den Lecerf überbrachte

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

Text Constitution

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Commentary

  • “… einem Gruße den Lecerf überbrachte”Das Treffen mit J. A. Lecerf ist im Tagebuch nicht nachgewiesen.
  • “… Frau in ihrem jetzigen Zustande”Caroline von Weber war mit Alexander von Weber schwanger.
  • “… Angelegenheiten mit bösen Schuldnern pp”Vgl. die diesbezügliche Korrespondenz mit August Mayer.
  • “… deinen Schwager hier zu sehen”Vgl. die Tagebuchnotiz vom 18. Oktober 1824.
  • “… Logier sche Schule veranstaltet hatte”Vgl. Webers Tagebuchnotiz vom 1. Dezember 1824.

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