Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Donnerstag, 23. und Freitag, 24. März 1826 (Nr. 13)

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Ich muß der Weibe gute Nacht sagen, ehe ich ins Bett gehe. Du schläfst wohl schon hoffentlich ruhig und sanft mit deinen Völkern, und ich will den ruhigen Tag heute mit Angenehmem schließen. d: 21t wo ich No: 12 abschikte hatte ich noch einen harten Tag, oder Nacht vielmehr. um 4 Uhr aßen Smart und ich allein zu Hause. nach Tische schlief ich ein bißel. schrieb dann wieder, und gegen 9 Uhr fieng ich an mich zu rasiren pp um ½ 11 Uhr fuhr ich zu Lord Hertford*. Gott welche große Gesellschaft. herrlicher Saal 500–600 Personen da, alles im höchsten Glanze. fast die ganze italien: OpernGesellschaft, auch Veluti pp, 2 Trompeter, 1 Waldhornist, der berühmte Puzzi, und 1 Contrabass, der eben so berühmte Dragonetti. Da wurden Finales gesungen pp aber kein Mensch hörte zu. Das Geschwirr und Geplauder der Menschen Menge war entsezlich. wie ich spielte* suchte man einige Ruhe zu stiften, und circa 100 Personen sammelten sich theilnehmendst um mich, was sie aber gehört haben, weiß Gott, denn ich hörte selbst nicht viel davon. ich dachte dabey fleißig an meine 30 Guineen, und war so ganz geduldig.      Gegen 2 Uhr ging man endlich zum Soupèer, wo ich mich aber empfahl, und in mein Bett eilte.      Gestern d: 21t, gieng ich den ganzen Tag nicht aus. und arbeitete ziemlich ungestört. Das Wetter war abscheulich, kalt, Schnee und Regen. um 5 Uhr kam Fawcetts Familie und speiste mit uns, Abends kam noch mehr Gesellschaft, und es war recht angenehm und heiter. Doch skisirte ich mich bald nach 10 Uhr, denn ich war recht müde.      Heute habe ich denn auch den ganzen Morgen gearbeitet*, bin um 2 Uhr zu Lord Burghers gefahren um mit ihm das Arrangement des großen Academie Concerts zu besprechen das ich dirigiren soll*. und um 5 Uhr habe ich wieder fridlich mit Smart allein gegeßen, Nachtisch kamen Freunde mit denen mehrere Geschäfte besprochen wurden*, und nun bin ich hier um der Mukkin gute Nacht zu sagen, da Morgen der Brief fort muß und ich unter Tags nicht viel Zeit für mich habe. freylich wenn ich der Mukkin Sparsystem befolgen wollte, müßte ich alle 8 Tage nur einmal schreiben, aber ich weiß doch, daß jeder ankommende Brief dir eine frohe Stunde macht, und kann die wohl hoch genug angeschlagen werden. Auch darf ich hoffen daß meine Briefe dir Freude machen, denn sie enthalten immer nur Gutes bis jezt, Gottlob.      Man hat noch vielerley mit mir hier vor, was alles erst ausgekocht werden muß, ehe ich dir davon erzählen kann; so viel ist aber gewiß, die Leute meynen es gut, und rühren sich auch dafür, und sind nicht bloße Wünscher, oder Maulhelden.       Heute bin ich auch noch angenehm überrascht worden. Das erste mal wo ich bei Mad: Coutts eingeführt wurde und spielte, rechnete ich natürlich für nichts. heute schikt sie mir aber 60 Guineen statt dreyßig*. Das war erfreulich, fort damit in Satt. alles in Satt, und heim geschleppt. bis jezt kannst du mir nachrechnen was ich verdient habe, ich habe mir aber vorgenommen dir nichts mehr davon zu schreiben, so süß es mir auch ist dich den Wachsthum und die Ärndte meines Aufenthaltes mit ansehen zu laßen. aber ich will es mir aufsparen dir zu Hause das Resultat zu entfalten. spanne aber die Erwartungen nicht gar zu hoch, Millionen sind es nicht, doch hoffe ich es soll gut werden für einen bescheidenen Sinn.

Doch jezt gute Nacht, alter Herr! gebe dir gute gute + + +, und den guten Kindern auch. mein Husten ist brav seit ein paar Tagen, und ich darf auf eine gute Nacht hoffen. ade ade ade. Die besten Bußen zur guten Nacht. |

Welch ein betrübtes Wetter. kalt, Regen, Nebel. wenn man dabey so den ganzen Tag stille sizt und oxt, wird man ganz muffig, und möchte den ganzen Tag verschlafen.      Briefel von der Weibe ist nicht gekommen, ja, ja, der H: Schazmeister schreiben nur alle 8 Tage. — wenn nicht mein erster Brief ihn gleich rührt und auf beßere Gedanken bringt.      Freue mich gar sehr auf deinen nächsten Brief, weil du große Freude gehabt haben wirst mich endlich glüklich hier zu wißen, dann kommen wir mehr in den ordentlichen Zug, und du lernst nach und nach dich in meine Laage denken, und bist ruhiger.

Den ganzen Morgen habe ich an Brahams Rondo im 3t Akt instr: und hoffe es heute noch fertig zu bringen*. geschlafen habe ich nicht sonderlich; immer bißel unruhig denn ich habe den Schnupfen, /: den ersten auf der ganzen Reise, ist das nicht wunderbar? bei der Disposition die ich sonst dafür habe. :/ er ist aber nicht sehr arg, er hilft blos dem schlechten Wetter mich mopsig machen und bringt mich um meinen vortrefflichen Appetit, welches leztere ich ihm sehr übel nehme: denn es schmekt mir in der Regel ganz vortrefflich.      Leider muß ich noch vor Tische aus, zu Mad: Caradori, eine Arie durchsingen*, fatale Comission, die mir H: Moscheles aufgepakkt hat, weil sie eine Arie von mir in seinem Concert singt, und zwar deutsch. Curios, in England deutsch im Concert. wie sich die Welt umdreht.       Morgen hat nun der liebe Hausfriede ein Ende, und die Proben pp gehen wieder los*.      Der Oster Montag* hat aber seine Schrekken für mich verlohren, und was das seltsamste ist, ich werde an diesem Tage einen Oberon sehen. ja, ja, die hiesigen Theater cabaliren auch vortrefflich gegen einander. da haben sie in Drurylane einen alten Oberon der vor mehreren Jahren mißfallen hat, hervorgesucht, geben ihn mit vieler Pracht, Musik von verschiedenen Meistern, um das Publikum von unserem Oberon abzuziehen. das Publikum will aber meine Musik zum Oberon hören, und es ist sehr leicht möglich, daß das Dings ausgepfiffen wird, weil viele Menschen über diese Bosheit erbittert sind. mich ist es egal. ich gehe hin und sehe es mit an, vielleicht ist manche gute Idee weiter zu benüzzen.       jezt muß ich mich anziehen. ’s ist schon spät. weis auch weiter nichts zu schreiben, als daß ich die Tage, Stunden, ja Minuten zähle bis ich wieder heime kutschen kann. und wenn du in Dresden zählst und ich hier, so sollte man denken es müßte geschwinder gehn? Gelte?, ach nein, es geht erschreklich langsam. apropos, glaube nicht etwa daß ich dir den Tag wo meine Oper in Szene gehen soll verheimliche, bewahre, ich weiß ihn wahrhaftig selbst nicht. sollst es schon zur rechten Zeit erfahren. wenn ich dir erst schreibe daß ich ganz fertig bin, dann ists nahe dran.

Gott segne Euch Alle, + + +. und erhalte Euch Gesund und heiter.
Grüße alle Freunde bestens, nach der Oper werde ich an H: v: Lüttichau und Winkler pp schreiben. ich drükke dich und die Buben innigst an mein Herz, ewig dein treuer Carl.

[im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen.

Editorial

Summary

Tagebuch 21./22.3.: große Gesellschaft bei Lord Hertford; Arbeit an Brahams Rondo; Besuche; über den finanziellen Erfolg der Reise; will sich Macfarrens Oberon am Drury Lane anhören

Incipit

Ich muß der Weibe gute Nacht sagen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 220

    Physical Description

    • urspr. 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.), Bl. 2 bis auf 1 cm Rand abgeschnitten
    • Randmarkierungen mit Rötel, Blau- und Bleistift von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • MMW II, S. 678 (Auszug); Reise-Briefe 1823/1826, S. 126–129
    • Worbs 1982, S. 141–144

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “ist”added above
  • “… und oxt, wird man ganz”folgt gestrichener unlesbarer Buchstabe
  • “du”added in the margin
  • “… machen und bringt mich um”auf dem ursprünglich geschriebenen „um“ Randergänzung „mich“ und „um“
  • “… ich ihm sehr übel nehme:”Doppelpunkt aus Komma korrigiert
  • ausgepfiffen“ausgeffiffen” overwritten with “ausgepfiffen

Commentary

  • “… fuhr ich zu Lord Hertford”In dessen Villa im Regent’s Park.
  • “… war entsezlich. wie ich spielte”Laut Tagebuch spielte Weber eine freie Phantasie und seine Grande Polonaise.
  • d: 21trecte “22t”.
  • “… auch den ganzen Morgen gearbeitet”Laut Tagebuch vollendete Weber den Entwurf zum Rondo des Huon (Oberon, Nr. 20).
  • “… besprechen das ich dirigiren soll”Weber leitete am 10. April das 2. Royal Academic Concert, auf dem Programm standen u.a. seine Ouvertüre zu Der Beherrscher der Geister sowie Szene und Arie; vgl. The Harmonicon, Jg. 4, Nr. 41 (Mai 1826), S. 106–107.
  • “… denen mehrere Geschäfte besprochen wurden”Laut Tagebuch besprach Weber mit Ch. Neate die „Idee zur Subscription in ganz England“ (fraglich, auf welchen Gegenstand bezogen).
  • “… aber 60 Guineen statt dreyßig”Vgl. die Tagebuchnotiz und den Brief an Smart vom 23. März 1826; die Endabrechnung könnte aber darauf hindeuten, dass Weber sich irrte und die Zahlung nicht den beiden Auftritten 12. und 19. März bei H. Coutts galt, sondern (wie vereinbart) nur jenem am 19. März und jenem am 21. März beim Marquess of Hertford.
  • “… heute noch fertig zu bringen”Entwurf der Nr. 20 aus Oberon am 20. und 23. März; vgl. auch Kommentar im Brief an seine Frau Caroline vom 20./21. März 1826.
  • “… Caradori , eine Arie durchsingen”R. Caradori sang unter Webers Leitung im 3. Philharmonischen Konzert am 3. April 1826 die Konzertarie „La dolce speranza“, im Konzert von Moscheles am 7. April 1826 (vgl. Tagebuch) die Einlage-Arie zur Lodoiska; vgl. Webers Brief an seine Frau vom 7. April 1826. Gemeint ist wohl die letztere.
  • “… Proben pp gehen wieder los”Ende der Osterpause an den Theatern; vgl. den Brief vom 20./21. März 1826.
  • “… los . Der Oster Montag”Ursprünglich geplanter Termin für die Oberon-Premiere.

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