Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Korrespondenz-Nachrichten, Januar 1813
Korrespondenz-Nachrichten.
Prag, Januar.
In den Verhältnissen unserer Theater-Direktion fürchtete man in den letzten Zeiten einige Veränderungen. Es hieß, der Direktor, Hr. Liebich, würde als Regisseur nach Wien gehen, und dies wäre ein wahrer, vielleicht der unersetzlichste Verlust für uns gewesen; denn er ist in jedem Betracht der Vorzüglichste unter dem männlichen Personal unsrer Bühne, und vielleicht der Einzige, der unter den gegenwärtigen Umständen das Ganze auf einem respektablen Fuß zusammen zu halten vermag. Die Stände gewährten ihm aber mehrern Vortheil, worunter der Ankauf des Privilegiums der Redouten für ihn, von der bisherigen Eigenthümerinn, nicht unbedeutend ist, und so blieb es beim Alten. Es ist nur zu wünschen, daß Hr. Liebich uns künftig nicht so sehr mit Neuigkeiten vernachlässige; denn in dieser Hinsicht stehen wir den schlechtesten deutschen Bühnen nach. Außer einigen Kleinigkeiten von Lembert und was Kotzebue in seinem Almanache zum Besten gab, erinnert sich Referent seit langer Zeit nicht, etwas Neues bemerkt zu haben. Selbst die Benefiz-Vorstellungen der vorzüglichsten Mitglieder unsrer Bühne brachten, außer der Oper, Johann von Paris, nichts Bedeutendes zum Vorschein; sie wählten alte Stücke, und haschten nur nach auffallenden Titeln, unbekümmert, ob die Sachen selbst gefallen könnten; so wählte Mad. Brede Deodata, in der sie selbst, die wir doch so selten sehen, die stumme Rolle der Heldinn übernahm. Hr. Beyer wählte sogar das schon vor vielen Jahren in Nord-Deutschland ausgezischte Schauspiel, der Sturm von Magdeburg, von Schmidt; Mad. Löwe nahm die verschrobene Tony, von Körner u. d. m.
Nun wird auch ernstlich an einer neuen Organisation unsrer Oper gearbeitet, welches dem Hrn. Liebich, wie es heißt, bey den neuen Vortheilen, die ihm eingeräumt wurden, zur Bedingung gemacht ward. Der Anfang ist durch das Engagement eines neuen Musik-Direktors in der Person des Hrn. Kapellmeisters Weber aus München, statt des bisherigen Hrn. Wenzel Müller, gemacht. Die Forderungen des Letztern an die Direktion sollen zuletzt etwas übertrieben gewesen seyn. Ob wir uns verbessern werden, muß die Zeit lehren. Der Letztere ließ wenigstens den alten Ruhm unsers Orchesters nicht sinken. Ob mit ihm auch seine Tochter, unsre erste Sängerinn, abgehen werde, ist in diesem Augenblick noch nicht entschieden. Mlle. Müller gehört, trotz ihrer schlechten Aussprache, und ihres oft alle Gränzen überschreitenden Manierirens, gewiß zu den ersten Künstlerinnen Deutschlands, und ¦ ihr Verlust würde vielleicht schwerer zu ersetzen seyn, als man hier glaubt.
In musikalischer Produktion haben wir seit der Durchreise des Hrn. Spohr nichts von Bedeutung gehört. Wir werden jetzt selten von ausgezeichneten Gästen besucht; ihre Ernten fielen in den letzten Jahren, besonders wegen unsers Geld-Kourses, sehr kärglich aus; zudem wurden Koncerte, um das Theater zu begünstigen, sehr erschwert. Das mag denn wol Manchen abschrecken, seinen Weg zur Kaiserstadt über Prag zu nehmen.
In unsrer Journalistik sind keine große Veränderungen eingetreten. Der Hesperus und die ökonomischen Neuigkeiten gehen ihren Gang mit Erfolg fort. Auch der Volksfreund hält sich noch; der Jocus aber hat mit dem Ende des ersten Jahres seinen Stab niedergelegt. Dagegen ist bey Calve das erste Heft einer neuen Zeitschrift, Kronos betitelt, erschienen, dessen Inhalt mehr als etwas Gewöhnliches verspricht. Es zeichnet sich gänzlich durch Original-Aufsätze aus, und wenn der Herausgeber auf dieselbe Weise fortfährt, so ist an einem guten Erfolg nicht zu zweifeln. Es scheinen ihm gute Quellen zu Gebote zu stehen; so enthält sein politischer Aufsatz einige bis jetzt unbekannt gebliebenen Aktenstücke. Ferner ist unter den Aufsätzen zu bemerken: ein Bericht von dem Erfolg der Missionen der englischen Methodisten auf den Südsee-Inseln, wovon, wie es heißt, noch interessante Fortsetzungen aus dem Original in den nächsten Heften folgen sollen. Ein Aufsatz von Clemens Brentano über ein von ihm verfasstes Schauspiel, die Gründung Prags betitelt, ist, obgleich in seiner Manier verfasst, äußerst interessant u. d. m. Das Ganze ist ein abermaliger Beweis, daß die österreichischen Staaten anfangen, in Hinsicht des Journalwesens mit dem übrigen Deutschland zu wetteifern; denn wahrscheinlich wird sich der Kronos auch seinen Weg dahin bahnen, welches wir ihm von Herzen wünschen.
Unser Karneval zeichnet sich bis jetzt nur noch durch die Redouten und öffentlichen Bälle aus, die zahlreich besucht werden. Diese und unsre Märkte, die in einem solchen Ueberfluß mit Allem versehen werden, was den Magen füllen und dem Gaumen schmeicheln kann, wie vielleicht in wenig großen Städten, und doch jeden Abend leer sind, stehen mit den ewigen Klagen über Theurung und schlechte Zeiten in auffallendem Kontrast. Im Grunde steht Alles, was zum nothwendigen Bedürfniß des Lebens gehört, und selbst die Hausmiethe, in billigen Preisen; allein sobald man mit dem Handwerker in Berührung kommt, oder Anspruch auf Luxus macht, so muß man im Verhältnisse mit dem Auslande ungeheuer zahlen, und wird weit schlechter bedient. Der vorurtheilsfreie Beobachter wird in diesem Allen nichts, als die Beweise eines in frühern Zeiten tief begründeten Wohlstandes und des Mangels an Kraft oder Willen, die üppige Lebensweise aufzugeben, finden.
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Mo, Ran
Tradition
-
Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 7, Nr. 50 (27. Februar 1813), pp. 200