Besprechung der Uraufführung des “Oberon” in London am 12. April 1826
London, Covent-Garden-Theater *). Mittwochs, am 12. April, wurde die lange besprochene romantische Zauberoper Oberon oder the Elf-King’s Oath (der Schwur des Elfenkönigs) zum ersten Mal auf diesem Theater aufgeführt. Die dramatische Bearbeitung des Stücks ist vom Hrn. Planché, die Musik von Hrn. Carl Maria von Weber.
Ueber die erstere spricht der Verf. bescheiden in der Vorrede zum Textbuche folgendermaassen:
„Die Geschichte, auf welche sich diese Oper gründet, erschien ursprünglich in der Bibliothéque bleue, unter dem Titel Huon de Bourdeaux. – Wieland benutzte die Hauptumstände und verwebte sie in seinen Oberon, welchen Hr. Sotheby in’s Englische übersetzt hat.“
„Der Gegenstand ist in Deutschland und England oft dramatisch behandelt worden, auch vom Hrn. Sotheby selbst in einer Masque, die aber, glaub’ ich, nie aufgeführt worden ist. Auf Hrn. von Webers Verlangen wurde eine neue Bearbeitung unternommen; den Plan des Stücks hab’ ich vornämlich der gelungenen Uebersetzung des Hrn. Sotheby zu verdanken; die Schwächen des Dialogs und des Lyrischen kommen auf meine eigene Rechnung. Es mag als der dünne Faden gelten, an den ein grosser Componist seine Perlen reihen wollte. Im vollen Bewusstseyn des Einflusses, den dieser Gedanke auf meine Bemühungen gehabt hat, fühl’ ich, dass selbst, was diesen Faden betrifft,
„Wenn Etwas ja ein Lob mir bringt,mit ihm muss ich es theilen. —„Ich bin die Rose nicht,“ wie uns der Perser singt,nur „bey ihr konnt’ ich weilen.“Folgendes sind die Hauptrollen:Karl der Grosse | Hr. Austin. |
Sir Huon von Guienne | Hr. Braham. |
Sherasman, sein Schildknappe | Hr. Fawcett. |
Der Kalif | Hr. Chapman. |
Babekan | Hr. Baker. |
Hassan | Hr. Isaacs. |
Reiza | Miss Paton. |
Fatima | Madame Vestris. |
Namouna, Fatima’s Grossmutter | Mistress Davenhort‡. | |
Almansor | Hr. Cooper. |
Sklave | Hr. Tinney. |
Roschma | Miss Lacy. |
Oberon | Hr. C. Bland. |
Puck | Miss H. Cawse. |
Die Oper beginnt in Oberons Laube mit einem Feenchore. Als Oberon erwacht, fragt er Puck, wo er seit dem „Hahnenschrey“ gewesen; dieser erzählt, dass er die Welt umkreiset und, ausser anderen Wundern, die er in diesem kurzen Zeitraum erfahren, den unglücklichen von Kaiser Karl dem Grossen verbannten Ritter Hüon von Bourdeaux gesehen habe; dass dessen Wiederkehr in sein Vaterland davon abhänge, dass er Reiza, die Tochter des Kalifen von Bagdad, zur Braut erhalte und die Person tödte, die ihn zur Linken bedränge. Nachdem Oberon geschworen, sich nicht mit Titania zu versöhnen, als bis –
ein zärtlich Paar,in Glück und Noth und Flut und Feuervon keinem Schmerz und keiner Lust besiegt,der angelobten Pflicht sich treu bewährt“fasst er den Entschluss, diese Parteyen auf die Probe zu stellen, um seines Eides ledig zu werden. Puck erhält Befehl, den Ritter Hüon und seinen Knappen Sherasman vorzuführen, und diess geschieht alsbald. Die Bühne öffnet sich, und an einem blühenden Ufer, das sich erhebt, sieht man sie schlafend. Reiza wird hier dem Hüon in einem Traumgesichte vorgestellt; dieser erwacht und erfährt von Oberon, dass er die Prinzessin erhalten und siegreich nach Frankreich zurückkehren werde. Dann schenkt Oberon dem Hüon ein elfenbeinernes Horn, durch dessen Macht er ihn zu sich bringen könne, selbst wenn Planeten sie trennten. Dem Sherasman schenkt er einen goldenen Becher, der dem Munde des Unschuldigen Wein, dem des Schuldigen geschmolzenes Bley gewähren werde. Nun werden sie an die Ufer des Tigris und nach Bagdad versetzt, wo Hüon von Namouna hört, dass Reiza am folgenden Tage vermählt werden solle, und Hüon beschliesst auf alle Fälle eine Zusammenkunft. Zuvor hatte er schon Babekan, seinen Nebenbuhler in der Liebe zu Reiza getroffen, und an ihm, zu dessen Unheil, die Probe mit dem Becher gemacht.
Hierauf werden wir zu Reiza und ihrer Dienerin Fatima, im Harem des Kalifen, am Abende vor ihrer Vermählung mit Babekan, eingeführt. Reiza ist von einer Vision tief bewegt, zu Gunsten des Paladins, und beschliesst, durch eigene Hand ¦ zu sterben, wenn er nicht zu ihrer Rettung kommt. In diesem Augenblicke zeigen sich Hüon und Sherasman, und es gelingt ihnen mittels des Zauberhorns, Babekan zu tödten und die Prinzessin mit ihrem Mädchen zu entführen. Oberon erscheint nun, sagt dem Ritter Hüon, dass er sein ritterliches Gelübde gelöset habe, und erklärt der Reiza, wenn ihr Schritt sie gereue, solle sie zu ihrem Vater, dem Kalifen, wieder zurückgebracht werden. Allein sie will jeder Gefahr, selbst dem Tode, eher trotzen, als von Hüon lassen.
Nun werden sie an den Hafen Ascalons versetzt, wo sie sich auf einem griechischen Fahrzeuge einschiffen, mit dem sie an einer Insel im Mittelländischen Meere durch einen von Oberon erregten Sturm scheitern. Hüon erscheint, seine Reiza stützend, die dem Tode nahe ist; er ruft den Lenker der Schicksale an; der goldne Becher schwimmt an’s Ufer, und ein Trunk daraus giebt der Prinzessin das Leben wieder. Hüon besteigt einen Felsen, um sich nach Hülfe umzusehen; da erscheint plötzlich ein Tunesischer Korsar; das Schiffsvolk landet, raubt die Prinzessin und lässt den Ritter Hüon, der zu spät zum Beystande herbeykommt, bewusstlos am Ufer zurück. Der Hauptmann des Raubschiffes überliefert bey seiner Ankunft zu Tunis seine schöne Gefangene dem Emir Almanzor, der sich in sie verliebt. Sherasman und Fatima sind auch zu Gefangenen gemacht worden, und werden einem Gärtner als Sklaven verkauft. In den Garten dieses Mannes schickt Oberon den Ritter Hüon, welcher von Fatima erfährt, dass die Prinzessin im Harem des Emir eingeschlossen ist. Er beschliesst, in Sklaventracht Einlass zu suchen, und findet im Garten des Harems einen Blumenstraus‡, welcher nach morgenländischer Auslegung die Gesinnungen des Gebers anzeigt. Er wendet sich an Fatima, und sie versichert ihm, der Strauss könne nur von Reiza kommen. Zufolge der auf einem Blatte der Blumen gegebenen Winke begiebt sich Hüon in den Harem und stürzt in die Umarmung einer verschleyerten Dame, die er für die Prinzessin hält, welche aber Roshana, Gemahlin des Emir ist, die sich in seinen Gefangenen verliebt hatte. In diesem Augenblicke tritt Almanzor herein und verurtheilt sowohl Hüon, als Reiza, die sich seinen Gunstbewerbungen wiedersetzt, zum augenblicklichen Tode.
Unterdess war dem Sherasman das Zauberhorn zu Händen gekommen, als er es im Garten hän|gend fand. Durch Fatima wird er bewogen, seine Zauberkraft zu versuchen, und sie wird wegen ihres kühnen Zweifels mit einem gewaltsamen Lachen bestraft. Sie hat die Gefahr Hüons entdeckt und bittet Sherasman, ihm zu Hülfe zu eilen. Er trifft gerade ein, als der Scheiterhaufen angezündet werden soll. Da stösst er in’s Horn: sogleich wird die ganze Versammlung von einer Tanzwuth ergriffen, und dreht und wendet sich nach der belebenden Musik. Darauf erscheint Oberon und verkündigt dem Prinzen und der Prinzessin, dass ihre Prüfung vollendet sey: er versetzt sie an den Hof Karls des Grossen, und der Vorhang fällt.
Der dramatische Theil dieses Stücks sollte bloss zum Vehikel der Musik dienen, und darf daher nicht mit kritischer Strenge beurtheilt werden. Manche Verse erheben sich weit über das Mittelmässige und zur wahren Poesie; doch hat der Plan, wie die Behandlung der Geschichte überhaupt, unleugbare Mängel und Schwächen. Die Ausstattung der Schaubühne ist glänzender, als wir sie je selbst in diesem Hause, das doch in dieser Hinsicht berühmt ist, gesehen zu haben uns erinnern. Die Maschinerie ist sehr geschickte angelegt und ausgeführt, die Decorationen sind reich und angemessen.
Von der Musik werden wir in einem nächsten Berichte sprechen; und wir bemerken daher hier nur im Allgemeinen, dass sie mehr auf das wissenschaftliche Urtheil der Kenner, als auf die grosse Menge berechnet ist. Sie ist nicht ohne Melodie – wie Manche behaupteten – doch ist diese für ungeübte Ohren durch eine fast übermächtige Fülle der Instrumentalbegleitung meist verdeckt. Wir hörten die Probe und bewunderten viele Partieen derselben; wir wohnten der ersten Aufführung bey, und bemerkten manches, was uns am Abend zuvor entgangen war; und wir zweifeln nicht, dass öfteres Anhören uns Schönheiten offenbaren werde, die bis jetzt unserer Aufmerksamkeit entgingen, welche noch zwischen dem Drama, der Musik, dem Bühnenschmuck und den auftretenden Personen getheilt war.
Hr. v. Weber führte selbst das Orchester an; er wurde mit einer Wärme empfangen, die selten, vielleicht nie, in einem Theater übertroffen worden ist; viele Beyfallszeichen ringsumher, mit bewillkommenden Hüten und Tüchern und jedem andern Merkmale der Gunst bezeugten die starke Vorliebe des Publikums für diesen Meister. Alles diess wiederholte sich zu Ende der Oper, da er – zufolge einer gemeinen und hässlichen Sitte, die sich in diess ¦ Land eingeschlichen hat, aber nunmehr in Frankreich, wo sie zuerst entsprang, verboten ist – auf die Bühne gerufen ward: ein Ruf, dem er, sehr zu seiner Ehre, sich auf eine Art fügte, die seine Abneigung gegen eine solche Vorladung ausdrückte.
Die Oper wurde wirklich in jeder Hinsicht mit einer Genauigkeit und Sorgfalt gegeben, die allen Mitwirkenden zur grossen Ehre gereichte. Miss Paton sang nie mit mehr Fertigkeit und Wirkung. Mad. Vestris unterstützte in ihren zwey ausdrucksvollen Arien trefflich die Absicht des Componisten. Der Miss Cawse fehlt es freylich an Kraft, ausserdem aber waren wir mit ihrer Leistung zufrieden. Hr. Braham that sein Bestes für diese Oper; er war nie bey besserer Stimme, und wurde nie mehr zu seinem Vortheil gehört, als in der grossen Scene: „Yes! even love to fame must yield.“ In den sanfteren Gesängen war er nicht minder glücklich. Was seine Action betrifft – so lange nur ein Sänger das Lächerliche meidet und sich vor Verstössen hütet, so wäre es unbillig, ihn hierin scharf zu beurtheilen. Von Hrn. C. Bland können wir nicht günstig sprechen; seine Stimme ist unangenehm, und seine Manier nicht viel besser, als seine Stimme. Warum übernahm nicht Hr. Duruset Oberons Rolle? wie wagte man sie in solche Hände zu geben? Das Orchester erfüllte seine Pflicht gut; der Chor verdient besonderes Lob für Genauigkeit sowohl in Hinsicht der Musik, als der Aufmerksamkeit auf die Scene.
[Original Footnotes]
- *) Aus dem Harmonicon.
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Tradition
-
Text Source: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 28, Nr. 27 (5. Juli 1826), col. 436–440