Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Dresden, Dienstag, 28. Februar bis Donnerstag, 2. März 1826 (Nr. 4)
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durch No: 10. No 4 den 28t Februar
Ich bin heut Abend einmal ganz allein, die gewöhnliche Gesellschaft ist im Theater den Allexander und Daruis‡ zu sehen, die Kinder sind zeitig ins Bett gegangen, da will ich mir ein Schäferstündchen machen und mit meiner guten Männe plaudern. Wo bist Du wohl jetzt? schon wieder weg von Paris? wahrscheinlich bist Du heute abgereist. Nun in ein paar Tagen bekome ich gewiß wieder einen Brief, und daß ich den mit Sehnsucht erwarte. daß brauche ich Dir wohl nicht zu versichern. 13 Tage bist Du erst fort, aber es kömt mir vor als wären es so viel Wochen. Diesmal schleigt‡ mir die Zeit recht! wie werde ich 4 bis 5 Monate erleben! — Die Sorge um Dich ist aber doch nicht gar so peinigend und ängstlich, als vorigen Somer, denn gott lob! Du warst doch wieder viel kräftiger! Unsere Buben sind recht frisch und munter, und auch ich wäre es, wenn der dumme Husten nachlaßen wollte, und meine beliebten Kopfschmerzen nicht wieder anfingen. Ich glaube aber daß kömt vom schnellen Wechsel der Witterung, denn seit ein paar Tagen ist es trotz dem vielen Regen doch sehr warm. Ich bin recht begirig zu hören was ihr für Wetter hattet[.] Gerne will ich mir die vielen Nebel gefallen laßen, wenn es die sind die nun England verlaßen. Beim Theater giebts jetzt viel Krieg. Die Mell Balazesi hat wegen überhäufter Beschäftigung den König um ihren Abschied gebeten. Der König soll ihn auch gleich bewilligt haben, aber Lüttigau habe darauf gedrungen daß sie ihren Kontrakt hällt. Wegen versäumter Probe soll er ihr den dritten Theil ihrer Monatsgage vorenthalten haben. Auch mit Pauli und‡ Zahlhaas und Heine hat die Direction Händel gehabt in den neuen Contrakten die sie unterzeichnen sollten steht nehmlich die Klausel: daß keiner sich künftig über zu viel noch zu wenig Beschäftigung beklagen darf. Das wollen nun natürlich die Herrn nicht unterschreiben, und das gleiche Schiksal hat aus Pauli und Zahlhaas die besten Freunde gemacht. —
Gestern habe ich auch die Dewrient besucht, aber ich bin über ihren Anblik recht erschroken. Du hast keine Idee von dieser Tot‡en bläße. Pinitz* soll geäusert haben: wenn sie je wieder singen könnte, so würde es doch gewiß in den ersten halben Jahr gewiß nicht sein — das sind schöne Aussichten für Publicum und Direction überhaubt mag es Lüttigau recht satt haben. Im Hause hat der gute Mann auch lauter Sorgen, denn mit ihr sieht es würklich bedenklich aus, sie kann schon seit mehreren Tagen das Bett nicht verlaßen. Bey Knoblochs geht aber alles gut, Mutter und Kind sind wohl. |
Du siehst geliebte Männe in den paar Tagen ist manches Neues, aber wenig gutes pasiert. Auch in der Stadt ist alles voller Bestürzung über die sich Taglich erneuernten Nachrichten von den Banquerotten der bedeutensten Häuser. auch Du bist zu keiner ganz günstigen Zeit nach Londen gekomen, denn wie man hört sieht es dort recht betrübt aus. Die armen Böhlers hatten ihr ganzes Erspartes bey Reichenbach und wenn der König sich nicht ins Mittel schlägt, was man allgemein hofft, so bekomen sie nur die Hälfte. Jetzt ist es würklich recht schlim wenn man sein Geld beim Banq‡uer stehen hat, der bravste Man ist jetzt nicht sicher. — Meine gute Mann! was werden die Antworten auf Dein Rundschreiben an die Directionen, für Porto kosten! schon ganze 15 sind eingelaufen, und fast alle fragen nach dem Preis des Ob‡eron. Wichtige Briefe sind noch nicht gekomen. Mit unsern guten Rothe geht es wieder beßer, aber leider ist an’s Ausgehen nicht zu denken bis es ganz schön Wetter ist, und damit kanns noch ein Weilchen Zeit haben. Ach, ich vermiße ihn recht den treuen Freund. Er schikt mir wohl immer seinen Bruder, aber Du weist, damit ist mir schlecht gedient. Keller kömt Täglich, zu fragen ob’s nichts für ihn zu thun giebt auch der junge Kaskel* kam schon ein paar mal (er trägt mir auch immer die herzlichsten Grüße auf) aber trotz dem daß die guten Leute würklichen herzlichen Theil nehmen, kome ich mir ohne Dich, doch so verlaßen vor, daß mich manchmal eine rechte Angst befällt. Welch ein Trost ist es doch einen so guten Mann zu haben, zu dem man in jeder Noth des Lebens flüchten kann! was wäre ich ohne Dich! — nein bitte bitte lieber Carl! gehe nicht wieder von mir! die Hälfte unseres Lebens verbringen wir in stäter Sorge und Angst, und das leidige Geld kann uns doch am Ende diese trübe Zeit nicht ersetzen, und uns unsere schöne jugend Zeit nicht zurük bringen. Die Buben wird der liebe Gott auch nicht verlaßen wenn sie brav sind. Versprich mir geliebter Carl kein neues Engagement einzugehen, wenigstens für die nächsten Jahre nicht. —
Doch nun gute Nacht für heute, ich weiß dir nichts weiter zu sagen, als daß Dich unentlich lieb hat Deine treue Lina
Nach meiner Rechnung muß mein geliebter Carl heute auf der See sein. — Die ganze Nacht habe ich Gott um eine glükliche Uiberfahrt für Dich gebeten[.] Wenn nur bey Euch auch das Wetter so schön ist, als es heute bey uns anfängt. ach es vergeht nicht eine Virtelstunde im Tag, wo ich | nicht mit meinen Gedanken bey Dir bin. Ich wollte erst diesen Brief so lange zurük behalten bis ich einen von Dir aus Paris hätte aber die Männe ist dann doch gar zu lange ohne Nachricht von Haus, drum mag er heute abgehen und Dir die Versicherung unseres Wohlseins bringen. Gebe Gott daß ich ein gleiches von Dir erfahre!! Hedenus besuchte mich gestern, und fragte nach Dir. zankte aber tüchtig daß ich für meinen Husten noch nichts gebraucht hätte, er hat mir Thee und Saft verschrieben, aber ich denke immer, so ein Husten will seine Zeit haben. Auch hat sich seit ich ihn habe die Beklemung auf der brust ganz verlohren es mag wohl der Vorbothe von dem Chatarr gewesen sein. Allexander und Darius soll recht gefallen haben*, aber mehr wegen den schönen Arangement, als wegen den Stük selbst. Beker wurde heraus gerufen. Tieks sind triumpfierent |
Ich mag gar nicht in’s Theater gehen, ich unterhalte mich nicht ein bischen dort. Rothe hat mir versprochen mit nach Hosterwitz zu ziehen, und das ist mir recht lieb, auch Dir wird es eine Beruhigung sein wenn ich nicht so allein bin. Mit seiner Gesundheit geht es Täglich beßer nur sehr schwach ist er noch. Keller fängt schon an zu bauen, und hofft bis zu Johanni den ersten Stok fertig zu haben[.]
Unser Max fängt an recht artig und folgsam zu werden, und macht mir dadurch viel Freude, auch der Kleine ist nicht mehr so knautschig, und wird jeden Tag posierlicher. Deinen Bild sagen sie jeden Tag: guten Morgen, und gute Nacht, und Max bedankt sich auch bey ihm für Eßen und Trinken. Die Kinder sind jetzt meine einzige Freude und Trost. Böttiger, dem es wieder beßer geht, hat schon mehre mal bey mir nachfragen laßen wie es Dir geht. Auch Nostitz und noch viele vom LiederkreisT. die Theilnahme ist, wie imer, groß. Wenn nur der 1000te Theil der fromen Wünsche in Erfüllung geht die für Dich geliebter zum Himel steigen, so wird Dich Deine Lina gesund, und ganz glüklich wieder in Ihre Arme schließen.
Gott segne Dich + + + behalte uns lieb ewig Deine treue Lina. Alle Freunde grüßen.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über Theater-Händel betreffs der Sängerin Palazzesi, außerdem um Pauli, Zahlhaas und Heine; der Gesundheitszustand der Sängerin Devrient sei noch bedenklich; über die Folgen des Bankrotts von Reichenbach; berichtet weiterhin, dass verschiedene Theaterdirektionen nach dem „Oberon“ gefragt haben, außerdem gesundheitliche Probleme und die Kinder
Incipit
„Ich bin heut Abend einmal ganz allein“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Themenkommentare
Textkonstitution
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„Daruis“sic!
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„schleigt“sic!
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„und“durchgestrichen
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„t“„d“ überschrieben mit „t“
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„q“„k“ überschrieben mit „q“
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„b“„p“ überschrieben mit „b“
Einzelstellenerläuterung
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„… To t en bläße. Pinitz“Fraglich, ob der praktische Arzt Moritz Pienitz oder der Arzt und Hebammenmeister Christian Gotthelf Pienitz.
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„… Darius soll recht gefallen haben“In der Premiere am 28. Februar spielten R. F. Julius den Darius, F. Schirmer die Statira und C. Becker den Alexander. Zusätzlich zu Ouvertüre und Chören aus Händels Alexanderfest hatte H. Marschner die Schauspielmusik (Tänze, Melodram und Schlussmusik) komponiert.