Caroline von Weber an Friederike Koch in Berlin
Hosterwitz, Sonntag, 9. Juli 1826
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An
Mademoiselle Mademoiselle
Friderike Koch
abzugeben beim Herrn Profeßor
Lichtenstein im Zoologischen Museum
in
In dem Stübchen, in dem freundlichen Hosterwitz, wo Sie geliebte Freundin mit Weber und mir manche heitere Stunde verlebten, wohin mein guter Mann noch in den letzten Tagen seines Lebens sich so unentlich sehnte; sitze ich Arme nun einsam, und verlaßen, nur in dem Gedanken an ihn noch lebend –. Sein liebes Bild hängt mir gegen über und sieht recht wehmüthig auf seine arme Lina. Ach meine gute Koch, wie unglüklich bin ich geworden! wie weich war ich, und nun ganz verarmt an allen Lebensfreuden! ich lebte ja nur in ihm, es war der einzige Zwek die gröste Freude meines Lebens alles zu thun, wie es ihm angenehm war. Wohl schwebte diese finstere Wolke schon seit Jahren über meinen Haupte, und doch kam der Schlag der mich vernichtet so unerwartet – Hätte ich ihn nur noch einmal sehen können hätte seine lieben treuen Augen mich noch einmal angeblikt! – doch ich mögte mir wieder zürnen über diesen Wunsch, denn hatt der gütige Gott ihm den Tod nicht so leichter gemacht? wie schwer würde er vom Leben geschieden sein, hätte er unsern Schmerz gesehen. Ja in meinen tiefsten Jamer muß ich die güte Gottes preisen; denn seine Engel nahmen ihn sanft die schwere Bürde des Lebens ab. In seinen vorletzten Brief vom 30 May schrieb er mir: ich gehe nun bald den graden Weg in die Heimath, ich sehne mich nach Ruhe 5 Tage später ging er in die wahre Heimath, zur ewigen Ruhe. – daß ich mit meinen armen Kindern nicht einmal an seinen Grabe weinen können, daß seine Hülle in dem Lande ruhen muß, wo er zuletzt so ungern war, aus dem er sich mit ganzer Seele hinweg gesehnt, ist recht hart! doch villeicht vergönnt es der liebe Gott | einst, meine Kinder dahin zu führen, wenn sie brave Menschen geworden sind, würdig die Asche eines solchen Vaters zu berühren. Ihnen geliebte Freundin brauche ich nicht zu beschreiben was ich gelitten habe, und noch leide, denn Sie haben auch verlohren und gelitten, mir aber legt Gott die schwere Pflicht auf für zwey unerzognen Knaben zu leben, was würde aus ihnen, verlöhren sie noch die Mutter? ich muß mich stark machen, muß leben und handlen für die armen Kinder. Hielten diese Bänder mich nicht gefeßelt, ich gestehe Ihnen, der Wunsch ihm zu folgen würde mir nicht als Sünde erscheinen denn was bin ich noch ohne ihn? O zürnen Sie mir nicht liebe Freundin über meine Klagen, haben Sie Geduld mit mir, es ist mir so wohl wenn ich mit einen Wesen daß ihn auch liebt, von ihm sprechen kann. nur zu oft werde ich von kalten Geschäfts Menschen empor gerißen aus meiner Schwermuth, muß überlegen und handlen für die Kinder, und niemant fracht: ob mir es auch schwer wird – schon einen Tag nach der schreklichen Todes Nachricht, wurde ich in die Stadt geschlept, alle Bekante standen um mich, nur für unsere Zukunft besorgt, und riethen, und quelten mich: das, und Jenes zu thun – mechanisch that ich alles was sie wollten, bis ich nicht mehr konnte, bis ich sie gar nicht mehr verstandt – nun haben sie mir 8 Tage Ruhe gelaßen, und hier in meiner Einsamkeit fange ich an wieder mein Herz zu Gott zu erheben, der ja seinen Geschöpfen nicht mehr auferlegt als sie tragen können. Er sendet | uns ja auch in so vielen Freunden seine Schutzengel zu, und der süße Trost belebt mich: daß wir nicht ganz verlaßen sind. Ihnen brauche ich wohl nicht zu erzählen wie unentlich gut unsere Freunde Lichtenstein Beer pp an uns handlen? Gott möge es ihnen lohnen. Hier haben wir auch viel theilnehmende Herzen gefunden, Hofrath Winkler (der Vormund der Kinder) und Böttiger, sind thätige Freunde. Von unsern Hoff ist nicht viel zu erwarten, denn was da einmal festgesetzt ist, das darf nicht überschritten werden. Wäre ich allein, glauben sie mir, all die Schritte die ich nun thun muß, blieben ungeschehen aber die Kinder fordern Unterhalt und Erziehung von mir., Mein guter Mann wollte mir gern das Alles ersparen drum ging er, trotz meinen unentlichen Flehen, nach England er wuste sein Ziehl sey ihm nahe gestekt, und wir sollten nicht Mangel leiden. Für uns ist er gestorben!!! ach wie unbeschreiblich gut und edel war er! wie liebevoll war sein Herz, wie rein seine Seele!, ich habe das Glük, ihn zu besitzen, wohl nie verdienen können, aber lieben und verehren konnte ihn niemant mehr, als ich. Beten Sie für mich beste Koch, daß mir es möglich wird ohne ihn zu leben.
Die Meße ist zurükgelegt, darf aber nicht ehr abgeschikt werden bis der ganze Nachlaß geortnet ist. Ich bitte schreiben Sie mir bald ein paar freundliche Worte. grüßen Sie Lichtensteins, und danken Sie den guten Rungenhagen für seinen freundlichen‡ trostreichen Brief. Auch die theilnehmende Mell Salome* grüßen Sie herzlichvon Ihrer armen Lina v Weber
Apparat
Zusammenfassung
klagt der Koch ihr Leid u. sorgt sich um die Erziehung der Kinder; erwähnt Hilfe von vielen Freunden
Incipit
„In dem Stübchen, in dem freundlichen Hosterwitz “
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. V (Mappe I A), Abt. 3, Nr. 13aQuellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- am oberen Blattrand 1r von Jähns: Weber’sGattinCaroline. (!!!) nachWeber’sTodeam5. Juni. Sehr interessant.
- auf Bl. 2v PSt: DRESDEN / 11.
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Kaiser, Georg: Caroline von Weber. Ein Gedenkblatt zu Webers 125. Geburtstage. Mit einem bisher unveröffentlichten Briefe von Webers Frau, in: NZfM, Jg. 78, H. 51/52 (21. Dezember 1911), S. 705–707
-
/ tV: Schiffers, H.: Wie Berlin sich Carl Maria von Webers Witwe annahm, in: ZfMw, Jg. 13 (1930/1931), S. 225–226 (nur Ausschnitt ohne Datum)