Caroline von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden oder Hosterwitz, Montag, 31. Juli 1826
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- 1838-01-10: an Lichtenstein
- 1837-11-16: von Lichtenstein
Verehrter Freund,
Ich hatte vor einigen Tagen einen Brief von Herrn Rungenhagen, der mir auf’s Neue die Versicherung giebt: wie unendlich gut und thätig besorgt Webers Freunde für das Wohl seiner Kinder sind, und daß gern jeder etwas für uns thun mögte. Mit der innigsten Dankbarkeit erfüllte mich das Alles und ich kann es nicht beschreiben wie wohlthätig das Bewußtsein, die Theilnahme so edler Menschen zu besitzen auf mich wirkt. Aber theurer Freund, erlauben Sie mir Ihnen, eine Besorgniß mitzutheilen, die ich nur dem geliebten, treuen Freunde meines Gatten zu enthüllen wage, der mich nicht verkennen, sondern, habe ich Unrecht, auch zurecht weisen wird. wie Er es gethan haben würde – Sie haben den Artikel aus dem Freymüthigen gelesen, haben daraus gesehen, aus welchem Gesichtspunkte, das, was für uns geschehn soll von niedrigen Menschen betrachtet wird. Es ist mir, wie gewiß auch Ihnen nicht anders in den Sinn gekommen, als daß so eine Benefice nur eine Anerkennung | für Weber sein könnte, die uns keinesweges erniedrigte, und die Webern, wäre er noch am Leben wohl gebührt und auch herzlich gefreut haben würde. Nicht des Geldes, sondern der Liebe wegen, die man ihm dadurch bewiesen – Nun aber zeigt Herr Kuhn dem Publikum die Sache als ein Almosen, was Herr Spontini uns giebt – – –* Mir war es, als ich das las, als sähe ich Webers zürnendes Gesicht. – Außer der Nachricht seines Todes hat mich nichts so tief geschmerzt! Des Mannes Kinder, den err so vielfach gekränkt, den er bis in’s Grab gehaßt, sollen vor der Welt Wohlthaten von ihm empfangen? Kann die Rache ausgesuchter sein? – Vielleicht lege ich zu viel Gewicht auf die Äußerung eines Einzelnen, Unwürdigen, aber ich gestehe, der Gedanke macht mich ganz unklücklich, daß ich vielleicht durch meine Klagen meinen über alles theuren Manne etwas vergeben habe, daß es beßer gewesen wäre, alles zu ertragen, als solchen Menschen einen Triumf zu gönnen, über ein so edles [Wesen wie] Weber es war. – Ich weiß, an der ganzen Sache ist nun nichts mehr zu ändern, und überall sät der Böse Unkraut unter den Waizen. Aber mein Herz sucht Trost bei Ihnen denn ich habe auf der ganzen Welt nun niemanden mehr, dem ich so vertrauen könnte, auf dessen Rath, auf dessen Ausspruch ich so blind vertrauen könnte, als auf den Ihren. Sagen Sie mir, daß ich ruhig sein kann, daß all das Webers Ruf nicht schadet, so will ich jede Besorgniß verbannen.
Mit diesem Artikel zugleich erhielt ich Herrn Rungenhagen[s] [Brief], welcher das edelste Anerbieten enthält. Da war es aber‡ wohl verzeihlich, wenn es die Furcht in mir erregte, es könnte Herrn Kuhns Meinung: es bedürfe Webers Familie der Almosen, dadurch nur noch mehr unterstützt werden, und ist es möglich, Theurer Freund, so wenden Sie das ab von uns, ist es aber zu spät und nichts mehr zu ändern, so bitte ich, schreiben Sie mir gleich, damit ich Herrn Rungenhagen antworte und sagen Sie ihm auch nichts von meiner Ansicht, damit dem edlen treuen Freunde das süße Gefühl des Wohlthuns nicht verbittert werde. Ich werde in dieser Zeit der Prüfung noch manches ertragen | lernen und Gott wird mir Kraft geben, das Schwerste zu dulden: das Mitleid roher Menschen! (–) Meine Kinder sind gesund und heiter, die Armen wissen noch nicht, was sie verloren haben. – (–)*
Erhalten Sie Ihr Wohlwollen Ihrerdankbaren Lina von Weber
Apparat
Zusammenfassung
Reaktion auf den Bericht im „Freimüthigen“ über eine in Berlin geplante Benefizvorstellung für die Familie von Weber und Rungenhagens Pränummerationsanzeige für die Ausgabe seines „Stabat mater“ zum Vorteil der Familie von Weber
Incipit
„Ich hatte vor einigen Tagen einen Brief von Herrn Rungenhangen “
Generalvermerk
Zur Datierung: Rungenhagens Pränummerationsanzeige erschien in der „Spenerschen Zeitung“ am 8. Juli 1826, Lichtensteins Reaktion auf diesen Brief in der „Vossischen Zeitung“ am 22. August 1826; die Nachricht über die von Spontini geplante Benefizvorstellung des Freischütz erschien in: Der Freimüthige oder Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser, Jg. 23, Nr. 133 (6. Juli 1826), S. 531 und eine Zusammenfassung von Kuhn über die diesbezüglichen Berliner Aktivitäten in: Der Freimüthige, Jg. 23, Nr. 161, (14. August 1826), S. 643
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Textkonstitution
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„aber“über der Zeile hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
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„… uns giebt – – –“Damit meint Caroline von Weber den ungezeichneten kurzen Artikel in: Der Freimüthige, Jg. 23, Nr. 133 (6. Juli 1826), unter der Rubrik: Aus Berlin auf S. 531.
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„… sie verloren haben. – (–)“Möglicherweise Textauslassungen aus Pietätsgründen.