Caroline von Weber an Giacomo Meyerbeer in Berlin
Dresden, vor Mitte Mai 1847

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Ich eile verehrter Freund, Ihnen schnell den Namen der Fünften Oper zu nennen um Sie nicht einen Augenblick länger in dem Wahn zu laßen als könnte ich mir erlauben über ein Werk zu disponieren über welches mir ja noch gar kein Recht zukömt. Nein, verehrter Freund! so Etwas könnte mir nie in den Sinn komen. Es ist der arme, vergeßene Abu Hassan welchen Herr Schlesinger, gewiß nur der OriginalPartitur wegen, mit zu kaufen beabsichtigte. Villeicht ist mit Webers Handschrieft auch ein Geschäft zu machen! –

Daß Sie sich so freundlich unseres Intreßes annehmen ist mehr als ich hoffen konnte, und ich werde Ihnen unendlich dankbar sein wenn ich nun durch eine competente Autorität erfahre welches Recht uns noch, dem Verleger gegenüber, zukömt. Es ist gar zu qualvoll für eine Frau wenn sie, einem Manne gegenüber, den sie mißtraut, in einer Geschäftssache nicht weiß was sie soll und darf. Wegen dem Verlag der Euryanthe in Wien habe ich in Webers Buch nachgesehen und darin nur den Verkauf des Klavierauszugs und der Ouvertüre angezeigt gefunden, ob das den Verkauf der Partitur beeinträchtigt weiß ich wieder nicht, kann mir es jedoch nicht denken, weil ja Schlesinger auch | Klavierauszüge und Ouvertüren der andern Opern gestochen hat, und doch jetzt die Partituren kaufen will. Er sprach mir auch davon eine gesamt Ausgabe von Webers Werken zu veranstalten, wenn ich ihm bey dem Bundestag ein Privilegium auswirken wolle. – Ich gestehe aber daß ich dies Anerbieten nur für den Köter halte durch welchen er die Originalpartituren erhalten abloken wollte. Aber ich denke, wenn ich mich entschließen soll ein solch’ theures Andenken fort zu geben, so muß es einen würdigern Ort übergeben werden als den Händen des Herrn Schlesinger. Lieb wäre mir es indeßen doch auch zu erfahren, ob der Familie des Verstorbenen Componisten das Recht eine Gesamtausgabe zu veranstalten zukömt, oder ob der Verleger das Recht dazu hat, welcher die meisten Werke des Componisten verlegt hat? Ach verzeihen Sie mir ja Verehrter Freund daß ich Sie mit immer neuen Anliegen quele, aber ich habe wirklich hier nicht einen Menschen welcher mir Auskunft geben könnte wohl aber machen mich viele damit irre daß sie mir vorwerfen unserer Rechte nicht genug gewahrt zu haben. Für mich würde dieser Vorwurf mir sehr | gleichgültig sein, denn meine Bedürfniße sind sehr einfach, und ich kann mich, ohne Beschwerden zu fühlen noch mehr einschränken Aber Max hat Frau und Kind, und sein Hausstant wird sich mit jeden Jahr vergößern, darum ist es meine Pflicht als Mutter, das, was der Vater für seine Kinder erwarb ihnen zu erhalten so viel in meinen Kräften steht, und nicht zu viel auf die Stime zu hören welche all diese Verhandlungen um pekuniären Vortheil für unwürdig erkennt. Doch Sie mein Freund werden mir ja Rath und Beystant sein, und mir Ihre Meinung offen sagen. Will Herr Schlesinger die versprochene Nachzahlung auf das Honorar für den Freyschützen nicht leisten, welches mir sogar sein Bruder schrieftlich versprach, so mag er es zu den Uibrigen legen was er schon durch Webers compositionen verdiente, und gewiß wird Gott meiner guten Schwiegertochter auch ohne Badereise ihre Gesundheit wieder schenken, zu welcher dieses Geld bestimt war. Ich habe ihr schon geschrieben daß sie zu mir komen, und in meinen hübschen Gärtchen mit meinem kleinen lieben Enkel ein paar Wochen die mildere Luft genießen soll, um ihre, durch unendliche Leiden bey ihrer Entbindung geschwächte Brust wieder zu kräftigen, und gewiß wird auch so alles wieder gut werden. |

Wenn ich mir nun noch erlauben darf Ihnen zu sagen mit welchen innigen Intreße ich von Ihren neusten Erfolgen in Wien gehört, und gelesen habe,* so ist das freilich nur ein Tropfen in den Ozean Ihres Ruhmes, und Ihr, an jede Art von Preiß und Lob gewöhntes Ohr wird das Wort der herzlichsten Theilnahme villeicht belächlen – Aber glauben Sie mir, es giebt nur wenige welche Ihre Triumpfe mit so stolzer Freude erfüllen als die Gattin deßen welcher Ihnen Geistesverwant war und Sie Bruder nennen durfte.

     Möge Gott Ihnen Ihr Glück noch lange lange erhalten von ganzem Herzen wünscht es IhnenIhre
Carolina v. Weber
Große Plauische Gaße No 9.b.

Apparat

Zusammenfassung

nennt ihm den Namen der fünften Oper (Abu Hassan), sie hatte ihn im vorhergehenden Brief gebeten, Rat zu erteilen, da Schlesinger die Opern‑Partituren zu kaufen wünschte; sie würde die Partituren gern an einen „würdigern Ort“ geben; Schlesinger habe auch Interesse an einer Gesamtausgabe, hat die Weber‑Familie nicht ein alleiniges Recht an einer Gesamtausgabe?

Incipit

Ich eile verehrter Freund, Ihnen schnell

Generalvermerk

Im gedruckten Katalog (Bonnie Lomnäs, Stiftelsen Musikkulturens främjande (Nydahl Collection). Catalogue of Letters and Other Documents, Stockholm 1999, S. 133) ist der Brief mit „1828?“ datiert, der inhatliche Bezug zum Brief, der höchstwahrscheinlich im April 1847 geschrieben wurde, legt hingegen ebenso eine Entstehung im Frühjahr 1847 nahe, zumal das erwähnte erste Enkelkind Caroline von Webers, Marie von Weber, erst am 23. Februar 1847 geboren worden war. Die Datierung auf 1847 bestätigt auch die Anspielung auf Meyerbeers Erfolg in Wien (Erstaufführung der Vielka dort am 18. Februar 1847). Die von Caroline von Weber angegebene Adresse Gr. Plauische Gasse 9b ist erst im Dresdner Adressbuch für 1848 (Stand Herbst 1847, S. 106) dokumentiert, im Adressbuch für 1847 (Stand Herbst 1846, S. 251) ist noch die Wohnung in der Dippoldiswaldaer Gasse 6 angezeigt.
Meyerbeer vermerkte in seinem Tagebuch am 14. Mai 1847: „Der Witwe C. M. von Webers geschrieben wegen einer Anfrage, die sie mir wegen eines Kaufvertrages von Schlesinger machte“; vgl. Becker (Meyerbeer), Bd. 4, S. 241. Im Taschenkalender hielt er einen Tag später fest: „Lichtenstein wegen der Weber“, wobei unklar bleibt, ob es sich um einen Brief oder ein persönliches Gespräch handelte; vgl. ebd., S. 235. Meyerbeers (verschollenes) Antwortschreiben bezog sich vermutlich auf beide inhaltlich zusammengehörige Anfragen Caroline von Webers, so dass ihm der zweite diesbezügliche Brief Caroline von Webers spätestens am 14. Mai 1847 vorgelegen haben müsste.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Stockholm (S), Stiftelsen Musikkulturens främjande (S-Smf), Nydahl Collection
    Signatur: Nr. 6277

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

    Provenienz

    • Stargardt Kat. 226 (1908) (Slg. Donebauer), Nr. 1017; Stargardt (Die Autographen‑Sammlung Alexander Meyer Cohn’s, T. II), Nr. 3212 (hier unter 16. 07. 1844)

Textkonstitution

  • angezeigtam Rand hinzugefügt
  • „erhalten“durchgestrichen
  • „abloken“über der Zeile hinzugefügt
  • „… Schlesinger die versprochene Nachzahlung auf“überschrieben aus unlesbarem Wort
  • „bey ihrer“über der Zeile hinzugefügt
  • „Entbindung“am Rand hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Wien gehört, und gelesen habe,“Am 18. Februar 1847 war die Wiener Erstaufführung von Meyerbeers Oper Vielka (Umarbeitung von Ein Feldlager in Schlesien) am Theater an der Wien.

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