Helmina von Chézy an einen Intendanten
Dresden, Freitag, 27. Juni 1823

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Ewr Wohlgeboren

Habe ich die Ehre ein Stück zu übersenden, welches in Berlin, Dresden, München, Leipzig, Braunschweig, Weymar u. a. O. mit freundlicher Güte aufgenommen worden u mit Liebe einstudirt u ausgestattet wird*. Die geringen Schwierigkeiten, welche das Studium der spanischen Sylbenmaaße darbietet, sind besonders durch sorgfältiges Streben nach Ungezwungenheit u Lebendigkeit des Dialogs beseitigt u überhaupt habe ich gesucht das spanische Stück deutsch zu nehmen, wozu die Elemente, aus denen es besteht, sich wie von selbst darboten, es ist mehr Charakterzeichnung darin als in den meisten Calderonischen Stücken.

Ewr Wohlgeboren ausgebreiteter Wirkungskreis bey der Sorge für die höheren Kunstgenüße die der blühendsten Städte des Königreichs u Deutschlands überhaupt macht Ihnen vielleicht die Erfüllung meiner Bitte schwierig, aber ich wage sie dennoch – ich ersuche ergebenst um baldige Entscheidung. Das Honorar werden Sie vielleicht lieber mir zu bestimmen überlassen, als es mir selbst anbieten, | und da ich ungefähr ermessen kann, wie hoch Sie gewöhnlich ein Stück honoriren das auf Beifall rechnen darf u den Abend füllt, so glaube ich keine unbescheidne Forderung zu machen, wenn ich es zum Gebrauch für alle Vier Theater auf 12 Ducaten anschlage; es ist mir in Berlin mit 20 Frd’or, in Dresden mit 10 Frd’or in München mit dem Honorar bezahlt worden, welches ich die Ehre habe Ihnen vorzuschlagen. Gedrukt wird es noch sehr lange nicht, da ich es erst mit späteren Arbeiten herauszugeben gedenke, allein ich habe in keinem meiner litterarischen Verhältnisse Eigennutz bewiesen. Ich hoffe auch meine Euryanthe wird über Süddeutschlands gesegnete Fluren schweben. Weber ist bald damit fertig. Ich habe bey dieser Gelegenheit die Ehre Ewr Wolgeboren zu bemerken, was Ihnen mein Freund Weber | ohne Zweifel auch bemerken wird daß der Text der Euryanthe besonders an mich bezahlt wird, da ich diese Uebereinkunft mit dem Compositeur getroffen habeT. Ich will jedoch dadurch den verehrlichen H. Th. D. die Acquisition nicht erschweren, u überlasse denselben die nähere Bestimmung des Honorars aus eingnem Antriebe. Daß das Stück Furore machen wird ist zu ermessen, ich darf meinen jahrelangen Anstrengungen nur einen Theil seines Glücks zuschreiben, deshalb verlange ich auch nur einen bescheidenen Antheil an der Belohnung. Es bleibt, wie gesagt den verehrlichen H. Th. D. welche die Euryanthe vom genialen Tonsetzer verlangen, oder eingesendet bekommen, ganz überlassen, wie sie die Dichtung eines Werkes, das mit Liebe u Fleiß vollendet, zweckmäßig gelungen den Abend füllt, belohnen wollen*. Noch habe ich die Ehre zu bemerken daß die Erfüllung der Bedingung eines angemessnen Honorars für mich unerläßlich ist, wenn die Oper aufgeführt werden soll.

Die ich mit auszeichnender Hochachtung verbleibe Ewr Wohlgeboren Ergebenste
Helmina von Chezy geb. v.
Klencke
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Adresse: abzugeben bey H. Hofrath Carl Winkler
Dresden
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Apparat

Zusammenfassung

Honorarforderungen für ihre Adaption des Calderónschen El galán fantasma (Der Geliebte ein Gespenst); teilt mit, dass sie lt. Vereinbarung mit Weber für den Text zur „Euryanthe“ gesondert Honorar zu erhalten habe; die Höhe des Honorars möge die Theaterdirektion bestimmen

Incipit

Habe ich die Ehre ein Stück zu übersenden, welches in Berlin, Dresden, München, Leipzig, Braunschweig

Generalvermerk

Waidelich, Weberiana 18, S. 44, vermutet als Adressat evtl. den Hoftheater-Intendanten Friedrich von Lehr in Stuttgart, wo man über vier Bühnen verfügte.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Signatur: NL H. von Chézy 881, Nr. 44

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
    • auf Bl. 2v notiert „Noch nicht abgeschikt.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Wiedergabe in: Till Gerrit Waidelich, Durch Webers Betrügerey die Hände so gebunden. Helmina von Chézys Kampf um die Urheberrechte an ihrem Euryanthe-Libretto in ihrer Korrespondenz und Brief-Entwürfen, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 18 (2008), S. 44f.

Textkonstitution

  • „die“unsichere Lesung
  • „Noch habe ich … aufgeführt werden soll.“in der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Liebe einstudirt u ausgestattet wird“In München wurde El galán fantasma angenommen und honoriert, vgl. die Briefe zwischen H. v. Chézy und Joseph Stich. Ob und wann das Stück dort zur Aufführung kam, konnte bisher nicht ermittelt werden. In Leipzig wurde es abgelehnt, wie dem Brief von Theater-Sekretär Kötzsche an die Dichterin vom 6. August 1823 im Nachlass der BBAW (NL Chézy: 471, Nr. 412) zu entnehmen ist: „Ew Hochwohlgeboren habe die Ehre [...] anzuzeigen, daß, Ihrem Auftrag zu folge das Manuscript Der Geliebte, ein Gespenst, an die Direktion des Hoftheaters in Cassel geschickt worden ist, da die Verhältnisse die Aufführung deßelben auf hiesigem Stadttheater für jetzt nicht erlauben. [...]“ .
  • H. Th. D.Abk. von „Haupt-Theater-Direktionen“.
  • H. Th. D.Abk. von „Haupt-Theater-Direktionen“.
  • „… den Abend füllt, belohnen wollen“Stuttgart lehnte die Euryanthe vorerst ab (dort fand die EA erst am 13. März 1833 statt), vgl. den Brief von Friedrich von Lehr an H. v. Chézy vom 31. August 1824.

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