Helmina von Chézy an eine Freundin
Dresden, Freitag, 27. Juni 1823

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Theuerste Freundin!

Wie liebreich u gütig Sie es mit mir meinen bin ich doch recht in Angst daß etwa Graf Brühl erfahren haben sollte, durch mich nähmlich, was Weber allerdings oft geäußert hat: ein silberner Becher mit dem Datum der 50 Aufführung wäre ihm lieber gewesen* – nein, ich hoffe herzlich zu Ihrer Güte u sonstigen Gesinnung für mich daß dies nicht vor dem Grafen ist gesagt worden, von mir kommend, eben weil eine kleine Spannung mit W. vorgefallen. Er hat es gesagt, u ich kann seinem Gefühl wie ich Ihnen offen äußerte, nicht Unrecht geben, aber ich bereue es sehr, wenn dies Anlaß zu dem geringsten Mißverstädniß geben sollte! Nun, ich verlasse mich auf Ihre Klugheit, Ihrer Herzensgüte so gleich, daß wenn ein solches Wort geflogen ist, es bestmöglichst ausgeglichen werde! Ja? Gewiß!

Als Sie mir schrieben, verehrte Frau! haben Sie, wie es scheint, durch H. Koopmann* noch nicht meine neue Umarbeitung des Idylls erhalten (der neue Narciss möcht ich es am Liebsten nennen[)], sonst hätte ich gewiß etwas davon erfahren, ob Ihnen diese neue Umarbeitung zusagt. |

Gewiß hat es Ihr guter, herrlicher Mann am Besten mit mir gemeint u am Besten gemacht, wenn er schon dem Grafen etwas über die Verhältnisse zur Euryanthe geäußert. Hv. Weber hat versprochen bey den Haupttheaterdirectionen ein Honorar für mich zu verlangenT, u ich habe ihn gebeten dies der Willkühr derselben anheimzustellen, nun aber kann ich nicht wissen, ob es überall, wie in Wien ist, wo das Buch allemahl besonders honorirt wird. Ich hatte für die erste recipirte Arbeit nicht von Hv Weber, wohl aber durch seine Hand 30 Ducaten v. Wien aus empfangen. Seitdem habe ich die Oper noch Achtmahl nach immer neu von ihm geäußerten Wünschen umarbeiten müssen, da doch die erste Arbeit nach seinem Scenarium abgefaßt war. Stoff u alles Wichtige | der Ausführung sind von mir, u die Sache hat namenlos viel Zeit gekostet. Sollte nun Weber nachläßig für mich verfahren, so müßt ich allerdings gezwungener Weise u mit schwerem Herzen überall Einspruch gegen die Aufführung thun, bis mir mein Antheil würde, auf den ich unmöglich verzichten kann; ich würde dies nicht verdienen, da ich mit der liebevollsten Bereitwilligkeit alle Wünsche zu erfüllen, alle, die leisesten wie die größten Schwierigkeiten zu besiegen gestrebt; wenn Weber mir ein angemessenes Honorar eigends zugesichert, oder jetzt angeboten hätte, so oder mir sagte ich sollte ein 5. Theil oder ein Sechs Theil von jedem Honorar bekommen, das ihm die H. Th. D. bewilligen, so brauchte sonst Niemand mit der Sache behelligt zu werden, u zur Ehre eines Freundes, den ich bisher so hoch gehalten wünscht ich, daß er so handeln möge. Jeder, selbst der kleinste Sortimentshändler, der etwas von mir druckt, verschont mich mit | Weitläuftigkeiten u mit Mißhelligkeiten um wie viel mehr wäre das Webers Pflicht der einen Moment gehabt, wo er ernstlich darauf bestand ich sollte mich für eine Arbeit, die ich seinetwegen mit Einem Akt vermehrt, die ich seit 1821 für ihn fast ausschließlich beschäftigt gewesen auszuarbeiten, die ihm, schlecht gerechnet, 6,000 Thaler einbringt, mit 30 Ducaten begnügen, die ich von Wien für welches die Oper gearbeitet, u zwar nur für Wien empfangen. Es lag nicht in meiner Absicht, theure Frau, daß der Graf bey der vorläufigen Anfrage etwas erfahren sollte, ich wollte mir Ihre Auskunft nur ganz privatim zu Gut kommen lassen. Ich verhele sogar nicht daß ich fürchten muß, meine vielleicht schlecht ausgedrückte, aber ganz herzlich u achtungsvoll gemeinte Erwähnung wegen des Geschenks habe Sie ein wenig verletzt. Das ist nun unglücklich, indeß möchte dies Ihnen leicht von einer andern Seite zugekommen seyn, da Weber genau das sagt, was früher Hofrath Kind über ihn sagte, als | er äußerte: Er wäre vergnügt gewesen, wenn ihm Weber einen silbernen Becher mit Datum aus Berlin gebracht*.      Liebe Frau! Sie kennen mich so gut, ich hoffe wenigstens wir haben uns immer verstanden. Können Sie mir irgend etwas Schlimmes, als höchstens eine Unbesonnenheit bey dieser Äußerung zutrauen?

Da es nun so weit gekommen ist, Theure, daß der verehrte Graf um die ganze Sache (ich meine um meinen Kummer wegen der Euryanthe) weiß, so überlasse ich es Ihrem lieben Gemahl ob er Ihm auch etwas von dem übrigen Innhalt meines jetzigen Briefes sagen will. Wer fühlt es schmerzlicher, als ich, daß ich allerdings recht unangenehm stehe? Webers Feindschaft, wenn es dahin kommen sollte, ist mir so wehmüthig schmerzlich als auch unangenehm in jeder Rücksicht; noch immer zaudere ich zu thun, was Rechtsgelehrte mir rathen Einspruch an die H. Th. D. in einem Cirkular ergehen zu lassen, es ist ein für eine Frau so peinlicher als unangemessener Schritt, ich wünschte aber Sie wüßten mit welcher Sitte u Freundlichkeit ich gesucht hatte die ganze Verhandlung einzuleiten, u wie ich Weber so vortheilhaft stellte | daß es ihm leicht wurde mich mit einem sehr mäßigen Honorar zufrieden zu stellen. Ich verliere bey dieser seiner wunderlichen Ansicht der Sache viel in jeder Rücksicht, u er verliert die Aussicht auf eine neue Arbeit von mir, die ihm nützlich u wichtig gewesen wäreT. Fern sey es von mir von Ihm viel zu verlangen weil sein Talent es ist, welches meine Arbeit über alle Bühnen fliegen läßt, er soll nur Einsicht u Rechtlichkeit genug gegen mich haben, um meine lange u mit vielen Aufopferungen bewerkstelligte Bemühung angemessen zu belohnen. wenigstens zum Theil!

Sie wollen kommen? Wie schön! Theure Beide, theures vierblättriges Kleeblatt, ich wage es Ihnen meine Zimmer anzubieten, Sie sollen nichts vermissen was Ihnen lieb seyn könnte! kommen Sie nur! Ich habe ungeheuer viel Platz, u es soll Ihnen schon behagen.

Lassen Sie mich gütigst erfahren, ob Sie das Päckchen von H. Koopmann | empfangen haben, u ob mein Geliebter ein Gespenst u mein Schulmeisterlein* bald einstudirt werden. Wenn Geben seliger ist, denn Nehmen wahrhaftig, so mach ich Sie recht selig, denn ich trete immer verlangend nach Auskunft vor Ihnen hin! Vergebung! u Liebe Ihrer Ihnen von ganzer Seele
Ergebnen Freundinn
Helmina Chezy

Apparat

Zusammenfassung

berichtet von einer Verstimmung im Verhältnis zu Weber betreffs ihrer Honorarvorstellungen zur „Euryanthe“; erhofft sich Zusatzhonorar für ihren mehrfach überarbeiteten Text

Incipit

Wie liebreich u gütig Sie es mit mir meinen bin ich doch recht in Angst

Generalvermerk

vgl. Generalvermerk in Chézys vermutlich nicht abgeschickten Brief vom 20./21. Juni 1823 an dieselbe Adressatin

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Signatur: NL H. von Chézy 881, Nr. 45

    Quellenbeschreibung

    • 2 DBl. (7 b. S.)

Textkonstitution

  • „nicht“am Rand hinzugefügt
  • „zu erfüllen“über der Zeile hinzugefügt
  • „so“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… Aufführung wäre ihm lieber gewesen“Waidelich, Weberiana 18, S. 49: Zu Webers Weigerung, anläßlich der 50. Freischütz-Aufführung in Berlin am 28. Dezember 1822 ein zusätzliches Ehrenhonorar von 100 Talern anzunehmen, vgl. Kaiser (Brühl-Briefe), S. 37f.
  • „… es scheint, durch H. Koopmann“Vermutlich Johann Karl (Carl) Heinrich Koopmann (1797–1894), deutscher Historien- und Porträtmaler, der von 1819 bis 1823 an der Kunstakademie Dresden studierte.
  • H. Th. D.Abk. von „Haupt-Theater-Direktionen“.
  • „… mit Datum aus Berlin gebracht“Lt. Waidelich, Weberiana 18, S. 51, möglicherweise Äußerung Kinds bezogen auf das von Weber angebotene Zusatzhonorar für den Freischütz im Brief vom 27. November 1821, das er aber ablehnte.
  • H. Th. D.Abk. von „Haupt-Theater-Direktionen“.
  • „… ein Gespenst u mein Schulmeisterlein“In Chézys Lustspiel Der neue Narziß gibt es die Rolle des Schulmeister Weltlichtlein.

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