Friedrich Rochlitz an Ignaz Franz Edlen von Mosel in Wien
Leipzig, Donnerstag, 28. Oktober 1824
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Wie vielen Dank bin ich Ihnen, theurster Freund, schon dafür schuldig, daß Sie mir zuletzt (v. 22sten Septbr) so ausführlich geschrieben haben; wie viel mehr für das, was, und wie Sie es geschrieben! Und doch hatten Sie Grund, mit mir unzufrieden zu seyn, indem ich jenes, durch Ihre Gefälligkeit bewirktes Schreiben des Erzherzogs R. k. k. Hoh. gegen Sie nicht erwähnt, ja überhaupt nicht erwähnt haben soll. Wie jenes möglich gewesen: das begreife ich noch heute nicht. Zwar bin ich voriges Sommerhalbjahr mit Arbeiten, die mich ganz einahmen, täglich dermaßen beschäftigt geweßen, daß ich Freundschaftsbriefe fast nur verstohlen geschrieben habe, und Manches auch sonst aus der Acht gelassen, (mein Beutel empfindet’s schwer) was doch auch nicht hintangesetzt seyn will; zwar war auch dies Schreiben […]
Für mein Buch selbst hat mich aber Einer, nur Einer, obschon unter verschiedenartiger Unterzeichnung in verschiedenen öffentlichen Blättern, (namentlich in jenem leidigen Conversationsblatt) mit gehäßigem Neid und überaus kleinlicher Erbitterung, nach Kräften angepackt. Es ist das derselbe Mann, dem ich nie mit einem Worte, viel weniger mit einer That, zu nahe getreten bin; der von jeher sich meinen Freund, und den, von welchem er am meisten gelernt habe, nannte, ja dies noch in derselben Woche schriftlich that, wo er auch jenen Aufsatz für’s Convers.blatt* schrieb, nehmlich der hiesige Professor Wendt. dergleichen Erfahrungen sind freylich weder schön, noch angenehm: doch schmerzen sie mich nur ein Paar Stunden, und ändern weder meine Thätigkeit, noch meine Behandlungsart der Menschen, im Geringsten ab. Es ist einmal so in der Welt; und alles, was uns wiederfährt, kann uns, wenn wir’s nur selbst wollen, zur Schule und Übung in dem dienen, wofür wir doch eigentlich hier sind. Es soll’s auch! –
[…] Zwar übe ich sie nicht [die Zeichenkunst], leider: aber ich liebe sie auch nicht blos. Besitze ich doch eine nicht kleine Sammlung ausgezeichneter Gemälde; viele der besten Kupferstiche aller Zeiten, und an Handzeichnungen, (ich darf das sagen, denn ich kenne die andern,) zwar nicht die zahlreichste, aber die ausgewählteste, .... und gehaltvollste Sammlung in Deutschland, nach der, Ihres Erzherzogs Karl – die jedoch, bey ihrer Menge, auch viel Mittelmäßiges und nicht wenig Geringes enthält. Gerade diese Gegenstände sind mein Reichthum, und von allem Besitz, den mir das Geschick zugewendet, der einzige, der mir wahrhafte, sich immer erneuernde Freude gewährt. – Viel Glück zur Bearbeitung des "Jephta"*, und Dank dafür von Allen, die das Werk zu hören bekommen. Ich kenne es nur dem Namen nach. Es will mit solcher Musik bey uns – öffentlich nehmlich – auch nicht mehr recht fort. Was ich über das vermehrte Instrumentieren Händelscher Werke gesagt habe, ist nicht bestimmt genug ausgesprochen und so verdiene ichs, wenn man es anders nimmet, als ich es meyne. Blase-Instrumente, besonders in gehaltenen Accorden u. dgl. hinzuzusetzen, halte ich nicht nur für räthlich, sondern für nothwendig, da uns ja abgeht, worauf der Meister ganz vorzüglich rechnete: eine überall, und stets anders registrierte Orgel, die gerade so behandelt wurde, wie wir jetzt die Bl. Instr., wo sie nicht eigentlich obligat sind, behandeln. Sie müssen diesen Abgang ersetzen. Aber Mozart ließ es nicht dabey. Vergleichen Sie nur, z. B. im "Messias" die Arie: "Das Volk, das da wandelt in Finsterniß." Da wurde ein Anderes daraus; etwas Bewunderungswürdiges, in seiner Art Köstliches. […]
[…] Was Sie von und über Maria v. Weber sagen, beweiset unsre Verwandtschaft von neuem: Wort für Wort ist es mir aus der Seele geschrieben. Jetzt schreibt er, hör’ ich, für London einen Oberon: wieder ein, für die Bühne, bedenkliches Sujet – wie jedes, wo, durch entschiedene Mitwirkung eines parteynehmenden, überirdisch-mächtigen Wesens, Jedermann vorher weiß, wie jeder Conflict sich lösen werde. Ich habe, bey dem Zutraun, das Weber schon von alter Zeit her mir schenkt, den Versuch gemacht, ihn von dem, in seiner Kunst „sich Übernehmen und Überbieten“ zu warnen, und zu dem (am Ort) „sich Beschränken“ auf das Einfachere, aber Erwählteste, und auch dem Ohr Wohlthuende, zu bereden: Im Gespräch hatte er zwar Vielerley dagegen, vielleicht bleibt es jedoch nicht ganz ohne Wirkung, wenn’s zur That kömmt. Ich wollt’ es ihm und uns gar sehr wünschen. – Wie wahr und schön schreiben Sie auch über Beethoven! Seine neuesten Werke kenne ich indeß noch nicht. – Friedr. Schneiders neues Oratorium, „die Sündfluth“, steht eher höher, denn niedriger, als das „Weltgericht“; wenigstens enthält es Hauptstücke, die das Beste in jenem zuverläßig übertreffen. Aber ein Ganzes ist dies gleichfalls nicht. Scheint doch den Meistern unserer Tage selbst die Idee eines Ganzen abhanden gekommen zu seyn: mithin freylich auch jeder Entschluß, eins zu liefern! Nur immer Einzelnes, und jedes von diesem so hoch für sich gesteigert und so für sich effectuirend, als irgend möglich! "Aber die Leute wollen’s jetzt so." Wohl wahr; und so wird’s auch dabey bleiben bey Allen, die blos für die Leute schreiben, und es nicht wagen wollen, sie, diese Leute, einmal recht ergriffen, zu zwingen, auch auf besserm Wege, wenn gleich nicht im Anfange, doch in der Folge, gern mitzugehen; was, meines Erachtens, dem rechten Manne gewiß gelingen würde: denn Mensch bleibt Mensch; er kann seine Natur verdunkeln, übertäuben, aber nicht von sich werfen; und so muß, was auf diese gebauet, und sonst auch vorzüglich ist, am Ende durchdringen und den Sieg behalten. – Doch, wem sage ich das?
[…]
Apparat
Zusammenfassung
Diverses, u. a. über Wendts Kritik am 1. Band seiner Freunde der Tonkunst, seine Kunst-Sammlung (Kupferstiche und Handzeichnungen); Mosels Bearbeitung der Händelschen Jephta, Mozarts Messias-Bearbeitung; unterschreibt das, was Mosel über Weber äußert, der jetzt einen Oberon komponiere; R. hält dies für ein bedenkliches Sujet u. hat Weber schon versucht von dem Streben nach „sich Übernehmen und Überbieten“ in der Kunst abzulassen; über Beethoven, Friedrich Schneider, Goethe u.a.
Incipit
„Wie vielen Dank bin ich Ihnen, theuerster Freund, schon dafür schuldig“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Einzelstellenerläuterung
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„… auch jenen Aufsatz für's Convers.blatt“Besprechung von Rochlitz’ Für Freunde der Tonkunst, Bd. 1, Leipzig 1824, in: Literarisches Conversationsblatt Leipzig, Nr. 179 (5. August 1824), S. 713–716 sowie Nr. 180 (6. August 1824), S. 719f.
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„… Bearbeitung des " Jephta "“Jephtha (HWV 70; dt. auch Jephta), dramatisches Oratorium in drei Teilen von Georg Friedrich Händel (UA 1752), bearbeitete Mosel mehrmals; 1. Fassung 1823 in Elberfeld, 2. 1827 in Wien aufgeführt.