Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Prag, Dienstag, 14. März 1815

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S. Wohlgebohren

dem Herrn Hofrathe

Friedrich Rochlitz

zu

Leipzig.

Welch einen frohen Tag, mein theurer Freund haben Sie mir durch Ihren liebevollen herzlichen Brief gemacht, ich dachte Sie wirklich böse auf mich den faulen Schreiber, und nun beweisen Sie mir so schön das Gegentheil, und daß Sie recht wohl mein Gefühl und mein Inneres von meiner Schreib Scheue zu unterscheiden wißen. Ob ich Ihrer oft gedacht? wahrhaftig nicht weniger als Sie meiner; zu tief steht das Bild dieser beglükenden Häuslichkeit wo Geist und Herz in so traulichem Vereine leben, vor in meine Seele gegraben, zu lieb sind Sie mir geworden, zu sehr achte und verehre ich Ihr ganzes Denken und Wirken, als daß nur ein oberflächliches Errinnern Statt finden könnte. Nein, Sie und die Ihrigen gehören unter die Wenigen die noch meinen Glauben an Gutes und Edles und MenschenGlük aufrecht erhalten.

Auch Sie hat der Himmel mit Krankheit geprüft, mich prüft er damit noch täglich. seitdem ich wieder von meiner Reise* zurük bin, habe ich außer einer förmlichen Krankheit einem reuhmatischen Fieber, – unaufhörlich mit etwas zu kämpfen*. Eben jezt ist ein heftiger Husten an der Reihe der mich sehr abmattet. diese Körperlichen Unruhen, meine ungeheure Arbeit besonders in dieser Fasten, und meine Unzufriedenheit mit dem Publikum für das ich wirke, – rechnen Sie dieß alles zusammen, und Sie finden in dem Resultat meine Stimmung, die höchst abspannend und trübe ist. das schmerzlichste ist mir daß ich gar nicht arbeiten kann nichts schaffen kann, und dadurch alle selbst mit Dienstbeschäftigung überfüllte Zeit doch als für mich unbenuzt verfloßene betraure. Ich hoffe auf meinen Urlaub wo ich mich wo still hinsezzen und arbeiten will. die neusten Zeit Ereigniße laßen mich nicht dazu kommen einen Plan zu machen, ich muß also abwarten was bis zum Juny zu thun sein wird. –

Was Sie in Beziehung auf mich von Gotha erwähnen, verstehe ich nicht. der Herzog hat mir niemals einen Antrag gemacht. ich leitete blos ganz allein Rombergs Anstellung*. übrigens ist es sonderbar daß ich seit meiner Abreise von Gotha, troz wiederholtem Schreiben, keine Zeile vom Herzog erhalten habe*, da er doch sonst mein exaktester Correspondent war, und mich die lezte Zeit mit gleicher Liebe und Freundschaft aufgenommen hatte. – ich fürchte dahinter stekt etwas. –

Von Berlin, dem einzigen das ich wünsche ist alles stillT. – der Himmel vergelte Ihnen die Sorgfalt mit der Sie meine Kinder in die Welt führen, und die treue Wachsamkeit den Mehlthau des Neides und der Bosheit von ihnen abzuhalten. Man ist wirklich sehr gütig sich so um mich zu bemühen, denn so etwas kann nur ein neuer Sporn für mich sein, mit vereinten Kräften diese kleinen Seelen zu beschämen. ich glaube einige davon | zu kennen, laße sie aber friedlich ihre Schleichwege gehen, bis sie in sich selbst wieder zusamensinken und vergehen.

Leyer und Schwert sind meine lezten Kinder. mögen Sie ihnen doch auch lieb werden. die 4 stimigen habe ich hier im Concert mit 16 Stimmen gegebenT, wo sie großen Enthusiasmuß erwekten. die 4 mit Klavierbegleitung sprechen sich selbst aus. nur wünschte ich daß Sie in dem Gebet während der Schlacht, in der Klavier Begleitung nicht etwa ein Schlacht Gemählde sehen sollten, nein, das Mahlen liebe ich nicht, aber die wogenden Empfindungen in der Seele des Betenden während der Schlacht indem er in einzelnen betenden andächtigen langen Akzenten zu Gott mit gepreßter Seele ruft, – die wollte ich schildern. – Verzeihung wenn ich Ihnen so etwas bemerke.

Die Gesänge des H: Wik werden mir ein angenehmes Geschenk sein*, denn ich halte es für meinen schönsten Lohn, wenn mein Streben und Wirken, ein emporstrebendes Gemüth erheben und zum Guten und Schönen zu leiten im Stande ist. ich bitte Sie ihm im Voraus meinen besten Dank für diesen Beweis seiner Achtung zu bezeugen.

Ihre unermüdliche Thätigkeit für die Kunst, durch ihre Concerte, ist wirklich bewundernswerth, und mögen nur Leipzigs Bewohner es auch gehörig zu würdigen wißen. daß ich an meiner Simphonie manches jezt anders schreiben würde, das weiß Gott, ich bin eigentlich mit nichts darin ganz zufrieden als mit der Menuett, und allenfalls dem Adagio. – das erste Allo: ist ein toller Phantasiesaz, im Overturen Styl allenfalls, in abgerißnen Säzzen, und das lezte könnte ausgeführter noch sein. item ich schrieb sie in meinem 16t Jahre*. –

Sie können sich darauf verlaßen liebster Freund, daß Sie bald nach Ostern, eine vollständige Relation über das Wichtigste, in denen 2 Jahren die ich in Prag hause, – erhalten*. ich warte nur noch das Ende der zahllosen Concerte abT. Materialien habe ich liegen, und Zeit ist es daß die Welt endlich einmal erfährt, daß Prag auch noch in der KunstWelt lebt, und zu zählen ist.

Ihre freundschaftliche OsterMeße Einladung hätte ich ohnedieß nicht annehmen können, aber für den Sommer verschwöre ich es gar nicht Sie auf Ihrer Villa zu umarmen. freylich würde es dann um diese Zeit schlecht oder gar nicht nach einem Concerte aussehen, aber was thut das. – ich habe jezt ein Clavier Concert in F moll im Plan. da aber die moll Concerte ohne bestimmte erwekende Idee beym Publikum selten wirken, so hat sich so ganz seltsam in mir unwillkührlich dem Ganzen eine Art Geschichte untergeschoben, nach deren Faden die Stükke sich reihen, und ihren Charakter erhalten. und zwar so detaillirt und gleichsam dramatisch daß ich mich genöthigt sehen werde ihnen folgende Titel zu geben. Allo: Trennung. | Adagio, Klage. Finale. höchster Schmerz, Trost, Wiedersehen Jubel.

Da ich alle betitelten Tonbilder sehr haße, so wird es mir höllisch sauer mich selbst an diese Idee zu gewöhnen, und doch drängt sie sich mir unwiderstehlich immer wieder auf und will mich von Ihrer Wirksamkeit überzeugen. auf jeden Fall möchte ich an keinem Orte wo man mich nicht schon kennt damit zuerst auftreten, aus Furcht, verkannt und unter die Musikal: Charlatans gerechnet zu werden.

Was halten Sie davon?

Nun theurer, lieber Freund leben Sie recht wohl und Froh, bringen Sie Ihrer verehrten Gattin die herzlichsten Grüße ihres Freundes, vergeßen Sie aber auch das Töchterlein nicht, und behalten Sie lieb Ihren unveränderlich treusten Freund Weber.

Apparat

Zusammenfassung

Privates; ist durch seine Krankheit und die Unzufriedenheit mit dem Publikum am Arbeiten gehindert; über die Verhältnisse in Gotha, über Leyer und Schwert, die Rezension zu Wiecks Liedern; lobt Rochlitz’ Einsatz, will einen Bericht über seine Prager Tätigkeit verfassen; über seine Sinfonie; ausführlich über den Plan seines Konzertstücks

Incipit

Welch einen frohen Tag, mein theurer Freund

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A c, 8

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • auf der Adressenseite Rechnungsnotizen von F. Rochlitz

    Provenienz

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW I, S. 478–479 (unvollständig)
    • Anonym, Aus Carl Maria von Weber’s Briefen, in: Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler, Jg. 12, Nr. 43 (22. Oktober 1864), S. 339–340 (ebenso unvollständig)

Textkonstitution

  • „vor“durchgestrichen
  • daß„das“ überschrieben mit „daß
  • „kann“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… ich wieder von meiner Reise“Nach dem Kuraufenthalt in Liebwerda reiste Weber Ende Juli / Anfang August 1814 zunächst nach Berlin, dann nach Tonna und Gotha und schließlich über Altenburg zurück nach Prag (Ankunft 25. September 1814).
  • „… unaufhörlich mit etwas zu kämpfen“Im Brief an H. Lichtenstein vom 31. Januar und 4. Februar 1815 datiert Weber den Beginn seiner Krankheit mit 3. Dezember 1814 (Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit liegen nicht vor).
  • „… blos ganz allein Rombergs Anstellung“Vgl. dazu Webers Brief an H. Lichtenstein vom 17. September 1814 sowie Frank Ziegler, Herzog August und sein Verhältnis zu Musik & Musikern, S. 47.
  • „… Zeile vom Herzog erhalten habe“Weber war am 21. September 1814 von Gotha Richtung Prag abgereist; vgl. seinen Brief an Hinrich Lichtenstein vom 18. Oktober 1814. Bis zum Ende des Jahres 1814 fehlen Webers Tagebuchnotizen, so dass für diese Zeit keine Briefe an Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg nachweisbar sind. In den ersten Monaten 1815 hielt er im Tagebuch keine Korrespondenz mit dem Herzog fest.
  • „… mir ein angenehmes Geschenk sein“Wieck widmete Weber seine Acht Gesänge mit Begleitung des Pianoforte op. 7 (Leipzig: Hofmeister, PN: 361) und übersandte dem Widmungsträger im Mai 1815 ein Exemplar davon.
  • „… in meinem 16 t Jahre“Rochlitz hörte die Sinfonie vermutlich am 3. November 1814 im Gewandhaus-Konzert, Weber beendete sie am 2. Januar 1807, im 21. Lebensjahr.
  • „… in Prag hause, – erhalten“Der Prag-Bericht erschien im September in der AmZ.

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