Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Freitag, 14. Juli 1815 (Nr. 8)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt

Sängerin und Schauspielerin

des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Gegen Rezipiße

Meine gute liebe Lina.

Ja, wahrlich mit treuem freundlichen Herzen will ich zu dir sprechen, spreche ich eigentlich immer zu dir. dein lieber Brief vom 7t huj: den ich Gestern Abend erhielt, ist wieder voll unnöthiger Selbstqual. höre doch endlich auf dich selbst so zu mißhandeln. du machst eine Handvoll Menschen die du selbst für verächtlich erklärst, zu den Richtern deiner Handlungen, deren Urtheil du fürchtest, weil sie dreist genug sind, ihre vorlauten unerwogenen Meynungen dir zu sagen. Von dem edlen Theil des Publikums der abwartet und erst spät zu urtheilen wagt, hörst du nichts, und machst also Deine Entschlüße die die Folge reifer Überlegung und Ueberzeugung sind, zum Spielball der müßigen Zungen der Ersteren.

Die Anwesenheit des H: v: H:* kann dir zwar unangenehm sein, aber beunruhigen soll und darf sie dich nicht. wenn man ihn nicht bey dir und mit dir sieht, wenn es ihm unmöglich ist zu seinen Brüdern zu sagen ich gehe oder komme jezt von der Brandt, so wird alle Verläumdung in nichts versinken. und selbst wenn sie es wagten dich anzutasten, muß deine Ueberzeugung dir alles sein. Hat dich nicht leztere sogar mir gegenüber aufrecht erhalten, wo doch so manche unbesonnene Schritte gegen H: mich zu den gerechtesten Zweifeln hätte berechtigen können?

und dann geliebte Lina. wie kannst du glauben, daß ich bey meiner Zurükkunft, nicht offen vor aller Welt durch mein Betragen gegen dich beweisen werde, daß nur Verhältniße, nur Dein Wille uns trennen konnte.      daß nur um das dir über alles theure Urtheil der Welt zu schonen, ich dieses Opfer brachte, daß ich nicht das Unglük eines Wesens stiften will, das ich über alles liebe.      Nein, geliebter Mukkel, sey guten Muths, handle recht und tadellos, und scheue Niemand. eine verläumderische Stimme im Publikum verhallt ungehört und man erkennt dann doppelt, und beschämt, das wahre und Gute. —

du fragest dann auch, was mich noch bekümert?  Mein Gott, wie kannst du so fragen. dein Anblik kann mich nicht weicher machen, als ich jezt, als ich immer bin, und bleiben werde. — ich kenne nur noch eines, dich froh und glüklich zu sehen. also sei brav, heiter und festen guten Muthes.      die Mutter mag dich wohl auch wieder viel quälen. — Es soll mich wundern daß Louis hier engagirt ist, und ich noch nichts davon gehört habe. ich wünsche es ihm von Herzen. er ist ja dein Bruder*.

Das Guth ist also gezogen. und wieder in die Hände der Reichen gekommen. — meine Nummer ist 43682. ich habe hier keine Liste zu sehen bekommen. und werde wohl auch nichts gewonnen haben.      Freytag kann mir schreiben wenn er will.

Daß H: Klement sich beklagt finde ich sehr lächerlich, was soll ich ihm schreiben, habe ich ihm etwa Rapport abzustatten, oder Er mir. ich bitte dich dieß ihm zu sagen. |

Wenn Mad. Grünbaum nach Berlin gehen will, hat Sie sehr recht, und muß sich deßhalb an den Generaldirektor und Intendanten Grafen Brühl wenden. Kann ich ihr etwas angenehmes dabey thun, so geschieht es gewiß mit Freuden. und darf Sie mir nur sagen was.      dein Kränkeln macht mir sehr ängstlich. denn das was du mir darüber schreibst ist eben nicht sehr geeignet mich zu beruhigen.      Meine Geschäfte gehen langsam. ich hoffe aber bestimmt den 1t August abzureisen.      ich bekomme auch gar keine Briefe. auch von Liebich keine Antwort.

d: 12t brachte ich den Vormittag in einer ConcertProbe zu. dann machte ich Visiten. Mittag zu Hause. dann spazieren. Abends HofConcert im Theater, das mich sehr ergözte*. und wo ich unvermuthet den Dichter Castelli aus Wien fand. der mir ein Opern Gedicht* schikken wird.

d: 13t Gestern. früh gearbeitet. Mittag zu Hause. um 3 Uhr dann in die GeneralProbe von Poisl Oper Der Wettkampf zu Olimpia. schöne Musik. Abends Gesellschaft bey dem OberbauIntendanten v: Gärtner.

und jezt heißt es schnell schließen, denn die Post geht. Nochmals rufe ich dir zu, sey ruhig, fest, und froh, mein geliebter Mukkel, erhalte dich gesund, heiter, und vergiß nicht deinen dich über alles liebenden treuen Carl. Puntum ...

Millionen [Kußsymbol]

Apparat

Zusammenfassung

versucht, Caroline Brandt über Gerüchte in Prag zu beruhigen; bezieht sich auf verschiedene Prager Bekannte; Tagebuch 12./13. Juli; erwähnt, dass er Castelli getroffen habe, der ihm ein Libretto schicken wolle

Incipit

Ja wahrlich mit treuem freundlichen Herzen will ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 7

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelloch, Bl. 2 geklebt
    • PSt.: a) R. 4. MÜNCHEN | 14 JUL. 1815; b) Chargé
    • Bl. 1v Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns: „Carl Maria von Weber eigenhändig an seine Braut“
    • am oberen Rand Bl. 2v (Adresse) Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns: „Handschrift von C. M. v. Weber. (an seine Braut)“
    • Rötelrandmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Bartlitz (Muks), S. 157–160 (Nr. 25)

Textkonstitution

  • „noch“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Anwesenheit des H: v: H:“Vermutlich identisch mit jenem „H:“, der auch im Brief vom 19./20. Juni 1815 erwähnt wird, auf jeden Fall mit dem „H: v: H:“ im Brief vom 18./19. Juli 1815.
  • „… er ist ja dein Bruder“Ein Gastspiel von Louis Brandt in München in diesem Jahr, das üblicherweise Voraussetzung für eine (offenbar geplante) Anstellung gewesen wäre, lässt sich weder anhand der Münchner Theaterzettel noch durch Theaterberichte in der Presse nachweisen; vgl. auch den Kommentar im Brief an C. Brandt vom 18./19. Juli 1815.
  • „… Theater, das mich sehr ergözte“Angekündigt in der Baierischen National-Zeitung, 1815, Nr. 1604 (10. Juli), S. 680 als „großes Vokal- u. Instrumental-Konzert zu einem wohlthätigen Zweck“, veranstaltet im k. Hoftheater; die Begünstigte war die Witwe des Violinisten A. Reis(s)inger. Zum Programm vgl. AmZ, Jg. 17, Nr. 35 (30. August 1815), Sp. 599.
  • „… der mir ein Opern Gedicht“Laut Tagebuch das Libretto zu Die Guittarre.

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