Carl Maria von Weber an Carl Graf von Brühl in Berlin
Prag, Samstag, 30. Dezember 1815

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Hochgeborener Herr Graf!

Verehrtester Freund!

Heute treibt mich ein doppeltes Anliegen dazu, Sie mit diesen Zeilen zu belästigen: ein fremdes und ein eignes. Zuerst das Fremde.

Mlle. Caroline Brandt, die in der Oper und im Schauspiel das naive Fach bekleidet und alle Talente in sich vereint, die daßelbe schmücken können, als Tanz, Gesang, Grazie und Innigkeit des Ausdrucks, nebst einer zierlichen Gestalt und Jugend, ihre ausgezeichnete Bildung und Einsicht als Künstlerin gar nicht zu erwähnen, wünscht das hiesige Engagement mit einem dauernderen als eine Privatanstalt sein kann, zu vertauschen. Sie ist der Liebling des hiesigen Publikums und hat auch sonst keine Ursache eine Veränderung zu wünschen, es sei denn jene jedes gebildeten Menschen, sich gerne auch unter eben solche versetzen zu lassen. Da ich nun glaube, daß dieses Fach bei Ihnen unbesetzt ist und Sie schwerlich in Deutschland es vorzüglicher wieder finden werden, so hat mich Mlle. Brandt gebeten, Ew. Hochgeboren zu fragen, ob Sie geneigt wären, sie für das Berliner Hoftheater zu engagieren.

Ich kann mich nicht leicht sonst entschließen, jemanden zu empfehlen; wo aber das Talent so entschieden ist wie hier, kann ich überzeugt sein, Ihnen nur damit einen Gefallen zu erweisen.

Es versteht sich von selbst, daß Ew. Hochgeboren das strengste Stillschweigen darüber gütigst beobachten wollen und zugleich gefälligst mir in einer geneigten Antwort, abgesondert von denen vielleicht mich betreffenden Gegenständen, schreiben wollen, damit ich dero Schreiben der Mlle. Brandt zustellen kann und mich dadurch als ihrem Wunsche Genüge leistend, legitimieren kann.

Was nun meine Angelegenheit betrifft, so ist sie folgende. Endlich ist meine Cantate auf die Schlacht von belle-Alliance vollendet und den 22t huj. mit Erfolg aufgeführt wordenT. Ich werde sie nun den erhabenen Souveränen zu Füßen legen, und da ich weiß, daß alles davon abhängt, durch welche Hände so ein Werk der Monarch erhält, so unterstehe ich mich, Sie zu bitten, die Partitur der Cantate in meinem Namen Sr. Majestät dem Könige zu überreichen.

Verzeihen Sie, wenn mein Vertrauen auf Ihre freundschaftliche Güte mich eine vielleicht unbescheidene Bitte tun läßt und erklären Sie mir offen Ihre Meinung darüber.

Neues haben wir seit dem 7t 8br, wo ich an Ew. Hochgeboren zum letzten Mal schrieb, gegeben: den 22t 8br Wirth und Gast von Meyerbeer und Wohlbrück, ein treffliches Werk, das auch seine Würdigung erhalten hat und sich auf dem Repertoire gern gesehen erhält.

Aus den Beilagen können der Herr Graf einen neuen Versuch von mir sehen, auf das hiesige Publikum zu wirken, der mancherlei Sensation gemacht, und ich kann wohl sagen, trotz mancher hämischer Auslegungen und Widersacher mehr Gutes gewirkt hat.

Die Debüte der Mad. Czeka in Titus, Don Juan pp* hielten mich dann auf. Den 19t 9br war zum 1t Mal ein Trauerspiel von Reinbeck: „Kampf der Gefühle“. Gefiel und hat auch viele Schönheiten der Sprache und der Handlung. Den 22t Johann von Wieselburg als Parodie auf den Johann von Paris, zum Benefice unseres Komikers Allram. Mißfiel gänzlich. Den 10t Das Haus Barcellona, Trauerspiel von Th. v. Berg, voll trefflicher Theatereffekte, aber gräßlich. Den 19t Die Macht der Verhältnisse, Trauerspiel von Robert; machte großes Aufsehen, besonders unter dem Adel. Den 26t Die Jugend Peter des Großen, Oper in drei Akten von Weigl und Treitschke. Ohne Intresse und sehr leere, schlechte Musik. Den 10t Januar 1816 geben wir Joconde oder Die Abentheu[r]er, Musik von Isouard. Sehr gefällig und reizend.

Noch habe ich vergessen, einige der vorzüglichsten Rollen der Mlle. Brandt zu bemerken: Aschenbrödel, vortrefflich, weil sich da alles vereint, ihre Talente zu entwickeln; Zerline, Pagen im „Figaro“, Aline, Fanchon p.p. Gurli, Wilhelmine im Räuschchen p.p. sind die nächsten, die mir einfallen.

Verzeihen Sie mein konfuses Schreiben bei der Eile, mit der ich bei meinen überhäuften Dienst-Geschäften alles mich betreffende abmachen muß, und erfreuen Sie bald mit einigen Zeilen Antwort denjenigen, der sich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung nennt Hochgeborener Herr Graf ergebenster Freund und Diener C. M. von Weber.

Apparat

Zusammenfassung

Anfrage wegen Engagements Caroline Brandts an das Berliner Hoftheater; teilt mit, dass „Kampf und Sieg“ vollendet u. bereits aufgeführt worden sei; bittet Brühl, die Partitur der Kantate dem König vorzulegen; berichtet über Prager Spielplan

Incipit

Heute treibt mich ein doppeltes Anliegen dazu

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Kopie: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II B, 1. a., Nr. 2, S. 2–4

    Quellenbeschreibung

    • Kopie Ida Jähns

    Provenienz

    • Schneider/Tutzing Kat. 136 (1968), Nr. 610

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kaiser, Georg: Unbekannte Briefe von Carl Maria von Weber gerichtet an den Intendanten der Kgl. Schauspiele Grafen Karl von Brühl in Berlin, in: Nord und Süd (Berlin), Jg. 35, Bd.137, H. 432 (2. Juniheft 1911), S. 457–461
    • Brühl, S. 5–7 (Nr. 2)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Titus , Don Juan pp“Debüts als Sextus (26. Oktober), Donna Elvira (1. November) und Gräfin im Figaro (12. November 1815).

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