Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Montag, 30. Dezember und Dienstag, 31. Dezember 1816 (Folge 2, Nr. 14)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgebohren.

Mitglied des Ständischen

Theaters

zu

Prag.

Wohnhaft am Juden

-Tandel Markt, im

Hause des Herrn

Post Offizienten Schwarz

Mein geliebter Herzens Muks!

Nachdem ich Vorgestern d. 28t alle meine Briefe expedirt hatte, vollendete ich die Arie für die Milder, und sang sie dann mit ihr durch. Sie hat große Freude dran, und sie paßt ihr auch recht auf ihren Leib, oder vielmehr in ihren Hals. Gestern war ich den ganzen Sonntag liederlich, früh zu Pölchau, wo unter anderem auch meine Hymne gemacht wurde, Mittag bey Hothos, und von da Abends bey Geh:Rath Kelz in großer Gesellschaft, wo ich singen und spielen muste*. Lichtenstein der etwas später kam, brachte mir folgenden sonderbaren Brief vom Grafen Brühl.

„Ich erfahre so eben daß Sie bester H: v: Weber in Dresden angestellt sein sollen? Sollte diese Nachricht wahr sein, so würde mir dieß sehr leid sein, denn ich habe noch immer bestimmte Speculation auf Sie, und hoffe sie auch durchzusezzen. Laßen Sie mich doch freundschaftlich wißen, was an dieser Nachricht wahres ist, und schenken Sie mir das Zutrauen, nicht fest abzuschließen ehe Sie mich davon benachrichtigt.

Mit aufrichtiger Freundschaft und Hochachtung Brühl.“

Du kannst denken daß ich es miserabel finde, jezt so zu sprechen, da er sich die ganze Zeit meines Aufenthaltes nicht um mich bekümmert hat. ich werde ihm also heute antworten daß es zu spät wäre, und ich längst nicht mehr auf ihn gerechnet hätteT. – Nein man ist in Dresden viel zu ehrlich und achtungsvoll mit mir umgegangen, als daß ich jezt schon wieder auf wandelbare Hoffnung hin, sie im Stiche laßen sollte, zumal da ich in Künstlerischer Hinsicht doch dort mehr und ruhiger zu leisten hoffen kann.      Du wirst wohl mit mir einverstanden sein. Uebrigens ist mir dieser Brief angenehm um in Dresden zeigen zu können daß man mich auch anderweitig sucht, und ich treu an meinem neuen Herrn und König halte.      Nun zur Beantwortung deines lieben lieben Briefes.      An Liebich kannst du ein recht lebendiges Beyspiel sehen, daß alle Güte, ohne auf Festigkeit und auf Wahrheit gebaut zu sein, in Nichts zerfällt und zulezt mehr schadet als gut macht. Gott habe ihn seelig den armen guten Menschen, hoffentlich wird der da oben auch über ihn seine unendliche Gnade und Nachsicht ergehen laßen.

Ja, lieber H: v: Muks da hast du Recht, es war sehr dumm daß ich dich mit hieher genomen habe, denn mit den Eroberungen ist es wirklich am Ende, doch giebt es noch Leute genug die mich anbeten alle 10 Finger voll H: Wachtmeister — aber es ist niz mit dem Mukkenkönig anzufangen, er ist so unendlich vortrefflich daß ich ihn gar nicht genug loben kann. Werde auch mein Attestat bei meinem Abgang von hier gehörig deiner verehrten Polizei einschikken. — Mit der Rolle im KünstlerlebenT kann ich nicht aufwarten, denn du weißt ja daß du keine mehr spielen darfst, und bald in das Fach der zärtlichen Mutter übergehen must. und so eine komt nicht vor darin.      Dem Muthwillen und der Schelmerey laß ich die Hand küßen, und sie möchten nur da bleiben, ich hätte sie sehr gern.      Was du bei Junghs siehst, vontwegen des Bußens muß ich leider auch oft mit ansehen, und meine Sehnsucht höchstens am grauen Joppel auslaßen. Nun das wird ja auch ein Ende nehmen.

Es muß also gar nicht mehr gegangen sein, weil H: Bayer die Regie niederlegt ja ja so einen guten Tyrannen wie mich, kriegen sie nicht mehr, der es so lange mit | Ehren aushielt.      Die Beschreibung des Leichenbegängnißes pp hat mich sehr gerührt und danke ich dir für deine Ausführlichkeit. Hast Dich überhaupt stark angegriffen in dem Brief, hast meinen so ordentlich beantwortet, und erzählt, Nun Du wirst wirklich vortrefflich,      Besonders habe ich so was von Kochen gelesen, was mich ganz entzükt hat. ich bin recht neugierig was du mir einmal selbst kochen wirst wenn ich nach Prag in Visite  kome, das wird gut schmetten, und da will ich freßen, Nun! — —

Aber den Stottfisch mußt du mir nicht kochen, nur gut zurichten daß er fett und gewäßert ist von den scharfen fremden Salzen — —

Jezt muß ich mich rasieren, o bittrer Schmerz! und für wen? Niemand bekümmert sich darum ob ich glatt bin oder nicht. Guten Appetitt Muks. Sey brav und Gesund, Gott stärke dich zu allem guten.
Millionen Bußen, von deinem dich über alles liebenden Carl.

d: 31t

Heute der lezte Tag im Jahre. Dieser Gedanke hat immer etwas feyerliches für mich. Es ist als müßte man nun auch Rechenschaft ablegen was man im verfloßenen Jahre gethan, geleistet, und gewirkt nach Innen und Außen habe. Gott hat mich im verfloßnen Jahre sehr gesegnet, und mich eigentlich durchgehends mit glüklichen Ereignißen überschüttet, wofür ich nicht genug danken kann. ich habe an innerem und äußerem Wohlstande, Gesundheit des Leibes und der Seele gewonnen, und dadurch einen schönen großen Schritt zu stetem Beßer werden gethan, Worin mich meine geliebte Lina treulich unterstüzzen wird, durch gleiches Streben, und liebevolles Ertragen und Dulden anderer Schwächen. Nicht wahr? mein geliebtes Leben, du betrittst auch mit den besten Vorsäzzen das neue Jahr, und siehst ihm hoffnungsvoll, und voll des freudigsten Muthes entgegen. Ich waffne mich wie gewöhnlich auf manches trübe und verdrießliche was mir wohl mitunter bevorstehen mag, aber es soll mich nicht beugen und nur von deiner Seite könnte wahrhafter Schmerz über mich ausgehen, wenn du in deiner Liebe gegen mich nachlaßen könntest, aber Gott sey Dank, dieß fürchte ich nicht, und baue fest auf dein Herz und deine Treue, wie du es auf mich thun kannst. Ich umarme dich aufs innigste und rufe Dir nochmals, ein glükliches frohes Jahr zu.

Nachdem ich Gestern dem Grafen Brühl geantwortet hatte, gieng ich ins Theater und Concert*. im ersteren traf ich ihn selbst, wo er mich sogleich bei Seite nahm, und versicherte meine Antwort wäre ihm ein Donnerschlag gewesen, er hätte große Lust Einen zu maßakriren um mich zu haben, und ich müste ihm wenigstens nicht alle Hoffnung für die Zukunft rauben. Dieß that ich denn auch nicht, und ich muste ihm heilig versprechen in dem freundschaftlichsten Verhältniß mit ihm zu bleiben.     Es ist mir wirklich wohlthuend, zu sehen wie alles sich darüber freut, mich wenigstens in der Nähe zu haben, und wie sie alle kommen dem König von S: zu gratulieren nicht mir.      Es hält mich hier nun eigentlich kein weiteres Geschäft, als das unterlegen des Englischen Textes unter meine Kantate, welches ich nirgends anderst thun kann als hier, um sie dann nach England abgehen zu laßen.      Mit Schleßinger hoffe ich noch ein Geschäft abzuschließen, damit ich doch nicht umsonst hier geseßen habe, und doch meinen Aufenthalt und Reise verdiene. auch brauch ich viel Geld, mich fast ganz neu in Kleidern herzustellen, | da ich ziemlich abgerißen bin, [das] Hofkleid ungerechnet, das auch ordentlich Geld kosten wird, weil ich nicht Lust habe ruppig zu erscheinen. Nun, ich hoffe in Dresden wenigstens etwas ReiseGeld zu bekommen, und somit wird es wohl gehen, ohne daß ich was von unserm Ersparten angreiffen darf. Spare Mukel, spare, damit wir recht viel Geld bekommen, wegen der Teppeniche ppppp.      Von dem schönen Toskanischen Präsent höre ich ja nichts mehr. Vielleicht heute Abend, denn ich hoffe zum guten Jahres Schluß noch einen Brief von Muks zu erhalten.

Du wirst gewiß heute Abends bey Junghs sein. nun freß nur nicht zu viel, und besauff dich nicht wie gewöhnlich, sonst schreibt mir wahrscheinlich Jungh daß du und seine liebe Fanny am Lachen geplazt seid, wenn du so prustest und sie Kikeriki lacht.

Gott segne es Euch, ich werde beständig in Gedanken bei Euch sein, was ich ohnedieß immer thue.      So oft ich Suppe oder Kaffee verzehre, denke ich gleich an Deine Lehren und blase aus Leibeskräften, nur in einem Stük kann ich dir nicht folgen, nehmlich nicht so liederlich zu sein. Das mußt du mir schon erlauben lieber Muks, denn besonders jezt, in den Feyertagen und weil sie mich bald verliehren, will mich jedes noch einmal haben, also das kann ich nicht ändern. du darfst auch dich nicht besonders breit machen, komst selten vor Mitternacht von Doktors, und tanzest, und läßt Dich von H: Hans nach Hause führen!!! Ey! Ey! Ey! – – –

Nun muß ich aber schließen, lieber Mukenfuß. Gott erhalte dich froh und Gesund, Grüße mir meine lieben Doktors aufs herzlichste, und buße Sie alle für mich.      auch an Grünbaums, Allrams, pp alles Schöne.      Sey brav, behalte mich lieb, und denke stets heiter und froh an deinen dich zärtlichst liebenden Carl.

Apparat

Zusammenfassung

habe die Arie für die Milder vollendet und mit ihr geprobt; zitiert aus einem Brief Brühls, in dem dieser Weber bittet, seine Anstellung in Dresden hinauszuzögern, weil er (Brühl) ihn noch immer für Berlin zu gewinnen hoffe; betr. Prag; Rückblick auf das vergangene Jahr; berichtet über Zusammentreffen mit Brühl; teilt mit, dass er mit dem Unterlegen des englischen Textes von „Kampf und Sieg“ beschäftigt sei; betr. Geldgeschäfte

Incipit

Nachdem ich Vorgestern d: 28t alle meine Briefe

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 71

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest und -loch

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 290–296

Textkonstitution

  • „auf“überschrieben
  • „das“ergänzt von den Hg.
  • „… ich ziemlich abgerißen bin, das“Textverlust durch Siegelrest

Einzelstellenerläuterung

  • „… ich singen und spielen muste“Zu den dargebotenen Werken vgl. das Tagebuch.
  • „… ich ins Theater und Concert“Im Nationaltheater wurde laut Tagebuch der deutschen Bühnen (Jg. 1817, S. 38) Der standhafte Prinz nach Calderon und Schlegel gegeben. Zum Konzert des Posaunisten F. Belke im Konzertsaal des Schauspielhauses vgl. u. a. die Konzertanzeige in Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1816, Nr. 156 (28. Dezember) sowie den Kurzbericht in AmZ, Jg. 19, Nr. 3 (15. Januar 1817), Sp. 48f.
  • S:Abk. von „Sachsen“.

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