Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Freitag, 1. bis Montag, 4. August 1817 (Nr. 74)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgebohren

Mitglied des Ständischen Theaters.

zu

Prag.

Kohlmarkt 514.

2t Stok.

Liebe Mukkin ich muß geschwind zu dir laufen und dir erzählen was ich schönes in unsere Wirthschaft gekauft habe. Nehmlich TischZeug

1t ein Tischtusch mit 6 Serviet von feinem Zwilich. ganz gute.

2t 1 Tischtusch auf 12 Personen mit 12 Serv: hin und wieder die Serv: etwas schadhaft.

3t 1 Tischtuch von Damast auf 12 Pers: mit 12 Serv: recht schön, nur die Serv: nicht alle gleiches Muster.

4t 1 Tischtuch vom feinsten Damast. auf 18 Personen mit 18 Serv: ganz herrlich und neu.

Also im Ganzen 48 Serv: und 4 Tischtücher. da werden wir doch vor der Hand genug haben? kostet aber – 60 rh: hätte ichs in der Fabrik gekauft so müste ich für das lezte allein mehr geben. Nun laße ich alles schön zeichnen und waschen, damit die Mukin ihre Freude dran hat.      du kannst nicht glauben was ich für Vergnügen dran habe etwas in die Wirthschaft zu schaffen, und dadurch zu sehen wie das so nach und nach anwächst und vollständiger wird. Könnte ich dir es nur auch immer gleich zeigen. Vorhin ließ mir die Gräfin Clam sagen daß sie da sei, und ich gieng ihr meine Aufwartung zu machen, lief aber gleich wieder in den Engel um meinen Handel abzuschließen. Ein Herr der bei ihr war und deßen Nahmen ich wieder vergeßen habe, überschüttete mich mit Komplimenten. Sie bleibt nur paar Tage hier um – die Gegend zu besehen.

Jezt muß ich in Baad. ade für heute. ade ade! ah! wir haben schöne Tischwäsche!!! Etsch!!!

Zwei Tage bin ich nicht dazu gekommen mit meiner Mukkin plaudern zu können, es geht aber wieder hart über mich her. doch laß dir erzählen. d: 1t hatte ich also alle mein Geld so rein ausgegeben daß ich mich besinnen muste wieder welches zu kriegen, dazu kam noch daß ich mein Lotterie loos mit 4 rh: 4 gr. erneuen muste, kurzum, ich hatte noch 9 Groschen im Vermögen und vor d: 17t nichts einzunehmen. hokte mich also nach dem Baade hin, und machte die Briefporto Liste für die Direktion, und war recht andächtig und ruhig. d: 2t um ½ 10 Uhr GeneralProbe von den Hußiten. Vorher mehrere Fremde. Mittag im Engel. dann gearbeitet, Abends mit Baßi spazieren*, aber bald wieder nach Hause. d: 3t Sonntags, früh aufgestanden und um 8 Uhr eine seit vielen Jahren versäumte Handlung begangen, nehmlich gebeichtet und Komunizirt. ich war sehr ergriffen und bewegt, und daß ich ganz allein in der Kirche war, war recht gut und feyerlich. ich betete recht innig für dein Wohl, und daß uns Gott seinen Seegen und Kraft verleihen möge. um 11 Uhr führte ich die Gr. Clam in die Kirche, und dann auf die Gänge* wo sie die Prinzeßin sprach. Auch mit H. Morlachi hatte ich eine lange Unterredung, und zwar für ihn | zur guten Stunde, denn ich war weich und nachsichtig gestimmt. Mittag aß ich bei Ebers die aus Carlsbad kamen*, und die sich so freuen wenn wir nach Berlin komen, daß sie suchen will uns ein Quartier in ihrem Hause unter den Linden zu geben*. da sie sonst Nie jemand im Hause haben. das wäre sehr schön. Da wurde dann viel von dir geplaudert, und das junge Brautpaar errinnerte mich recht an den 8b in dem sie auch ihre Verbindung feiern wollen. Von da muste ich aufs Bad die Hussiten dirigiren*. Heute, kurz vor der Probe kam dein lieber No. 77, der doch wieder einmal ein ordentlich Gesicht hat, dem man heiter in die Augen schauen kann. Habe auch Briefe von Lichtenstein und der Koch bekomen, die lieb und gut sind, und dich alle herzlichst grüßen. Mir scheint die Feuersbrunst in Berlin* hat bedeutenden Einfluß auf meine GeschichteT. Noch habe ich keinen Brief von Brühl, und hier vermuthet man dieß und eilt auch nicht sehr mit mir ins Klare zu kommen. Ich habe sehr Ursache mit meiner ruhigen besonnenen Handlungsweise zufrieden zu sein, da ich weder Uebermuth noch Pretensionen zeigte, und nun also auf keinen Fall nöthig habe einen Schritt rükwärts zu thun, welches denn immer eine mißliche Sache ist. Ja ja so geht es mir, wenn es nicht anderst ist so muß wenigstens eine Feuersbrunst dazwischen kommen, nun wie Gott will! Geduld!

Morlachi ist vom Director offiziell sehr tüchtig herunter gepuzt worden, aber was hilft das, es bleibt doch beim Alten. Heute war GeneralPr. von Lodoiska. Mittag im Engel. und jezt zum Briefe der Mukkin.      Kann mirs denken daß die Mutter bei dem großen Kaffee Gedanken ergriffen war*. Mit dem 10 Jahr auskommen ists aber nitz, wollen Gott danken wenn er 2 hält.      Was Paßi sagt? nitz! er würde sehr verliehren wenn ich weg gehe, denn er geht am meisten mit mir um, aber er selbst ist auch sehr unzufrieden. Gestern war der Graf gar übler Laune, mir scheint das ganze Geschäft macht ihm auch viel Kummer. Ich hoffe nicht daß die Unpäßlichkeit des Drs: von Bedeutung war, und laße ihm herzlichst gute Beßerung wünschen. Die Handlungsweise der L: ist ganz ihr angemeßen, wer einmal so über Alles weg ist, dem ist nichts mehr theuer und heilig, als der Wanst.           Ey, lieber Muks, ich muß dich loben statt zu zanken, daß du mir sagst was dir lieber ist*. schikke mir nur bald ein Muster, und schreibe mir genau ob es mit oder ohne Schleppe sein soll, und ob nicht weißer Atlas noch beßer wäre? ob ich es hier soll machen laßen, ob du Maaß schikken willst pp pp nur alles recht deutlich. gönne mir doch diese Freude.      die Koch stikt auch fleißig an dem Stuhle*. die 12 Stühle die damals in Berlin verloost wurden, und von denen ich 12 Loose vertheilte, hat die Lichtenstein gewonnen | Nun bin ich freilich ehrlich genug zu gestehen, daß ich sie noch lieber selbst gewonnen hätte, da das aber einmal nicht sein sollte, so freut es mich so, recht sehr.

Nun will ich noch sehen ob ich nicht meine 2 Opern an den Grafen verkaufen kann, denn ich brauch Geld! wie ein Geizhammel möchte ich es aus der Mauer krazzen. Dieser Tage wird auch ein H: Carl Blume nach Prag komen, Bruder des Berliner. er ist Componist, Sänger, Dichter, Guittarrespieler alles in einer Person, er gefällt mir nicht sonderlich*, darum habe ich ihn auch nicht an dich gewiesen.      Warum schikt ihr denn den Schreibschrank* nicht: hieher muß er doch auf jeden Fall. Diese Ungewißheit prikelt mich übrigens recht sehr, und läßt mir keine rechte Ruhe zum Arbeiten.

Die Wäsche zu zeichnen kostet allein 4 rh. 4 gr. das wird aber künftig der Gnädigen Frau überlaßen. aber dieß wollte ich doch im gehörigen Stande gleich überliefern.

Nun ade Mukkin. Gott behüte dich, und seegne dich + + +. bleib gesund und frisch wie ein Fisch im Waßer. Komt ein extra Brief von mir, so steht auch was extras drin. Grüße an Alle. Ich umarme dich innigst in Gedanken, mein liebes gutes Bräutchen, und bin immer und ewig Dein Dich zärtlichst liebender Carl.

Millionen Bußen.

Apparat

Zusammenfassung

habe einige Sachen für den zu gründenden Haushalt erworben; Tagebuch 1.-4. August; betr. gemeinsame Berliner Bekannte; sei in Bezug auf Berlin weiter im Ungewissen, fürchte aber, dass der Brand im Theater sich nachteilig auf seine Anstellung auswirken werde

Incipit

ich muß geschwind zu Dir laufen und Dir erzählen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 112

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelloch

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 457–462

Textkonstitution

  • „… auf keinen Fall nöthig habe“habe überschrieben aus unlesbarem Wort

Einzelstellenerläuterung

  • „… gearbeitet, Abends mit Baßi spazieren“Laut Tagebuch auf die Vogelwiese.
  • „… und dann auf die Gänge“Im Gang zwischen Hofkirche und Schloss warteten nach der Messe stets viele Schaulustige, um die königliche Familie zu sehen; vgl. u. a. die Beschreibungen in Weberiana 21, S. 42 und 47f.
  • „… Ebers die aus Carlsbad kamen“Zum Karlsbad-Aufenthalt ab 3. Juni 1817 vgl. den Kommentar zum Tagebucheintrag vom 30. Mai 1817.
  • „… unter den Linden zu geben“Laut Berliner Adressbuch auf 1818/19 (S. 72) lebten Victor und Seraphine Ebers Unter den Linden Nr. 15.
  • „… aufs Bad die Hussiten dirigiren“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 15. August 1817.
  • „… scheint die Feuersbrunst in Berlin“Das alte Schauspielhaus von Carl Gotthard Langhans war am 29. Juli 1817 abgebrannt.
  • „… großen Kaffee Gedanken ergriffen war“Siehe den Brief vom 27. Juli 1817 an Caroline Brandt.
  • „… sagst was dir lieber ist“Betrifft das Hochzeitskleid.
  • „… auch fleißig an dem Stuhle“Den bestickten Stuhlbezug erhielt Weber laut Tagebuch am 12. Februar 1818; vgl. auch den Brief an Friederike Türcke vom 9. März 1818.
  • „… er gefällt mir nicht sonderlich“Blum hatte Weber laut Tagebuch am 29. Juli aufgesucht und um eine Auftrittsmöglichkeit gebeten.
  • „… schikt ihr denn den Schreibschrank“Wohl der Schreibtisch/Schreibschrank, den Weber laut Tagebuch am 29. März 1817 beim Prager Tischler A. Schambach in Auftrag gegeben hatte.

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