Carl Maria von Weber an Carl Graf von Brühl in Berlin
Dresden, Sonntag, 25. März 1821

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Verehrtes Schreiben vom 22t huj. hatte ich kaum erhalten, als ich auch schon zu Freund Kind eilte, ihm Ihren Wunsch wegen des Annchens* mitzutheilen.      Es konnte uns zwar nicht ganz angenehm sein, etwas eigentlich unnothwendiges da einzuschieben, wo wir auf eine Steigerung und Abwechslung der Empfindung durch die Cavatine der Agathe* und des darauf folgenden Brautliedes* – gerechnet hatten.      Das Verlangen aber Ihrem Wunsche Genüge zu leisten, und die Ueberzeugung daß er aus richtiger Kenntniß der Theaterleute hervor gehe, ließ uns einen hoffentlich glüklichen Ausweg, und eine Mitteltinte zwischen beide Empfindungen finden.      Natürlich kann das immer keine große Arie werden, aber Gelegenheit zur Erhöhung der Bedeutenheit des Ännchens in Spiel und Gesang soll es bieten.      Kind hat mir heute schon die Worte geschikt, und diese mich so angesprochen, daß sie so gut als fertig componirt sind.      Doch habe ich Lust das Ganze erst in Berlin zu vollenden, um Mlle: Eunike vielleicht hin und wieder etwas recht Kehlgerecht zu machen*.

Die Besezzung* dünkt mich höchst zwekmäßig.      Ich habe aber nicht geglaubt daß der sehr geachtete Beschort* noch singt. desto beßer für mich.

Die Umwandlung des Fürsten, in einen regierenden Grafen*, ist Kind ganz recht, nur legt er eine Supplik gegen den Schreckenstein ein*; da ihm dieser Name eine Verwandtschaft mit den Wiener Teufelssteinen und Schrekkenhörner* pp herbei zu führen scheint. dem Himmel sei Dank daß die Sache einmal so weit gediehen ist, und er gebe seinen fernern Seegen dazu. ich erwarte nun Ew: Hochgebohren Bestimmung wann Sie mich in Berlin nothwendig glauben*.

Noch muß ich schließlich meinen | wärmsten Dank Ew: Hochgebohren dafür aussprechen, daß Sie das Orchester der Preziosa* wie in der großen Oper besetzten*. in solchen Dingen spricht sich die wahre Theilnahme und Vorsorge aus, die dem Künstler so selten zu Theil wird. Glauben Ew: Hochgebohren daß ich das innig erkenne.

Mit wahrhafter Verehrung und Ergebenheit Ew: Hochgebohren ergebenster
C. M. von Weber

Apparat

Zusammenfassung

bezieht sich auf den von Brühl geäußerten Wunsch, eine Arie für das Ännchen hinzuzuschreiben; beschreibt die von Kind und ihm ursprünglich beabsichtigte Wirkung der betreffenden Szene, beugt sich aber Brühls Wunsch; Kind habe ihm bereits einen Text geschickt und er sei so gut wie fertig komponiert; äußert sich zur Besetzung; betr. die Umwandlung der Rolle des Fürsten in einen Grafen, für den Kind allerdings einen anderen Namen vorschlage; betr. Preziosa-Aufführung in Berlin

Incipit

Ew: Hochgebohren Verehrtes Schreiben vom 22t huj.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 250

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am rechten oberen Rand der Rectoseite Vermerk von Brühl: „ad Acta B.“, darunter mit roter Tinte von einem Kanzlisten: „z. R. d. 2ten April 21.“, am unteren Blattrand links Empfangsvermerk von Brühl[?]: „26t März“

    Provenienz

    • Sotheby’s (28./29. Mai 1992), Nr. 700
    • Sotheby’s (22. November 1989), Nr. 270
    • Schneider/Tutzing Kat. 162 (1971), Nr. 370
    • Schneider/Tutzing Kat. 152 (1970), Nr. 93
    • Gemeinschaftskatalog Deutscher Antiquare 9 (1970), Firma Schneider/Tutzing
    • Schulz, Otto August: 9. Verzeichnis (1871), S. 16

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Brühl, S. 31–32 (Nr. 29)
    • Worbs 1982, S. 94–95

    Einzelstellenerläuterung

    • „Wunsch wegen des Annchens“Brühl bat im Namen von Johanna Eunicke, die die Partie des Ännchen sang, um eine zweite Arie; vgl. Brief von Brühl an Weber vom 22. März 1821. Kind und Weber schoben daraufhin für sie die Romanze und Arie Nr. 13 ein, die Weber laut Tagebuch am 25. März 1821 entworfen und am 28. Mai 1821 in Berlin vollendet hat. Sie ist auf kleinerformatigem Papier dem Berliner Autograph eingeheftet. Vgl. auch Kind (Freischütz-Buch), Fußnote S. 130: „Ich fügte auf des Hrn. Gr. Brühl und Webers Bitte das: ‚Einst träumte meiner alten Base etc.‘ noch ein, weil Dem. Eunike, als auch erste Sängerin, ansonst nicht singen wollte.“
    • „Cavatine der Agathe“„Und ob die Wolke sie verhülle“ (Nr. 12).
    • „Brautliedes“„Wir winden dir den Jungfernkranz“ (Nr. 14).
    • „… etwas recht Kehlgerecht zu machen“Laut Tagebuch vollendete Weber die Nummer am 28. Mai 1821.
    • „Besezzung“Vgl. Brief von Brühl an Weber vom 22. März 1821 und Brief von Weber an Brühl vom 15. März 1821.
    • „Beschort“Jonas Friedrich Beschort sollte die Rolle des Ottokar übernehmen, die dann jedoch von Lebrecht Gottlieb Rebenstein gesungen wurde. Beschort war der Regisseur der Uraufführungs-Inszenierung.
    • „Fürsten, in einen regierenden Grafen“Vgl. Brief von Brühl an Weber vom 22. März 1821. Ottokar war bei Kind ein böhmischer Fürst (vgl. Regiebuch, Faksimile bei Schünemann, S. 66), in der Berliner Aufführung wurde er auf dem Theaterzettel dagegen als regierender Graf bezeichnet, vgl. den Theaterzettel vom 18. Juni 1821 (D-B, in: Yp 4824/210-1821 R).
    • „Schreckenstein ein“Brühl hatte in seinem Brief an Weber vom 22. März 1821 vorgeschlagen, der regierende Graf Ottokar solle auf einem verfallenen Schlosse Schreckenstein wohnen. Im Regiebuch ist die Bezeichnung daher zu Ottokar, Graf von Schreckenstein geändert, vgl. Faksimile bei Schünemann, S. 66.
    • „Wiener Teufelssteinen und Schrekkenhörner“Anspielung auf Wiener Singspiele wie Der Teufelsstein in Mödling und Die Teufelsmühle am Wienerberge von Wenzel Müller.
    • „in Berlin nothwendig glauben“Weber traf am 4. Mai 1821 in Berlin ein, vgl. Tagebuch.
    • „… in der großen Oper besetzten“An den Königlichen Schauspielen in Berlin wurden Schauspielmusiken meist in geringerer Orchesterstärke und teils auch von speziell für diesen Bereich verpflichteten Musikern ausgeführt.

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