Aufführungsbesprechung, Prag: Konzerte zu wohltätigen Zwecken, März und April 1813

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Tonkunst und Declamation.

Prag. – Schon seit mehreren Jahren sind hier die letzten Wochen der Fastenzeit fast ausschließend nur Kunst-Productionen zu wohlthätigen Zwecken gewidmet; dieß war auch heuer der Fall, und schon am 26. März wurde die erste große musikalische Academie zum Vortheile des Privatvereins zur Unterstützung der Hausarmen, welcher unter der Protection Sr. Durchlaucht des Fürsten A. I. von Lobkowitz steht, im Redoutensaale gegeben. Neue Tonstücke haben wir in diesem Concerte nicht ¦ gehört; nur Herr Hauptmann aus Dresden, ein Dilettant – so nannte er sich auf dem Anschlagszettel –, Herr Kohaut, ein Böhme aus Italien (kommend?) und ein Baßsänger, Herr Schnepf, verliehen ihm einigen Reitz der Neuheit. Ersterer ist ein Schüler des berühmten Violinspielers Spohr, und entsprach allen Erwartungen, die man von ihm als Dilettanten hegen konnte. Er debütirte mit einem Concert von seinem Meister, welches er rein, nett und schulgerecht in der Manier desselben vortrug. Da man Herrn Hauptmann nach seiner bescheidenen Ankündigung nicht mit der Strenge wie einen anerkannten | Virtuosen beurtheilen darf, so genüge unsern Lesern die Erklärung, daß wir ihn für den vorzüglichsten Dilettanten auf der Violine halten, den man hier gehört hat. Herr Kohaut trat zuerst mit Variationen auf dem Horn auf, von welchen der Compositeur ungenannt blieb. Da wir uns vorbehalten, ihn in dem Concert, das er später zu seinem Besten gab, als Haupthelden zu erwähnen, so wollen wir für dieß Mahl, als das Vortheilhafteste nur die gutherzige Bereitwilligkeit anführen, womit er sein Talent für einen wohlthätigen Zweck herlieh, bevor noch sein Concert statt gefunden. Herr Schnepf, der für hiesige Oper als Baßsänger bereits engagirt ist, trat hier zum ersten Mahl öffentlich auf. Er sang eine Arie von Rhigini, worin er einen Umfang von 2 Octaven hören ließ. Seine Stimme hat vor manchen Baßstimmen den Vorzug, daß sie weich und sonor ist, obwohl ihr in der Tiefe noch Fülle und Kraft mangelt, welche er sich jedoch wohl noch erwerben wird. Sein Vortrag ist natürlich und ungezwungen; Eigenschaften, die sich bey unsern Bassisten immer rarer machen, da sie glauben, durch einen blöckenden und rasselnden Ton das zu ersetzen, was ihnen Mutter Natur versagt hat. Da übrigens Herr Schnepf seine theatralische Laufbahn hier beginnen wird, so wird uns die Folge noch öfters Gelegenheit geben, unser Urtheil über ihn zu berichtigen und auszusprechen.

In dem zweyten dieser Concerte am 2. Aprill ward einzig das Oratorium von Jos. Haydn: Die sieben Worte, gegeben. Dieß gediegene Werk des großen Tonsetzers ward von dem kunstliebenden Publicum freudig aufgenommen, und würde auch wohl alle Anwesenden befriediget haben, wenn die Production der Composition würdig gewesen wäre. Dlle. Müller war sehr zur Unzeit unpäßlich geworden, und statt ihr mußte Dlle. Weihrauch die erste Singparthie übernehmen; da sie nun für dieß Genre gar nicht geeignet ist, so vediente ihre zitternde Stimme nur Mitleid. Die übrigen Sänger und das Orchester schienen lieber das Mißfallen des Publicums vedienen, als die Prima Donna beschämen zu wollen.

Der böhmisch-italienische Virtuose auf dem Horn, Herr Kohaut, gab im Redoutensaale eine musikalische Akademie. Das Concert, welches er vortrug, war wieder von einem ungenannten Tonsetzer, und machte so wenig Glück, als sein Vortrag, dem es an Reinheit und Festigkeit gebricht, so daß es in der That eine Kühnheit ist, in Prag, wo man so vorzügliche Hornisten gehört hat, als Virtuose aufzutreten. Er spielte noch Variationen über die beliebte Romanze aus den beyden Füchsen auf der Trompete, und erwarb sich dain einen verdienten Beyfall. Herr Hoppe, ein Dilettant, sang eine Arie aus Sargini, und leistete – was Dilettanten zu leisten pflegen.

Den 12. Aprill gab Herr F. P. Pixis eine große musikalische Akademie im Redoutensaale, deren Einnahme die Bestimmung hatte, den ersten Fond für den Damenverein zur Unterstützung und Beförderung weiblicher Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit zu bilden. Das Publicum fand sich sehr zahlreich ein, und bezeugte durch erhöhte Beyträge seine Theilnahme an diesem edlen Bunde, der – freylich im engern Wirkungskreise – der Gesellschaft adelicher Damen in Wien nachstrebt. Die Akademie ward mit einer Symphonie von J. P[.] Pixis, einem Bruder des hiesigen ehrenwerthen Violinkünstlers, die jedoch ziemlich kalt aufgenommen wurde, eröffnet. Sie ist – wie dieß bey jungen Tonsetzern gewöhnlich der Fall ist – an Gedanken allzureich und gehäuft, so daß sie nicht mit der gehörigen Klarheit hervortreten können. Vorzüglich ist der Menuet dunkel und sehr lang gedehnt, was um so mehr ermüdet, da die Figuration monoton ist. Es wäre sehr zu wünschen, daß dieser talentvolle Künstler sich der Kürze in seinen Sätzen beflisse, ¦ wodurch er verständlicher würde, und daß er in einem und demselben Stücke weniger aus einer Tonart in die andere überginge. Sodann spielte Herr W. F. Pixis ein Concert in E-Dur von seiner eigenen Composition; es ist dieß das erste größere Werk, mit dem er öffentlich debutirt, und man muß gestehen, daß dieß auf eine glänzende Weise geschah. Das Concert ist brillant, und von so großer Schwierigkeit, daß nicht allein eine männliche Faust und eine Virtuosität, sondern auch eine sehr glückliche Disposition dazu gehört, wenn es durchaus glücken soll. Vorzüglich zeichnet sich das Adagio mit damit verbundener Polonaise aus, welches, so wie das Ganze, mit dem rauschendsten Beyfall aufgenommen wurde. Weniger gefiel ein Doppelconcert von Spohr, welches Herr Pixis mit seinem Schüler, Herrn Levi, nachher spielte. Es ist durchaus schwerfällig, und vor allem bewegen sich die Mittelstimmen gleich dem Gewürme am Boden. Das zweyte Stück, Larghetto, bloß mit Begleitung streichender Instrumente, hat so wenig Deutlichkeit, daß niemand im Publicum errieth, was der Tonsetzer eigentlich damit wollte. Auch die beyden Principalstimmen sind keineswegs sehr brillant, und verdunkeln sich wechselweise. Was Herrn Levi betrifft, so hat Herr Pixis hier einen großen Beweis seiner soliden Kenntnisse und seines Vortragtalents abgelegt; da dieser Jüngling bey seiner ersten öffentlichen Erscheinung allgemeinen Beyfall erntete, und man nur bedauerte, daß die Schwäche seines Instruments neben jenem seines Meisters zu sehr bemerkbar wurde.

Am 13. Aprill: Musikalisch-declamatorische Akademie, zum Vortheil der barmherzigen Brüder. Sie begann mit einer Ouverture von Paer; hierauf folgte: Die barmherzigen Brüder, nach einer wahren Anecdote dramatisirt von A. v. Kotzebue, worin Mad. Brunetti das Lischen mit viel Zartheit und innigem Gefühle gab. Hr. Bayer trug den Pater Hilarius mit hohem Pathos und in streng declamatorischer Form vor, wozu der einfache Stoff des Theaterstücks – welches sich wohl schwerlich träumen ließ, daß ihm einst diese Art der Darstellung zu Theil werden dürfte – schwerlich berechtigt. Herr Löwe (Kaspar), noch mehr aber Herr Reinecke (Meister Kunz) lasen ihre Rollen herunter, als ob – sie gern bald fertig seyn wollten.

Fräulein Christine van der Fliegen sang die große Arie der Vitellia aus Titus: Non piu de fiori, mit einer Reinheit und Stärke, wie man sie von einer Dilettantinn wohl selten hört. Der Umfang ihrer Stimme ist bewundernswerth, ihr Vortrag einfach und edel. Allgemeiner rauschender Beyfall ward dem liebenswürdigen Mädchen zu Theil, das sein glänzendes Talent hier zu einem edlen Zwecke entfaltete. Halems langweilige Ballade*: Das Häuschen auf der Haide, gesprochen von Mad. Brede, gefiel nicht. Desto größern Beyfall erhielt Columbus, von Louise Brachmann, den Mad. Brunetti mit Einsicht und herzlichem Gefühl vortrug. Auch eine häusliche Scene von Theodor Hell: Der Strickstrumpf und die Tabakspfeife, gefiel sehr. Mad. Brede sprach die Frau mit unbeschreiblicher Anmuth und Laune, Herr Bayer den Mann sehr richtig, aber etwas schwer und trocken.

Ein eilfähriger Knabe, Carl Maria von Bocklet, spielte das Dusseksche Pianoforte-Concert in F mit vieler Kraft und Geläufigkeit, und berechtigt für die Zukunft zu den größten Erwartungen. Als Gegenstück zu diesem jugendlichen Tonkünstler blies ein ehrwürdiger Greis von 74 Jahren einen Satz auf der Trombone mit großem Beyfall. Den Schluß des Concerts machte ein Chor von Cartellieri.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 5, Nr. 89 (5. Juni 1813), S. 355–356

Textkonstitution

  • „P.“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… Zwecke entfaltete. Halems langweilige Ballade“Das Häuschen auf der Haide, Ballade (1800) von Gerhard Anton von Halem, aus dem Bd. 1 seiner Gedichte (Münster 1807), S. 234–244.

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