Bericht über die ersten 6 Aufführungen des Oberon auf der Berliner Königlichen Opernbühne 1828

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Berlin. Den 6ten August 1828. Die einzige Kunst-Nachricht von Bedeutung im heissen und nassen Gewitter-Monate July ist die endliche Erscheinung des lange ersehnten Oberon von C. M. von Weber am 2ten July auf der grossen Königlichen Opern-Bühne. Das Haus war überfüllt, und die Aufnahme des genialen Werkes im höchsten Grade enthusiastisch, woran die Opposition contra S. auch wohl ihren nicht geringen Antheil haben mochte. So sehr indess die Originalität der Musik, deren Reichthum an Phantasie und Schönheit der Melodie, neben der effectvollen Instrumentation bey jedem Unbefangenen gerechte Anerkennung fand, eben so störend trat die unklar, oft ganz den lyrischen Bedingnissen entgegenwirkende dramatische Bearbeitung des, mehr zur Erzählung geeigneten Wieland’schen Gedichts hervor. Die zu grossen Ensemble-Gesängen höchst wirksamen Momente sind oft unbenutzt geblieben und frostiger Dialog tritt in die Stelle. Namentlich müsste Oberon gar nicht sprechen. Auch der deutsche Text ist häufig schwer sangbar. Kein Wunder, da er nach der bereits vorhandenen Musik und dem zum Gesange wenig günstigen Englischen | Original-Texte sich bequemen musste. Doch kehren wir zu der reizenden Musik zurück. Hier ist fast Alles neu erfunden und glücklich ausgeführt; wenn auch hier und da eine aufgeregte Reizbarkeit des Componisten und einiges Streben nach überraschendem Effect bemerkbar wird. Der Ton und die Haupt-Farbe des reichen Tongemäldes ist treu und glücklich aufgefasst und durchgeführt. Romantik waltet überall vor, und schon die, jederzeit da Capo begehrte, von der K. Kapelle mit wahrer Virtuosität der Einheit ausgeführte Ouverture beweist, wie tief Weber’s Genius in den Geist des Gedichtes eingedrungen ist. Die Besetzung der Oper war so gut, als nur möglich. Mad. Seidler sang den anmuthigen Theil der Partie der Rezia ungemein befriedigend, wie z. B. im ersten Finale. Die grosse Scene im zweyten Akte überschreitet eigentlich die Kräfte dieser graciösen Sängerin; mit Anstrengung leistete dieselbe dennoch sehr viel und erhielt ausgezeichneten Beyfall. Herr Stümer, obgleich in Hinsicht seiner Persönlichkeit weniger zu ritterlichen Helden geeignet, sang den Hüon doch edel und kräftig, als erfahrner Künstler. Fatime war der Dem. Hoffmann zugetheilt, welche die Romanzen mit inniger Empfindung und frischer Stimme sang, auch die Lach-Scene gut ausführte. Herr Devrient der jüngere liess den gutmüthigen Humor des Scherasmin gelungen hervortreten. Hr. Bader sang die nicht sehr bedeutende, doch in den wenigen Gesängen ungemein ansprechende Partie des Oberon mit der ergreifendsten Empfindung. Puck war einer Anfängerin zu Theil geworden, welche die tiefen Alt-Töne verlegen musste, und deren Stimme zwar rein, doch so schwach war, dass in der Geisterbeschwörungs-Scene die Contrabässe schweigen, und durch Violoncelle ersetzt werden mussten; der Componist würde diese Aenderung sicher nicht gebilligt haben, da hierdurch die tiefere Bass-Octave der den Sturm malenden Figur ganz wegfällt. – Die Chöre waren sehr sorgfältig einstudirt, und wurden nicht bloss richtig, sondern mit angemessenem Vortrage, z. B. der erste Elfen-Chor höchst discret ausgeführt. Von grosser Wirkung war auch der monotone Gesang der Harems-Wächter im ersten Finale zu der reizenden (etwas rossinisirenden) Cantilene der Rezia und den heiseren Oboe-Tönen der Verschnittenen auf der Bühne. – Das Quartett im zweyten Akte: „Ueber die blauen Wogen“ wurde fast jedesmal da Capo begehrt, wie das Duett der ¦ Fatime und des Scherasmin im dritten Akte. Sehr ansprechend und lieblich war der Gesang des Meermädchens (Fräulein von Schätzel); innig ergreifend der seelenvolle Vortrag der elegischen Cavatine der Rezia: „Traure mein Herz,“ wie des rührenden Gebet’s des Hüon, mit Violoncellen begleitet. Nur dessen letzte Arie blieb ohne Wirkung. Im zweyten Akte war zweckmässige Ballett-Musik von G. Abr. Schneider eingelegt, die sich sehr dem Weber’schen Styl annäherte. Der Tanz im Harem Almansor’s mit Chor (Akt 3.) wirkte indess weit mehr durch die eindringliche Melodie und die Situation. Vorzüglich schön wurden die besonders hervortretenden Horn-Soli von dem Herrn K. M. Lenss ausgeführt. Auf Scenerie und Costume’s war von der Königl. General-Intendantur die höchste Sorgfalt gewandt, und der feine Geschmack, wie die vorzugsweise Theilnahme des Chefs an Weber’s Werken sprach sich in den gewählten Anordnungen thätig aus. Auch der Opern-Regisseur, Herr Baron von Lichtenstein, zeigte den regsten Eifer durch sorgfältige Anordnung der häufig sehr schwierigen Scenerie. So von allen Seiten mit Theilnahme, Liebe und Eifer dargestellt, musste das letzte Werk unseres verewigten vaterländischen Tondichters die rege, ungetheilte Anerkennung finden, zu der sein Freyschütz hier den Grund gelegt hat, wo Weber’s Ruhm als dramatischer Componist ganz eigentlich mit unserm neuen Schauspielhause gegründet ist, und von wo aus derselbe sich in alle Welt verbreitet hat. Bis jetzt ist in einem Monate Oberon 6 mal bey vollem Hause und hohen Opernpreisen in der heissesten Sommerzeit gegeben. Ein so glücklicher Erfolg, wie ihn kaum Weber’s hier sehr zahlreiche Freunde erwarten konnten, und der die Gegner verlegen macht.

Der Königstädter Pseudo-Oberon kann gegen den ächten nicht aufkommen, so viel auch auf die äussere Ausstattung verwandt ist. […]

Apparat

Zusammenfassung

Bericht über die ersten 6 Berliner Aufführungen des Oberon

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 30, Nr. 34 (20. August 1828), Sp. 556–558

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