Aufführungsbesprechung Berlin: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 14. März 1821

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Gestern wurde hier zum erstenmale: Preciosa, Schauspiel mit Gesang und Tanz, in 4 Abtheilungen vom königl. Schauspieler P. A. Wolff, gegeben. Die Musik von Carl Maria v. Weber und die Ballets vom Ballettmeister Telle.

Der Stoff ist aus dem Cervantes entlehnt: wie nämlich die Tochter eines spanischen Großen in der frühesten Kindheit von Zigeunern geraubt, unter ihnen erzogen wird, zum Mädchen herangereift, durch ihre Schönheit und Anmuth alles bezaubert und nach sechszehnjährigem Herumschweifen ein Spiel des Zufalls mit Entzücken und Jubel die Heimath und die Aeltern wiederfindet.

Das Ganze ist sehr geschickt behandelt und zeigt von der größten Kenntniß unseres Bühnenwesens. – Die Sprache ist schön, bilderreich und fließend, und der dramatische Gang durchweg belebend erhalten. Einen wunderbaren Reiz brachte die auf höchst geniale und originelle Weise componirte Musik Ihres trefflichen Weber hervor, und verbreitete über das an sich schöne Gedicht den herrlichsten Zauber. Diese Klänge können nur unter einem südlichen Himmel erzeugt seyn, das glauben wir. Es ist in Rede und Klang die Heimath so richtig bezeichnet, daß wir es wissen würden, wenn Landschaft und Tracht uns auch nicht die Gewißheit gäben, wir sind in Spanien.

Preciosa, das reizendste Frauenblild, was Dichter und Bildner nur zu schaffen vermochten, ist in unserer Stich Händen, und wie sie das, was der Dichter so schön ersonnen, veranschaulicht, darüber sind alle hocherfreut, die sie sahen und bewundern konnten. Die Musen des Gesanges, des Tanzes und der Rede hatten sie in ihren Kreis genommen und stellten sie uns so vor Augen, ja man konnte sagen, sie hatten sich alle schwesterlich verbunden und ihr für diesen Abend ihre Kränze überreicht.

Mad. Wolff war die Zigeuner-Alte und bewährte durch diese Rolle auf’s neue, daß sie stets und immer im ganzen Sinne des Wortes Künstlerin ist. Inmitten dieses wilden gemeinen Lebens wehte in ihr doch stets das innere prophetische Leben vor, und namentlich gegen das Ende hin, bei der Entdeckung des Betruges, war ihr Spiel erschütternd tragisch. Wie viel läßt sich da lernen und wie sehr oft unsere besten Schauspieler dagegen sündigen, das haben wir leider nur zu oft erfahren.

Der Zigeuner-Hauptmann war dem Hrn. Wauer zugetheilt, der das Rauhe, Wilde des Charakters sehr verdienstlich veranschaulichte. Zwei höchst komische Personen sind Don Contreras, ein stolzer, aber bedauernswürdiger armer Polizei-Lieutenant, und der Schloßvoigt Pedro. Ersteren gab Hr. Devrient mit der größten Genialität und lieferte uns auf’s neue den Beweiß, daß einem Künstler wie ihm alles gelingen müsse, wenn er es nur wolle. Den Schloßvoigt Pedro gab Hr. Gern S. mit ächt komischer Laune.

Die Herren Beschort, Bessel, Rebenstein, Rüthling, Stich, die Dame Sebastiani*, so wie alle, welche in dem Stücke beschäftigt waren, griffen mit Liebe in den Gang der Handlung ein und machten uns es glauben, daß sie alle ihre künstlerische Kräfte gern daran setzten, das Werk des Dichters – den ¦ sie mit Stolz in ihrer Mitte sehen – darzustellen. – und so war es denn auch, die strengste Kritik konnte sich an diesem Abend nicht tadelnd erheben; jedes that das Seinige, und wohl wünschen wir, daß dieser Geist die Spielenden recht oft beseelen möge. Die in die Handlung sehr oft verwebten Tänze der Zigeuner sind charakteristisch gehalten und gaben uns ein wahrhaft ergötzliches Bild; welchen Reiz erhält dieß aber noch, wenn wir erfahren, daß die würdigsten Priester Terpsichores, Hoguet und die Lemière, in einem Pas de deux uns zeigten, was kunstgemäße lebende Bewegung sey.

Die Decorationen waren wahrhaft künstlerisch gruppirt und namentlich verdient die Schluß-Decoration, ein erleuchteter Garten mit einem prachtvollen Schlosse, von der Erfindung und Ausführung unsers Decorations-Malers Gropius die schönste Anerkennung. Es war ein wahres Zaubergebilde und beim Aufrollen der Gardine wurde dieß auch von der überaus zahlreich versammelten Menge erkannt. Die höchste Anerkennung aber wurde dem Dichter und Künstler Wolff nach dem Fallen des Vorhanges. Er wurde stürmend gerufen, und dankte auf eine so sinnige, bescheidene Weise, wie sie uns den Künstler Wolff täglich werther macht. Nächst ihm wurde der Mad. Stich die Ehre des Hervorrufens. An der Hand des Dichters erschien auch sie.

Es war in jeder Hinsicht ein schöner Abend und wohl mit Recht theilte Jeder die Freude des Dichters und Künstlers, denn wir sahen in dem Bestreben aller zugleich, auch die Anerkennung der Trefflichkeit Wolff’s, der, selbst wenn er uns auch nicht mit einem so schönen wahrhaft poetischen Spiele seiner Muse beschenkt hätte, doch stets undimmer ale einer der hellsten Sterne am Himmel deutscher theatralischer Kunst leuchten wird.

[Originale Fußnoten]

  • *) Von einem andern Correspondenten.

Apparat

Zusammenfassung

Correspondenz-Nachrichten, ungezeichnet

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 5, Nr. 73 (26. März 1821), Bl. 2v

    Einzelstellenerläuterung

    • Frauenblildrecte „Frauenbild“.
    • „… Stich , die Dame Sebastiani“J. F. Beschort gab den Don Fernando de Azevedo, Karl Friedrich Bessel den Don Francisco de Carcamo, C. G. L. Rebenstein den Don Alonzo, Johann Friedrich Ferdinand Rüthling den Gastwirt Fabio, Wilhelm Stich den Don Eugenio und C. Sebastiani die Donna Petronella.

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